Unsozial, unfair und unnötig kompliziert?
12.09.2025 PolitikAndrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein
Unfair und unsozial – Wörter, die oft in einem Atemzug mit der «Heiratsstrafe» genannt werden. Damit ist gemeint, dass heutzutage rund 1,4 Millionen verheiratete Personen ...
Andrea Heger, Gemeindepräsidentin und Landrätin EVP, Hölstein
Unfair und unsozial – Wörter, die oft in einem Atemzug mit der «Heiratsstrafe» genannt werden. Damit ist gemeint, dass heutzutage rund 1,4 Millionen verheiratete Personen viel mehr Steuern zahlen müssen als ohne Heirat. Seit sage und schreibe 41 Jahren ist bundesgerichtlich klar, dass diese Ungerechtigkeit beseitigt werden muss. Die Kantone haben ihre Hausaufgaben gemacht. Viele haben, wie Baselland, das Vollsplitting-Modell eingeführt. Dabei wird die starke Progression der Steuertarife umgangen, indem das gemeinsame Einkommen halbiert und zu diesem Steuersatz veranlagt wird. Doch beim Bund steht die Umsetzung immer noch aus.
Die sogenannte Steuergerechtigkeitsinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung», ursprünglich von den FDP-Frauen eingebracht, fordert die Einführung der Individualbesteuerung. Einigen erschien dies eine verheissungsvolle Lösung. Alternativen wie die von der «Mitte» und EVP getragenen Fairness-Initiativen «Für faire Steuern und faire Renten – auch für Ehepaare» stehen in dieser Herbstsession an.
Auf die Forderung nach Individualbesteuerung reagierte der Bundesrat mittels Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags. Das Parlament verabschiedete diesen am 10. Juni. Wird da- gegen kein Referendum ergriffen, tritt er automatisch in Kraft. Die Bevölkerung kann somit nur über das neue Gesetz abstimmen, wenn innerhalb von 100 Tagen nach Publikation 50 000 gültige Unterschriften gesammelt werden. Solche Sammlungen laufen derzeit. Weshalb?
Unter dem Deckmantel von Gleichberechtigung sollen verheiratete Paare via Besteuerung staatlich gesteuert zu bestimmten Familienmodellen gedrillt werden. Das ist alles andere als liberal. Das neue Steuersystem führt zudem nicht zu Gerechtigkeit, sondern ersetzt die Heiratsstrafe durch eine neue, familienfeindliche Ungerechtigkeit. Doppelverdiener-Paare mit gleich hohen Einkommen werden gegenüber Paaren mit ungleichen Einkommen bevorzugt. Familien, in denen ein Ehepartner deutlich weniger verdient oder für einige Zeit auf Erwerbsarbeit verzichtet – zum Beispiel zur Betreuung von kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen –, werden steuerlich bestraft. Damit wird aus einer Heiratsstrafe eine Familienstrafe. Das ist nicht fair.
Überdies entsteht riesiger administrativer Mehraufwand, ein Bürokratiemonster. Da neu auch bei Ehepaaren jede Person ein eigenes Dossier einreichen muss, rechnet der Bund mit 1,7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen. Die Kantone müssen zudem ihre diesbezüglich bewährten Steuermodelle aufgeben, was fürs Baselbiet rund 70 000 Zusatzdossiers bedeutet. Das wiederum würde aktuell rund 25 bis 28 zusätzliche Mitarbeitende bei den Steuerabteilungen von Kanton und Gemeinden erfordern – ein bürokratischer und finanzieller Kraftakt.
Für mich alles Beweggründe, den Titel nicht mehr als Frage, sondern als Ausruf zu sehen und das Referendum zu unterschreiben. Wenn auch Sie mit einer zügigen Unterschriftsabgabe der Bevölkerung eine Mitsprache ermöglichen, freut mich das sehr.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.