Sissach macht Schlagzeilen
11.07.2025 SissachDas ist Sissach (27. Teil) | Eine Presseschau bis über die Landesgrenzen
«Tschudy-Villa», «Bauschutt-Grüsel», Sarah Regez: Die Oberbaselbieter Zentrumsgemeinde schafft es immer wieder ins Programm der regionalen, aber auch nationalen Medien. ...
Das ist Sissach (27. Teil) | Eine Presseschau bis über die Landesgrenzen
«Tschudy-Villa», «Bauschutt-Grüsel», Sarah Regez: Die Oberbaselbieter Zentrumsgemeinde schafft es immer wieder ins Programm der regionalen, aber auch nationalen Medien. Die «Metzgede» gab sogar international zu reden.
Jan Amsler
Gäbe es eine Statistik für die Anzahl Schlagzeilen pro Einwohnerin und Einwohner, wäre Sissach wohl weit vorne zu finden. Die Oberbaselbieter Zentrumsgemeinde zählt knapp 7000 Menschen. Als die Ortschaft vor 800 Jahren gegründet wurde, waren Zeitungen und Fernsehen noch nicht erfunden. Doch seit Informationsmedien bestehen, taucht das Dorf regelmässig darin auf – und schaffte es sogar schon in die internationale Presse.
In den jüngsten Berichten geht es um die «Tschudy-Villa». Das Kantonsgericht hat den Fall des einst stolzen, nun aber halb abgerissenen Gebäudes zurück an die Baselbieter Regierung geschickt. Diese muss nun noch einmal prüfen, ob das Haus schützenswert ist – und wieder aufgebaut werden soll.
Die Villa ist nicht der erste Sissacher Bau, der landesweit bekannt geworden ist. «Wer hat geschlampt?», fragt der «Blick» in fetten Buchstaben am 20. November 2012. Knapp einen Monat zuvor musste die Kunsteisbahn geschlossen werden, weil das marode Dach einzustürzen drohte. Zunächst ging man von wenigen Wochen aus, doch am Ende dauerte es zwei Jahre, bis auf der Sissacher «Kunsti» wieder Schlittschuh gefahren und Eishockey gespielt werden konnte. Die Rechtsstreitigkeiten sollten noch länger dauern, und eine klare Antwort auf die Frage des «Blick» gibt es bis heute nicht.
Ein riesiger Krater
Einen «Super-Gau» erleben die Sissacherinnen und Sissacher laut der «Basler Zeitung» beim Chienberg-Tunnel. Der Umfahrungstunnel stürzt während des Baus im Februar 2002 teilweise ein. Am Hang beim Dorfausgang in Richtung Fluh entsteht ein Krater von 30 Metern Durchmesser. Die «Sehenswürdigkeit» lockt viele Schaulustige ins Oberbaselbiet.
Um Bauen im weiteren Sinne geht es in einer Sommer-Geschichte im Jahr 2017. «Bauschutt-Sauerei in Sissach BL – Glögglifrosch in Gefahr», titelt der «Blick». Ein früherer Einwohner, der zum Tatzeitpunkt in Brislach zu Hause ist, kippt fast 5 Kubikmeter Abfall in das Biotop Cholholz, wo Glögglifrosch, Molche, Libellen und Co. leben.
Aufklärung oder Spektakel?
Im selben Jahr schaffen es weitere Tiere in die nationale Presse. Die noble «NZZ» fragt im Oktober: «Ein Baselbieter Metzger will am Samstag mitten im Dorf zwei Säue schlachten: Ist das Aufklärung oder blosses Spektakel? Es herrschen Aufruhr und Irritation weit über das Dorf Sissach hinaus.» Für zusätzliche Diskussionen – und Spott – sorgt auch ein damaliger Pfarrer, der gegen die Metzgete mobil macht und sich im Strichcode selbst geisselt.
Selbst die Deutsche Presse-Agentur berichtet über die öffentliche Metzgete: «Einige Dutzend Zuschauer waren am Samstag dabei, als zwei Schweine getötet, gereinigt und auseinandergenommen wurden. Die Tiere, darauf legten die Veranstalter Wert, stammten aus einem Biohof in Sissach.»
Queen Maya
Am 25. November 2012 enthüllt der «Sonntagsblick»: «Geheim! Parlamentarier üben für Queen Maya». Tags darauf wird die Sissacher Langzeit-Politikerin Maya Graf als erste Grüne überhaupt zur Nationalratspräsidentin gewählt. Nochmals zwei Tage später feiert das Dorf die höchste Schweizerin mit einem Fest. Erstmals tritt die Bundeshaus-Band auf, gegründet vom Freisinnigen Andrea Caroni. Gespielt wird «We are the Champions» von «Queen» – «Weil Maya nun unsere Queen wird!», lässt sich Caroni im «Sonntagsblick» zitieren.
Auch eine andere Sissacher Grüne sorgt überregional für Schlagzeilen: Laura Grazioli. Sie tritt während der Corona-Pandemie als Massnahmen- und Impfkritikerin in Erscheinung und setzt sich ausserdem für die sogenannte Souveränitäts-Initiative um den umstrittenen Nicolas Rimoldi ein. Dies führt letztlich dazu, dass die Parteimitglieder sie nicht für den Nationalrat kandidieren lassen. Zuvor gilt sie noch als Hoffnungsträgerin und wird gar als potenzielle Regierungsrätin gehandelt, sollte Isaac Reber – ebenfalls Sissacher – eines Tages doch noch zurücktreten. Im Oktober 2023 verlässt Grazioli Landrat und Partei.
Immer wieder für Schlagzeilen sorgt SVP-Politikerin Sarah Regez – zuletzt wegen ihrer Hochzeit mit Nils Fiechter, dem Präsidenten der Jungen SVP. «Entsteht hier eine Polit-Dynastie?», fragt die «Weltwoche».
Regez nimmt aber auch an einem Geheimtreffen teil, an dem der Rechtsextreme Martin Sellner auftritt. In Sissach ist sie an einer «Mahnwache» von Impfgegnern beteiligt. Man unterstützt eine Mutter, die ihre Kinder trotz Kesb-Verfügung nicht geimpft hat.
Regez erzielt bei den Nationalratswahlen 2023 ein sehr gutes Resultat und ist erste Nachrückende. Doch in ihrem Dorf kommt sie nicht gut an: Sie verpasst im März 2024 die Wahl in die Sissacher Gemeindekommission – obwohl nur 17 Personen für die 15 Sitze kandidiert haben.
Wegen Regez organisieren die Baselbieter Juso im April 2024 eine Demonstration gegen Rechtsextremismus. Seither prangt auf dem Nebiker-Turm eine «Fuck SVP»-Schmiererei.
Russland-Reise mit Folgen
Mundart-Dichterin Helene Bossert war ebenfalls politisch in Verruf geraten. Jahrzehnte nach ihrem Tod sorgt sie immer noch für Diskussionen. Der Sissacher Journalist Alan Cassidy erzählt im Oktober 2021 im «Tages-Anzeiger», wie Bossert «zur Landesverräterin gemacht» wurde. Eine andere Position nimmt die «NZZ» ein. Sie schreibt am 12. April 2022 im Feuilleton über zwei Seiten, wie sich die Sissacherin und die Schweizer Frauenvereinigung für Frieden und Fortschritt bei ihrer Russland-Reise im Jahr 1953 eben doch für sowjetische Propaganda missbrauchen liessen. Die Debatte gewinnt wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine und Diskussionen um sogenannte Russland-Versteher zusätzlich an Brisanz.
Nicht zuletzt sorgt das Sissacher Jubiläumsjahr selbst für Schlagzeilen. Ein Historiker-Duo zerstreitet sich kurz vor dem Jahreswechsel mit dem Gemeinderat, sodass der geplante historische Themenweg zu scheitern droht. Doch nun will Gemeinderat Robert Bösiger das Projekt auf eigene Faust umsetzen. Es zeichnet sich ein Happy End ab – wie so oft bei den Skandalen und Skandälchen in der 800-jährigen Gemeinde.
Jan Amsler ist Co-Chefredaktor und Mitinhaber von «OnlineReports.ch». Hier startete er 2014 als Praktikant seine journalistische Karriere. Von 2015 bis 2018 arbeitete er als Redaktor bei der «Volksstimme» und wechselte daraufhin zur «Basler Zeitung», wo er zuletzt das Team Politik leitete. Der 35-Jährige wohnt mit seiner Lebenspartnerin und seinem Sohn in Sissach, wo er auch aufgewachsen ist.
Die nächsten Jubiläumsanlässe
Seit 17. Januar: Die Kulturkommission Sissach bringt im Rahmen des Jubiläumsjahres «Sissach2025» Vergangenheit und Gegenwart in einen Dialog. Alte Gemälde und Zeichnungen hängen im Gemeindehaus aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70) gegenüber. Die Ausstellung kann zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus besichtigt werden.
Freitag, 1. August: Nationalfeiertag. Ab 15 Uhr musikalische Unterhaltung mit der Farnsburger Blasmusik, dem Männerchor Liederkranz und der Alphorngruppe Magden. 19 Uhr Festansprache von Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Ab 19.30 Uhr Abendunterhaltung mit «The Pelicans» und Ira May. Vor dem «Cheesmeyer».
Donnerstag, 14. bis Freitag, 29. August: «Hanny-Moolerei». Interaktives Projekt mit Musik, Malerei und Publikum mit Zeichnerin Heinke Torpus und Musikerin Deborah Regez. Zweiter von drei Teilen. 14. bis 17., 21. bis 24. sowie 28. und 29. August, 16 bis 19 Uhr. Freilicht-Atelier «Am Schluuch» zwischen Bahnhof Sissach und Kulturhaus Cheesmeyer.
Freitag, 15. August: Lesung aus «Der Landjäger». Der Sissacher Heiner Oberer liest Anekdoten und Geschichten aus dem Leben des ehemaligen Ortspolizisten Matthias Bitterlin, der in Sissach in den Jahren 1876 bis 1914 für Ruhe und Ordnung sorgte. 19 Uhr im Jakobshof.
Samstag, 16. August: «Kammermusik für Sissach». Hommage an Hanny Christen. Konzert Nummer 4. Im «Cheesmeyer», 19.30 Uhr. Eintritt frei. Unter der Leitung von Deborah Regez.
Samstag, 16. August: «Schlaflos in Sissach». Verschiedene Restaurants, Bars und Beizen (Linde, KiK, Stöpli, Six-Areal, Sonne, Löwen, Sternen, Lounge 11, Club 55, Lindberg Pub, Oliver Twist Pub, Sydebändel, Krone, Rubino) bieten spezielles Speisen und Programm.
Mittwoch, 20., bis Samstag, 23. August: Kino-Openair im Innenhof der Weinhandlung Buess. Beginn 20 Uhr. Abendkasse.