Bauarbeiter finden im Bölchengebiet eine Zeitkapsel aus dem Jahr 1916. Es handelt sich um eine Weinflasche, worin sich eine Zeitung aus jener Zeit sowie ein handschriftlicher Zettel befindet.
Thomas Gubler
Der Baggerführer der Baufirma Tozzo, Radisa ...
Bauarbeiter finden im Bölchengebiet eine Zeitkapsel aus dem Jahr 1916. Es handelt sich um eine Weinflasche, worin sich eine Zeitung aus jener Zeit sowie ein handschriftlicher Zettel befindet.
Thomas Gubler
Der Baggerführer der Baufirma Tozzo, Radisa Dobrosavlievic, der zurzeit mit Hangsicherungsarbeiten zwischen Oberbölchen und «Chilchzimmersattel», direkt am Erinnerungspfad Erster Weltkrieg, beschäftigt ist, dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Da stösst er beim Baggern auf einen seltsamen Gegenstand, der in eine Stützmauer eingemauert ist. Und dieser erweist sich nach sorgfältigem Freilegen als Weinflasche mit Inhalt.
Allerdings ist der Inhalt der Flasche nicht etwa flüssig, sondern er besteht aus einem handschriftlichen Dokument und einer Ausgabe der Zeitung «Oberaargauer» vom 29. Juli 1916. Es handelt sich also um eine Art «Flaschenpost» oder Zeitkapsel. Ein Zeugnis aus der Zeit mitten im Ersten Weltkrieg, als die Soldaten «unter harten Bedingungen an der Verteidigungslinie der Fortifikation Hauenstein arbeiteten», wie es in der Mitteilung des Vereins Fortifikation Hauenstein heisst. Christian Rieder, Kommunikationsbeauftragter des Vereins, ist fasziniert vom Fund, zumal das Dokument und die Zeitung ausserordentlich gut erhalten seien.
Die Bölchen-Nordstrasse, an deren Stützmauer die Zeitdokumente in drei Metern Tiefe entdeckt wurden, spielte laut dem Verein eine zentrale Rolle in der Versorgung der Fortifikation Hauenstein, die zentraler Eckpfeiler im Verteidigungsdispositiv der Schweiz im Ersten Weltkrieg war. Erstellt wurde sie von Soldaten in kräftezehrender Handarbeit.
Striktes Alkoholverbot
Was aber wollte uns der Urheber der Zeitkapsel, ein Wachtmeister Herrmann, der damals Bauaufseher war, mit seinem Dokument mitteilen? Er schreibt auf Briefpapier einer Soldatenstube im handschriftlich verfassten Dokument von harter Arbeit und vom strikten Alkoholinterdikt für die Truppe. Wörtlich: «Diese Mauer wurde erstellt im Kriegsjahr 1916 vom 4ten IComp Batl 139. In diesen Augusttagen müssen alle Mannen schwitzen. Keiner darf sich drücken und am Schatten sitzen. Aller Alkoholverbrauch ist strenge untersagt. Und Diess zu übertreten, hat keiner je gewagt. Der Bauaufseher, Wachtm Herrmann». Das Alkoholverbot war offenbar von zentraler Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter diesen zweifellos harten Bedingungen.
Aber offenbar war der Alkoholismus damals auch ein grösseres Problem – sowohl im zivilen Leben wie auch in der Armee. Als besondere Herausforderung erwies sich dabei die Bekämpfung des Konsums von «Härdöpfeler». Die Trunksucht bei Wehrmännern im Ersten Weltkrieg, so der Verein Fortifikation Hauenstein in seiner Mitteilung, lasse sich auch gut mit den Aktivitäten des sogenannten Detachement Walten aufzeigen, das abgelegen auf dem Gebiet der Fortifikation beim «Walten» stationiert war. In dieser Einrichtung – heute bekannt als Dietisberg Wohnen & Werken – landeten zum Entzug und zur Rehabilitation Wehrmänner, «die aufgrund von Alkoholmissbrauch disziplinarisch auffällig geworden waren».
Weitere Recherchen
«Das Dokument ist ein kleines Artefakt, ein Stück Sozialgeschichte», sagt Christian Rieder. Der Fund wird deshalb in den kommenden Tagen unter anderem dem Historischen Museum Olten, das die grösste Sammlung zur Fortifikation Hauenstein besitzt, zur Begutachtung vorgelegt. «Wir hoffen, durch weitere Recherchen mehr über Wachtmeister Herrmann und seine Nachfahren zu erfahren», sagt der Historiker und Co-Kurator des Erinnerungspfads in der Fortifikation Hauenstein, Christoph Rast.