Verhängnisvoll, ja unverantwortlich
02.09.2025 PolitikUrs Roth, Landrat SP, Niederdorf
Es ist an der Zeit, dass wir uns mit der SVP-Initiative «Vollumfänglicher Steuerabzug der selbstgetragenen Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» (kurz «Prämienabzug für alle») ...
Urs Roth, Landrat SP, Niederdorf
Es ist an der Zeit, dass wir uns mit der SVP-Initiative «Vollumfänglicher Steuerabzug der selbstgetragenen Prämien der obligatorischen Krankenpflegeversicherung» (kurz «Prämienabzug für alle») auseinandersetzen. Denn bereits im Verlauf des ersten Halbjahres 2026 werden wir über diese verhängnisvolle Initiative in unserem Kanton abzustimmen haben.
Worum geht es? Laut der formulierten Gesetzesinitiative sollen die Prämien neu zusätzlich und in effektiver Höhe unlimitiert von den Steuern abgezogen werden können. Der bisherige Grenzbetrag von 2000 beziehungsweise 4000 Franken bliebe dabei für alle übrigen Versicherungsprämien bestehen. Bei Annahme der Initiative wäre mit einem jährlichen Steuerausfall von rund 150 Millionen Franken (für den Kanton und die Gemeinden zusammen) zu rechnen. Und bei steigenden Krankenkassenprämien wird dieser Steuerminderertrag noch höher ausfallen. Das ist finanzpolitisch nicht zu verantworten. Der bereits enge finanzielle Handlungsspielraum beim Kanton und in den Gemeinden würde weiter einge- schränkt, was angesichts der anstehenden finanzpolitischen Herausforderungen, beispielsweise bei der Weiterentwicklung der familien- und schulergänzenden Betreuung (Kita-Finanzierung) oder anderen zentralen Bereichen (Spitalfinanzierung beim Kanton und Pflegefinanzierung bei den Gemeinden), verheerend wäre.
Es gibt aber auch zahlreiche andere Gründe, weshalb diese SVP-Initiative abzulehnen ist: Ein Steuerabzug für Krankenkassenprämien würde die Steuerlast wegen der Steuerprogression insbesondere für finanzstärkere Haushalte senken. Aber das ist natürlich ein Hohn! Denn damit würden ja genau jene Personen in unserem Kanton am meisten von dieser SVP-Initiative profitieren, die am wenigsten auf eine Prämienverbilligung angewiesen sind respektive unter der aktuellen Prämienlast leiden. Genau aus diesem Grund verlangt die SP schon lange eine Verbesserung der individuellen Prämienverbilligung (IPV) in unserem Kanton. Diese Massnahme ist weitaus zielgerichteter und deshalb sozialpolitisch effizienter, weil dadurch der Mittelstand direkter entlastet werden kann. (Eine Entlastung der unteren Einkommenskategorien erfolgt bereits im Rahmen der heutigen IPV.) An dieser Stelle darf nicht unerwähnt bleiben, dass der Kanton Baselland im Zuge der Umsetzungsarbeiten zum genehmigten Gegenvorschlag zur eidgenössischen Prämien-Entlastungsinitiative ohnehin verpflichtet ist, künftig die IPV auszuweiten. Hier ist kantonsseitig mit jährlichen Mehrkosten von 66 Millionen Franken zu rechnen. Auch das zeigt, dass die Mittel für weitere Steuergeschenke à la SVP-Initiative schlicht fehlen.
Auch gesundheitspolitisch wäre die SVP-Initiative im Übrigen verhängnisvoll und würde direkt zu einem krassen Fehlanreiz führen: Weil die resultierenden höheren Krankenkassenprämien voll steuerlich abzugsfähig wären, würden künftig die meisten auf die tiefste Franchisestufe wechseln. Eine systematische Einführung eines solchen Fehlanreizes durch eine unüberlegte SVP-Initiative können wir uns in unserem Kanton wirklich nicht leisten.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.