Velo-Fieber ohne Langzeitfolgen Radsport
25.07.2025 Sport, Weitere SportartenRegionale Vereine haben von Corona nicht profitiert
Während der Corona-Pandemie erlebten Velogeschäfte einen riesigen Ansturm. E-Bikes, Gravelbikes und andere Zweiräder waren während der Homeoffice-Zeit hoch im Kurs. Doch hat dieser Höhenflug Spuren im regionalen ...
Regionale Vereine haben von Corona nicht profitiert
Während der Corona-Pandemie erlebten Velogeschäfte einen riesigen Ansturm. E-Bikes, Gravelbikes und andere Zweiräder waren während der Homeoffice-Zeit hoch im Kurs. Doch hat dieser Höhenflug Spuren im regionalen Radsport hinterlassen?
Timo Wüthrich
Ob «Gümmeler» auf der Landstrasse, Mountainbikerinnen auf Singletrails, Gravelbiker auf Waldwegen oder E-Biker auf dem täglichen Arbeitsweg: Wer in den wärmeren Monaten im oberen Baselbiet unterwegs ist, begegnet fast zwangsläufig Velofahrenden. Während der Coronavirus-Pandemie war der Andrang auf Velos besonders gross: Im Jahr 2020 wurden in der Schweiz erstmals deutlich mehr als eine halbe Million Fahrräder verkauft – ein Rekord. Gleichzeitig spaltete sich die Velo-Szene stärker in verschiedene Disziplinen auf. BMX oder Downhill erfreuen sich wachsender Beliebtheit, Gravelbikes ermöglichen eine flexible Nutzung auf Schotter und Asphalt. Doch was ist vom Hype geblieben, insbesondere bei den zahlreichen Veloclubs in der Region?
Das obere Baselbiet ist zwar nicht unbedingt als nationaler Velo-Hotspot bekannt, beherbergt aber dennoch einige aktive Radsportvereine. Einer davon ist der VMC Liestal. Dieser ist vor allem für seine mehrfach ausgezeichnete Radball-Abteilung bekannt, die derzeit in der Nationalliga B vertreten ist. «Wir organisieren offene Ausfahrten, an denen auch einige ehemalige Elitefahrer teilnehmen», sagt Präsident Roger Aeschbach auf Anfrage.
Wenige Lizenzierte
«Das Schöne am Velofahren ist, dass man wenig Ausrüstung braucht und den Sport auch allein ausüben kann», so Aeschbach. «Für das Vereinsleben ist dies meiner Ansicht nach eher ein Nachteil, da dann weniger zusammen unternommen wird», ergänzt er. Während der Corona-Pandemie sei das Velo für viele zur idealen Freizeitbeschäftigung geworden – eine willkommene Abwechslung zum Homeoffice-Alltag. Allerdings seien es vor allem Erwachsene gewesen, die das Radeln für sich entdeckten. Die Nachwuchsförderung im Radsport gestaltet sich Aeschbach zufolge zunehmend schwierig: «Heute gibt es ein grosses Angebot an Freizeitaktivitäten.» Hinzu komme, dass sich einige engagierte Personen finden müssten, die zusätzlich Zeit investieren – beispielsweise für das Leiten der Trainings oder das Begleiten der Athletinnen und Athleten an die Rennen.
Andreas Wild, Präsident des Veloclubs Diegtertal und von Swiss Cycling beider Basel, betont, dass die Nachwuchsförderung eine anspruchsvolle Aufgabe sei. Es gebe zweierlei Radsportvereine: Solche, die den Jugendbereich aktiv förderten, und solche, die primär dem Freizeitsport und der Gemeinschaft dienten. «Im Oberbaselbiet gibt es vor allem Vereine, die auf den Breitensport ausgerichtet sind. Diese haben wenig bis keine lizenzierten Mitglieder, die an Rennen teilnehmen», erklärt Wild. Bei diesen Clubs bestehe im schlimmsten Fall die Gefahr der Auflösung, da der Altersdurchschnitt eher hoch sei. «Der Kreis der nachwuchsfördernden Vereine ist eher klein – aber er ist essenziell für die Zukunft des Radsports», führt der Funktionär aus.
Zuversicht dank Velokurs
Dieses Schicksal hat den VMC Maisprach ereilt: Der Veloclub löste sich im Sommer 2023 auf. Er bestand zum Zeitpunkt der Auflösung lediglich aus 10 Mitgliedern, die alle über 60 Jahre alt waren. Jüngere Mitglieder seien keine in Aussicht gewesen. Ähnlich sieht es auch in Buus aus – der lokale Verein existiert laut dessen Präsidenten sozusagen nur noch auf dem Papier.
In Gelterkinden sieht die Situation anders aus. Sportchef Manuel Plattner blickt mit Zuversicht auf die Nachwuchsarbeit seines Vereins: «Wir haben viele Kinder, die den Radsport ausprobieren wollen. Unser Club bietet einen geführten Velokurs an: Der Fokus liegt in erster Linie auf dem Erlernen der Grundlagen – dabei soll der Spass nicht verloren gehen.» Der Funktionär nimmt wahr, dass bei den Nachwuchstrainings das Mountainbike am beliebtesten sei. Auch die Downhill-Disziplin sei hoch im Kurs – es gebe auch eine Trainingsgruppe, die oft auf dem Sissacher Endless-Trail unterwegs sei.
Plattner ist der Auffassung, dass regionale oder nationale sportliche Erfolge eine starke Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche ausüben können. Durch die aktuelle Heim-Europameisterschaft erwartet der Wenslinger etwa, dass viele Kinder in den kommenden Monaten mit dem Fussballspielen beginnen werden. «Oft haben beeindruckende sportliche Leistungen eine Sogwirkung», sagt er. «Würde beispielsweise jemand aus der Region bei der Tour de France vorne mitfahren oder regelmässig Mountainbike-Weltcuprennen gewinnen, würden sich vermutlich viele Kinder für den Radsport begeistern und selbst damit anfangen.»
Der Gelterkinder Sportchef ergänzt, dass vor allem Erwachsene sich im Zuge der Corona-Jahre ein Rad geleistet hätten – vor allem E-Bikes seien beliebt gewesen. Diese Gruppe von Velofahrern engagiere sich nicht im Vereinsleben.
Kinder sind polysportiv
In der Realität sei es nicht einfach, den Nachwuchs langfristig für den Radsport zu begeistern – insbesondere dann, wenn es in Richtung Leistungssport geht. «Velofahren ist eine Einzelsportart, bei der schon in jungen Jahren im Wettkampf gegeneinander gefahren wird. Dafür braucht es viel Willen und Disziplin», erklärt Plattner. Auch die Eltern müssten frühzeitig hinter den sportlichen Ambitionen des Kindes stehen, was ein Hindernis sein könne. Zudem seien viele Kinder heute mehrfach aktiv: Am Dienstag steht Turnen an, am Mittwoch Fussball, am Freitag die Ausfahrt mit dem Veloclub.
Einig sind sich alle Verantwortlichen: Die Zukunft des regionalen Radsports steht und fällt mit der Nachwuchsförderung. Die hohen Verkaufszahlen während der Corona-Pandemie hatten kaum Einfluss auf die Mitgliederzahl der Vereine, weil durch Corona vor allem Erwachsene neu zum Velofahren gekommen sind.