Über den roten Teppich in Venedig und Zürich
02.11.2023 Itingen, BaselSchauspieler Danny Exnar dreht mit Roman Polanski und Mickey Rourke
Mit 41 Jahren ist der Schauspieler und Jazzpianist Danny Exnar beruflich plötzlich in die Champions League des Kinos aufgestiegen. Unter der Regie von Altmeister Roman Polanski spielt er in «The Palace» an ...
Schauspieler Danny Exnar dreht mit Roman Polanski und Mickey Rourke
Mit 41 Jahren ist der Schauspieler und Jazzpianist Danny Exnar beruflich plötzlich in die Champions League des Kinos aufgestiegen. Unter der Regie von Altmeister Roman Polanski spielt er in «The Palace» an der Seite von Mickey Rourke dessen Sohn und sitzt bei der Premiere in Venedig im Publikum.
Jürg Gohl
Aussergewöhnlich ist es ja nicht, dass es ein Paar am Fasnachtsmontag in Basel abends noch auf ein Bier nach draussen zieht – vor allem, wenn man wie Danny Exnar und seine amerikanische Frau in Basel wohnt. Den Ausschlag gab ihnen an diesem 7. März 2022 aber nicht das «Drummlen und Pfyffe», sondern der kurze Telefonanruf seiner Agentin kurz zuvor. «Du hast die Rolle», beschied sie ihm und machte ihn für einen Moment sprachlos.
Zwei Wochen zuvor hatte sie ihn bereits ein erstes Mal kontaktiert, um ihm mitzuteilen, dass der grosse Filmemacher Roman Polanski für seinen vielleicht letzten Film noch eine wichtige Rolle nicht besetzen konnte. Der 1,60 cm kleine grosse Mann des Kinos suchte den idealen Schauspieler für die Rolle von Vaclav, des unehelichen Sohns eines reichen, vulgären Geschäftsmanns. Die Rolle des Vaters war an den namhaften, durchaus umstrittenen Mickey Rourke vergeben.
Altmeister Roman Polanski suchte jemanden, der altersmässig und äusserlich als Sohn der Hauptfigur durchgehen und sein US-Englisch mit einem tschechischen Akzent anreichern kann. Als Sohn tschechischer Eltern, die im Prager Frühling in die Schweiz geflohen sind und in Itingen sesshaft wurden, beherrscht Danny Exnar den geforderten Sprachenmix perfekt. Und so produzierten er und seine Frau in ihrer Basler Wohnung flugs ein Demoband. «Das war zwei Wochen vor dem ‹Morgestraich›», erinnert sich Danny Exnar und nippt an seinem Cappucino. Das Band überzeugte die Filmemacher offensichtlich.
In Gstaad gedreht
Gedreht wurde der Film ausschliesslich im Hotel Palace Gstaad. Dort lernte er bei einer ersten Vorbesprechung den Regisseur und seine nicht weniger namhaften Kollegen – auch John Cleese zählt zum Team – kennen. «Am Wichtigsten ist die Naivität der Figur», sagte der inzwischen 90-jährige Regisseur bei der ersten Probe dem Oberbaselbieter. Wenn er von den Proben erzählt, ahmt er dessen polnischen Akzent in den Anweisungen nach. Denn der Pole Polanski ist, gleich wie die tschechischen Eltern von Exnar, einst vor den Russen in den Westen geflohen. Beim Dreh unterhielten sich Exnar junior und sein Chef oft in einem polnisch-tschechischen Mix.
Trotz seines Alters sei Polanski, der auch am Drehbuch zu seinem Film mitschrieb, bei den Proben und Aufnahmen wie ein Irrwisch herumgehüpft, erzählt der Schauspieler anerkennend. «Polanski hätte am liebsten alle Rollen selber gespielt», sagt er. Selbst Mickey Rourke höre ihm immer genau zu. Er sei «charmant, sarkastisch und sehr genau». Jedes Stargehabe sei ihm fremd. Das Gleiche lässt sich auch über Danny Exnar selber sagen. Das Extrovertierte und Selbstherrliche, auf das man sich vor einem Gespräch mit einem Schauspieler einrichtet, sind ihm völlig fremd.
Wie aus seinen Schilderungen herauszuhören ist, hatte Danny Exnar als Nobody der Szene den Chef bald von seinen eigenen Fähigkeiten überzeugt. Indes war die Zusammenarbeit mit Rourke, der den Mister Crush gibt, anstrengend und herausfordernd. «Es ist, als würde man mit ihm in einen Boxring steigen», verrät der «Sohn» in einem Zeitungsinterview.
«Er ist kein einfacher Mensch», beschreibt er seinen Film-Vater, «er ist Rock’n’Roll.» Um die optische Ähnlichkeit mit ihm zu erhöhen, wurden Exnars Haare blond gefärbt, und er erhielt jeden Morgen in der Maske eine grössere Nase und ein prominentes Kinn aufgesetzt. Das dauerte alleine eine Stunde, dann erst konnten die teils sehr langen Drehtage beginnen. Der entstandene Film dauert insgesamt 100 Minuten, davon ist Danny Exnar, so schätzt er, zwischen zehn und fünfzehn Minuten auf der Leinwand präsent.
Satire über Reiche
«The Palace» will sich als Satire auf die High Society verstanden wissen. Der Film spielt in Gstaad, wo Polanski selber ein Chalet besitzt, und am Silvesterabend zur Jahrtausendwende. Dort wurde er vom März bis Mai auch gedreht. Bei den Kritikern in den USA wie in der Schweiz fällt das Werk allerdings kolossal durch. So endet die Besprechung im «Tages Anzeiger» mit dem bemerkenswerten Satz, man wünsche «dem Regisseur von ‹Chinatown› einfach eines nicht: dass er mit diesem Film seine Karriere beendet». Die Komödie sei «ein Verbrechen», ist in dieser Besprechung etwa noch zu lesen.
Danny Exnar selber weist darauf hin, dass es nach dem Kinostart in Italien in italienischen Medien durchaus auch «positive bis sehr positive» Besprechungen zu lesen gab. Die Verrisse könnten an den hohen Erwartungen liegen, die der Name des Regisseurs automatisch auslöst. «Vielleicht aber», mutmasst er, «darf man den Film wegen der Anklage gegen Polanski einfach nicht gut finden. Und womöglich wird der Streifen in fünf Jahren als Kultfilm gefeiert. Und ich bin ein Teil davon.»
Nach der Premiere in Venedig hat der Oberbaselbieter den Streifen am Zürcher Filmfestival noch ein zweites Mal gesehen. «Und er gefiel mir besser», sagt er. Doch das dürfte auch an den äusseren Umständen gelegen haben: Er wurde in Venedig wie ein Star mit dem Wassertaxi zum Lido chauffiert und schritt dort in den braunen Schuhen, die er gleichentags noch rasch gekauft hatte, vor versammelter Weltpresse im Blitzlichtgewitter über den berühmten roten Teppich.
Im Abspann mit den Stars
Rourke und Polanski mussten aus unterschiedlichen Gründen passen: Der eine wegen des Streiks der US-Schauspieler, der andere, weil er in verschiedenen Ländern, nicht in der Schweiz, als strafflüchtig gilt, weil er vor Jahren eine Minderjährige missbraucht hat und dafür verurteilt wurde. Deshalb darf er nicht in die USA einreisen. Doch auch ohne sie sei Venedig «der Wahnsinn» gewesen, sagt er, «ich war so nervös, dass ich vom Film kaum etwas mitbekommen habe.» Er musste seine Augen reiben, als beim Abspann sein eigener Name gleich neben den beiden Kino-Grössen sowie John Cleese, Fanny Ardant und so weiter über die Leinwand lief.
Vor dieser Verfilmung war Danny Exnar, der nach der Matur Itingen verliess und sich in Prag, seiner zweiten Heimatstadt, zum Jazzpianisten und danach in München zum Bühnenund Filmschauspieler ausbilden liess, im Fernsehen in verschiedenen Krimis zu sehen. Er spielte etwa auch in der letztjährigen Schweizer Kinoproduktion «99 Moons» von Jan Gassmann. Zu seinem Portfolio zählt zudem das Einlesen von Zeitungsberichten, Hörbüchern und Dokumentarfilm-Kommentaren.
Doch vielleicht ändert sich das schnell, wenn er jetzt bei neuen Engagements vorweisen kann, mit Polanski und Rourke gearbeitet, dabei eine zentrale Rolle gespielt und unter hohem Druck gute Arbeit abgeliefert zu haben. «Doch das ist schwer abzuschätzen», sagt er. «Diese Rolle passte perfekt zu mir. Ich bin und bleibe als Schauspieler ein spezieller Typ.»
Mit Charles Brauer nach Hamburg
jg. Beim nächsten Projekt von Danny Exnar geht es vom Film zurück auf die Bühne. Der Itinger fährt im Dezember mit dem 88-jährigen Böckter Charles Brauer nach Hamburg. Dort wird das Duo am Ernst-Deutsch-Theater das Zwei-Personen-Stück «Dienstags bei Morrie» auf die Bühne bringen. Charles Brauer spielt darin einen Professor namens Morrie Schwarz, und Danny Exnar spielt dessen ehemaligen Studenten, der seinen ehemaligen Lehrer besucht. Aus dem geplanten einmaligen Besuch entwickelt sich eine ganze Reihe. Zur Rolle des Besuchers gehört auch, dass er ein guter Jazzpianist ist. Das trifft auf Danny Exnar zu. So ist er die ideale Besetzung. Das Oberbaselbiet ist bei dieser Produktion noch mit einer dritten Person vertreten. Charles Brauers Frau Lilot Hegi besorgt die Ausstattung.
Die erste von insgesamt 25 Aufführungen innerhalb eines Monats erfolgt am 18. Januar 2024. Damit fällt die Premiere genau auf den Tag, an dem «The Palace» von Roman Polanski und mit Mickey Rourke, John Cleese und Danny Exnar in Deutschland in die Kinos kommt.