Tödliches Sissach

  06.11.2025 Sissach

Das ist Sissach (44. Teil) | Vor der jüngsten Jahrtausendwende war es kriminell

Heile Welt im Bezirkshauptort? Vielleicht, vielleicht nicht. Allerdings gab und gibt es immer auch wieder Schauerliches und Mörderisches, das hier passiert. Ein Blick in dunkle Kapitel der Geschichte.

Angelika Van der Wolk

Sissach liegt malerisch eingebettet zwischen der imposanten Sissacher Fluh und dem schönen Schloss Ebenrain. Idyllisch und freundlich kommt es daher, als könnte es kein Wässerchen trüben. Doch sollte man sich davon nicht zu sehr blenden lassen. Denn neben den vielen positiven Aspekten, die Sissach ausmachen, verbergen sich hinter dem attraktiven Äusseren auch Schatten, die von Tod, Verbrechen und Gewalt erzählen. In diesem Beitrag zum Jubiläumsjahr soll nun diese Seite von Sissach beleuchtet werden.

Das Schloss Ebenrain mit seinen stilvollen Räumlichkeiten, der gepflegten Parkanlage und dem beschaulichen Entenweiher ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Die Vergangenheit zeigt jedoch auch ein anderes Bild. So nahm sich der zweite Besitzer 1824 das Leben. Es drohte ihm ein Prozess wegen Bigamie, was ihn in grosse seelische Bedrängnis brachte, der er nicht gewachsen war.

Gehen wir in der Zeit weiter zurück, befand sich nicht weit entfernt vom «Schloss», in westlicher Richtung, ein Ort des Schreckens und Grauens: Es ist der sogenannte «Glünggisbüchel», eine der fünf Hochgerichte und Richtstätten der Landgrafschaft «Sisgau», wo das Gericht tagte und die Übeltäter der Umgebung gehängt wurden. Die letzte Hinrichtung in Sissach fand 1712 statt: Es handelte sich um eine Kindsmörderin aus Diegten.

Im Lauf der Zeit zerfiel die Hinrichtungsstätte und musste baulichen Veränderungen weichen. Von den vier Linden, die einst den Galgenhügel in Sissach markierten, ist seit dem Autobahnbau noch eine stehen geblieben.

Im Wald unterhalb des Bischofsteins ereignete sich im Jahr 1875 ein grausiger Mord. Ein junger Mann ist vom Geliebten der Mutter auf heimtückische Art erschlagen worden. Nach anfänglichem Leugnen gab der aus Böckten stammende Täter die Tat zu und führte die Gerichtsbehörden an den Ort, wo er die Leiche unter einem Mehlbaum verscharrt hatte.

Auch die Geliebte des Mörders, ebenfalls aus Böckten, wurde, nachdem sie es lange abgestritten hatte, wegen Mittäterschaft in Untersuchungshaft gesetzt. Beide, Wittlin und Mohler, wurden nach einer langen Verhandlung von den Richtern in Liestal zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt.

Streit und Eifersucht als Motive
Die Zeit solcher Hinrichtungen ist bei uns zwar vorbei, die Gewalttaten gegen andere sind jedoch geblieben. Spezifische Daten zu Gewaltverbrechen in Sissach sind – trotz ausgiebiger Recherche – nicht verfügbar, da sie polizeilich nicht archiviert werden. Es ist daher ziemlich schwierig, an die entsprechenden Daten heranzukommen. Eine der wenigen verlässlichen Quellen sind die regionalen Medien wie die «Volksstimme», die über einige aufsehenerregende Fälle der jüngeren Vergangenheit ausführlich berichtet haben.

Für Schlagzeilen sorgte im Dezember 1975 ein Mord in der Kirchgasse: Ein mehrfach vorbestrafter Hilfspfleger tötete dort eine Frau. Der Täter war erst kurz zuvor aus der Strafanstalt Thorberg entlassen worden und lebte seither in Liestal. Auf der Suche nach Geld brach er in Sissach in ein Haus in der Kirchgasse ein, wo er im ersten Stock auf die Bewohnerin traf und sie mit brutaler Gewalt niederschlug. Er kehrte in verschiedenen «Beizen» ein und fuhr anschliessend wieder nach Hause zum Schlafen. Am nächsten Morgen konnte er – auch unter Mithilfe der Bevölkerung – festgenommen werden. Für diese Tat verurteilte ihn das Gericht zu 20 Jahren Zuchthaus.

Am 13. Januar 1980 hat ein in Sissach wohnhafter junger Mann aus Eifersucht seine Freundin in Liestal mit drei Schüssen getötet. Sie war nach einem Skiwochenende mit Kollegen am Sonntagabend in ihre Wohnung zurückgekehrt. Der Täter wuchtete ihre Tür mit Gewalt auf und schoss unmittelbar auf den Kopf seiner Freundin. Danach wollte er sich selbst erschiessen. Schwer verletzt gab er einen letzten Schuss ab, der nochmals das Opfer traf.

Eine Bluttat an einer 18-jährigen Frau schockierte im April 1981 die Familie und bewegte ganz Sissach und die umliegende Region. Die Tat wurde durch einen unter Vormundschaft stehenden 17-jährigen Mann verübt. Mit einem Küchenmesser und Tritten traktierte er die junge Frau, die sich gegen seine Übergriffe gewehrt hatte. Er flüchtete, indem er sich mit einem Storen-Gurt von seinem Balkon abseilte. Sein im gleichen Haus wohnender Kollege beobachtete dies und verständigte den Amtsvormund und dieser die Polizei. Der Täter wurde mit Prellungen ins Spital gebracht und anschliessend in Untersuchungshaft genommen. Die junge Frau starb an den schweren Verletzungen.

Im Dezember desselben Jahres kam es zu einem tödlich endenden Eifersuchtsdrama in einem wichtigen Sissacher Traditionsunternehmen, bei dem ein Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz zunächst einen Kollegen attackierte, der jedoch fliehen konnte. Anschliessend schlug der Mann mit einem Gusseisen seine Ehefrau nieder, die ebenfalls dort arbeitete. Danach griff er einen weiteren Arbeitskollegen an, der entkommen konnte. Seine Frau erlitt schwerste Schädelverletzungen und verstarb. Sie hinterliess drei Kinder. Bereits drei Monate zuvor hatte der Täter einen Mitarbeiter mit einem Werkzeug am Kopf verletzt und zwei Jahre zuvor ein Familienmitglied mit dem Messer angegriffen.

Ein Spielabend eskaliert
Am Sonntag, dem 17. Januar 1993, zechten drei Männer zusammen in einer Privatwohnung in Sissach. Im Verlauf des Abends kam es zwischen zweien von ihnen zu verbalen Auseinandersetzungen und mutmasslichen Handgreiflichkeiten. Einer der Männer griff nach seinem unter der Jacke versteckten Revolver und schoss auf sein Gegenüber, das dadurch tödlich verletzt wurde. Der Schütze meldete den Vorfall sofort der Polizei und rechtfertigte sich mit einer angeblichen Notwehrhandlung. Der dritte Anwesende bestätigte diese Angabe jedoch nicht. In der Wohnung des Tatverdächtigen wurde eine Vielzahl von Waffen gefunden. Zudem war der Mann offenbar bereits zuvor im Zusammenhang mit Waffen rechtlich auffällig geworden. Obwohl der genaue Tathergang nicht zweifelsfrei rekonstruiert werden konnte, bezog sich das Gericht auf eine erste Aussage des Angeklagten unmittelbar nach der Tat, wonach er den Widerspruch des stark Betrunkenen nicht habe tolerieren wollen und deshalb schoss. Das Urteil lautete auf vorsätzliche Tötung und neun Jahre Gefängnis. Der Täter musste sich während der Haftzeit einer psychiatrischen Therapie unterziehen.

Eine Gruppe von Männern wurde im Januar 1996 auf offener Strasse unter Waffendrohung von der Polizei aus einem Auto geholt und nach Waffen untersucht. Hintergrund der Polizeiaktion war ein Tötungsdelikt, das sich kurz zuvor im luzernischen Dagmersellen ereignet hatte. Die Alarmfahndung nach zwei Fahrzeugen war in Sissach erfolgreich. Eines der Autos konnte angehalten werden. Die Insassen wurden der Kantonspolizei Luzern übergeben.

Bis 2023 blieb es ruhig
Die vorläufig jüngste Bluttat in Sissach sorgte für grosses Aufsehen: der sogenannte «Postgasse-Mord» vom 31. Januar 2023. In einer Wohnung in der Postgasse kam es zu einem Tötungsdelikt, bei dem ein Mann mit einer Stichwaffe niedergestochen wurde. Wenige Stunden nach der Tat konnte der Tatverdächtige festgenommen werden. Die Ermittlungen ergaben offenbar einen Zusammenhang mit Drogengeschäften. Wegen eines Streits stach der Täter mehrfach hinterrücks mit einem Klappmesser auf seinen Bekannten ein.

Während der Staatsanwalt auf Mord plädierte, bescheinigte ein Gutachter dem Beschuldigten eine schwere, chronische Schizophrenie sowie Anzeichen einer Drogenabhängigkeit. Das Gericht sprach den Täter daraufhin wegen Schuldunfähigkeit vom Mordvorwurf frei und ordnete statt einer Gefängnisstrafe eine psychiatrische Behandlung in einer entsprechenden Einrichtung an. Dieses Urteil sorgte für viel Unverständnis bei der Bevölkerung.

Die aufgeführten Fälle fokussieren sich insbesondere auf öffentlich bekannte Taten, deren Details zugänglich sind. Auf die Nennung von Namen wurde trotzdem konsequent verzichtet.

Abseits dieser mörderischen Ereignisse beschäftigte sich die Polizei in der Vergangenheit mit anderen Todesfällen, die nicht weniger einschneidend und tragisch sind, aber kaum an die Öffentlichkeit gelangten. Gerade mit tödlichen Unfällen oder auch Selbsttötungen sehen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei öfters konfrontiert als mit schweren Gewaltverbrechen. Auch sie sind Teil des «tödlichen Sissach» und sollen nicht vergessen werden.


Quellen:

Marcus Wiedmer «Von Psalmen singenden Gemeinderäten …»

Baselbieter Heimatbuch 25 «Recht und Unrecht im Kanton Basel-Landschaft»

Walter Schaub «Die Flurnamen von Sissach»

Archiv der «Volksstimme», Sissach


Die nächsten Jubiläumsanlässe

Laufend: Bilderausstellung: Alte Gemälde und Zeichnungen hängen aktuellen Bildern von Ernst Rudin gegenüber. Die Ausstellung kann zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus besichtigt werden. Kunstprojekt «Sichtwechsel»: Mit dem Fernrohr hinauf zur Sissacher Fluh schauen. Das Fernrohr steht auf dem Friedhof. Waldpfad der Bürgergemeinde; ab Haltestelle «Voregg». Ausstellung: «Die Sissacherin Ursula Graf und ihre Seidenstrassen», «China-House».


www.sissach2025.ch


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