«Sweet Caroline, oh, oh, oh …», dröhnt es am Sonntagabend aus den Lautsprechern des «Joggeli». Auf den Rängen singen Tausende Fans mit, auf dem Rasen hüpfen und jubeln Englands Fussballerinnen, soeben zum zweiten Mal in Folge Europameisterinnen geworden. ...
«Sweet Caroline, oh, oh, oh …», dröhnt es am Sonntagabend aus den Lautsprechern des «Joggeli». Auf den Rängen singen Tausende Fans mit, auf dem Rasen hüpfen und jubeln Englands Fussballerinnen, soeben zum zweiten Mal in Folge Europameisterinnen geworden. Und ich stehe nahe der Eckfahne – noch immer ungläubig staunend. Müde, aber glücklich.
35 Tage am Stück war ich als Reporterin unterwegs durchs EM-Land Schweiz, habe Dutzende Interviews geführt, Stadien und Fanzonen besucht. Und fragte mich immer wieder: «Was passiert hier gerade?» Als Journalistin hatte ich Länderspiele des Frauen-Nationalteams erst unlängst vor ein paar Hundert Zuschauenden auf Nebenplätzen erlebt. Nun stand ich am 2. Juli kurz vor dem Anpfiff zur Heim-EM im flirrenden, ausverkauften St. Jakob-Park im Mittelkreis, neben mir Lara Dickenmann. Die Spielerin, die ich so viele Jahre begleiten durfte als Reporterin. Nie hatte ich sie so ergriffen erlebt wie jetzt. Schlicht überwältigt, wischte sie Tränen weg. «Basel war magisch», schrieb sie später auf Instagram. Auch Verteidigerin Nadine Riesen hat nach dem Eröffnungsspiel gegen Norwegen feuchte Augen, allerdings wegen der knappen Niederlage. So viele Emotionen aufs Mal.
Dass die Stadien ausverkauft sein würden, davon war ich im Vorfeld überzeugt. Mit einer so grossen rot-weissen Euphoriewelle hätte ich aber nicht gerechnet. Das Nationalteam begeisterte mit leidenschaftlichen Auftritten. Sogar die Weltmeisterinnen aus Spanien standen zuletzt im Berner Wankdorf aus Respekt Spalier. Ein Gänsehautmoment. Kurz danach tritt die zweifache Weltfussballerin Aitana Bonmatí vor unser SRF-Mikrofon und schwärmt von der Schweiz, dem Turnier und den Gegnerinnen. Eine der Grössten ihres Fachs erweist sich im Gespräch als ganz normaler Mensch. Freundlich, geduldig und äusserst demütig.
Zehn Tage später kommt es am Finaltag zum Wiedersehen in Basel, allerdings muss Bonmatí diesmal als Verliererin Auskunft geben. Als einzige Spanierin streckt sie die Silbermedaille in die Kameras – mit traurigem Blick zwar, dennoch stolz auf das Erreichte. Und zeigt erneut Grösse und Demut, während immer noch «Sweet Caroline» erschallt: «Hands, touchin’ hands, reachin’ out, touching me, touchin’ you … Sweet Caroline, oh, oh, oh …» Genau das war dieser EM-Monat: «touchin’». So berührend, dass ich zuweilen froh war, die Tränen anderen überlassen zu können. Um nicht selbst zu weinen aus lauter Demut und Dankbarkeit, diesen historischen Monat miterleben zu dürfen.
Seraina Degen
Seraina Degen (38) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.