Stunden im Lesesaal und harte Diskussionen
24.12.2024 SchweizZur Aufarbeitung des Niedergangs der Grossbank Credit Suisse wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt – erst zum fünften Mal in der Geschichte der Schweiz. Daniela Schneeberger und Maya Graf geben Einblick in die Arbeit.
Janis Erne
...Zur Aufarbeitung des Niedergangs der Grossbank Credit Suisse wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommission eingesetzt – erst zum fünften Mal in der Geschichte der Schweiz. Daniela Schneeberger und Maya Graf geben Einblick in die Arbeit.
Janis Erne
Er war mit Spannung erwartet worden: der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Kollaps der Credit Suisse (CS). Die Grossbank geriet im Herbst 2022 in Zahlungsschwierigkeiten und musste im darauffolgenden März mit Unterstützung des Bundes mit der UBS notfusioniert werden, um eine weltweite Finanzkrise zu verhindern.
Die PUK, deren Bericht am Freitag vorgestellt wurde, kommt nun zum Schluss, dass jahrelanges Missmanagement bei der CS für den Niedergang der damals zweitgrössten Schweizer Bank verantwortlich war. Zwar hätten auch die Bundesbehörden Fehler gemacht, insbesondere bei der Bankenregulierung, der Aufsicht und der Kommunikation untereinander. Die Fehler seien aber «nicht kausal», also nicht ursächlich, für das Ende der CS gewesen.
30 000 Seiten Dokumente
Erst zum fünften Mal in der Geschichte des 1848 gegründeten Bundesstaats wurde eine PUK, das schärfste Instrument des Parlaments, eingesetzt. 1964 wurde die Beschaffung französischer Kampfflugzeuge untersucht, 1989/90 die Affäre um den Ehemann von Bundesrätin Elisabeth Kopp (FDP), 1990 die «Geheimarmee» P-26, 1995/96 die Probleme der Pensionskasse des Bundes. Und nun die CS.
Mitgewirkt in der ersten PUK seit fast 30 Jahren haben zwei Oberbaselbieterinnen: Ständerätin Maya Graf (Grüne) und Nationalrätin Daniela Schneeberger (FDP). Die beiden Politikerinnen waren Teil eines 14-köpfigen Gremiums, das während anderthalb Jahren 62 Personen angehört und rund 30 000 Seiten Dokumente ausgewertet hat. Herausgekommen ist ein 569 Seiten dicker Bericht.
«Es war eine intensive, aber auch interessante Zeit», sagt Daniela Schneeberger. Die Thürnerin berichtet von wöchentlichen Sitzungen und viel Aktenstudium. «Am Schluss tagten wir sogar während der Session, um unser Ziel, den Bericht bis Ende Jahr veröffentlichen zu können, zu erreichen», so die Vizepräsidentin der FDP-Fraktion im Bundeshaus.
Für Schneeberger war schnell klar, dass sie in der PUK mitarbeiten möchte, nachdem die Wahl innerhalb der Fraktion auf sie, Andrea Caroni (Ständerat, Appenzell Ausserrhoden) und Matthias Michel (Ständerat, Zug) gefallen war. «Die CS-Krise war ein historisches Ereignis von grosser Bedeutung», begründet Schneeberger ihren Entscheid. Die 57-Jährige war aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds prädestiniert für die Untersuchung. Die Treuhänderin kennt sich in Finanz- und Rechnungswesen sowie Fragen der Wirtschaftsprüfung aus.
Den Ausschlag für Maya Graf gab ihre Erfahrung. Die Sissacherin weiss, wie parlamentarische Untersuchungen ablaufen. Nicht umsonst ist sie seit über zehn Jahren Mitglied der Geschäftsprüfungskommission (GPK) – zuerst der nationalrätlichen, dann der ständerätlichen. Sie hat die Kommission auch schon präsidiert. Kommt hinzu: Als Mitglied der Geschäftsprüfungsdelegation (ein Organ der GPK) untersuchte Graf beispielsweise die Krypto-Affäre oder den Fall eines Schweizer Steuerspions in Deutschland. «Ich weiss, was es heisst, mit geheimen Dokumenten umzugehen und Befragungen durchzuführen», sagt die Politikerin.
Sowohl Graf als auch Schneeberger betonen, dass Vertrauen in einer Untersuchungskommission das Wichtigste sei. Nur so könne ehrlich diskutiert und sorgfältig gearbeitet werden. Die Mitglieder der PUK durften die meisten Dokumente nicht nach Hause nehmen und nur vor Ort in Bern einsehen, da die Dokumente als geheim eingestuft sind. Die PUK-Mitglieder verbrachten deshalb zig Stunden im Lesesaal. Zudem durften sie mit niemandem über ihre Arbeit sprechen.
Die Ausdauer hat sich gelohnt
Mit dem Schlussbericht und den darin enthaltenen Empfehlungen an die Bundesbehörden sind Graf und Schneeberger zufrieden. Bei der Erarbeitung des Berichts habe es harte Diskussionen gegeben, sagt Schneeberger. Am Ende sei man aber zu einem einstimmigen Ergebnis gekommen. Alle Kommissionsmitglieder zeigten sich mit dem Schlussbericht einverstanden. Als nächstes kann der Bundesrat dazu Stellung nehmen, und in der Frühjahrssession wird das Parlament über die Empfehlungen beraten.
Die beiden Oberbaselbieterinnen blicken auf eine lehrreiche und spannende Zeit zurück. «Ich habe erwartet, dass es eine komplexe Untersuchung wird, aber die Dimensionen waren auch für mich neu», sagt Maya Graf, die seit 23 Jahren Parlamentarierin in Bern ist. Es sei noch nie eine solche Breite an Bundesstellen untersucht worden, was deren Geschäftsführung und Zusammenarbeit betrifft, stimmt ihr Daniela Schneeberger zu.
Im Fokus standen der Bundesrat, das Finanzdepartement, die Finanzmarktaufsicht, die Revisionsaufsichtsbehörde, die Schweizerische Nationalbank und andere. «Es war der richtige Entscheid, dass eine PUK eingesetzt wurde», bilanziert Schneeberger.