Sissach ist wirklich sagenhaft
16.01.2025 Sissach«Das ist Sissach» (3. Teil) | Gedanken zu gestern und heute
Der ehemalige Gemeindepräsident Ruedi Schaffner blickt auf die Geschichte von Sissach zurück und zeigt auf, warum Sissach sagenhaft ist und wie die Gemeinde sagenhaft bleiben kann.
...«Das ist Sissach» (3. Teil) | Gedanken zu gestern und heute
Der ehemalige Gemeindepräsident Ruedi Schaffner blickt auf die Geschichte von Sissach zurück und zeigt auf, warum Sissach sagenhaft ist und wie die Gemeinde sagenhaft bleiben kann.
Ruedi Schaffner
«Sagenhaftes Sissach». Das war die Titelvorgabe für diesen Artikel zum Jubiläum von Sissach. Was natürlich immer zuerst kommt, ist eine saubere Analyse des Auftrags. Geht es dem Auftraggeber um die Beschreibung der diversen Sagen, die in Sissach überliefert sind? Oder geht es mehr darum, Optiken aufzuzeigen, weshalb Sissach «sagenhaft» sein soll?
Schnell war mir klar, dass es wohl eher um den zweiten Teil der Annahme geht. Doch wie sehen die möglichen, verschiedenen Sichtweisen aus? Wir zelebrieren doch 2025 ganze 800 Jahre.
Damit dieses Bild repräsentativ wiedergegeben werden kann, bedarf es des Blicks in die verschiedenen Zeitabschnitte. Natürlich meist fiktiv und ohne Ähnlichkeit mit wirklichen lebenden oder auch nicht mehr lebenden Personen.
Ich habe für mich die folgenden Abschnitte und Untertitel ausgesucht: erste Erwähnung des Ortes, Hauptstadt der Revoluzzer und Aufschwung nach der Neugründung des Baselbiets, Gäste und ausgewanderte Sissacher sowie das aktuelle Zeitalter.
Erste Erwähnung von Sissach
Man schreibt das Jahr 1226, als die Abgesandten des Grafen Hermann von Froburg in der Gegend der Hülftenschanz zum Nachtlager ankommen. Sie sind mit einer freudigen Botschaft auf dem Heimweg, untermauert mit einer Urkunde. Der Bischof Heinrich von Basel hatte soeben einen Teil von «Sissaho» an die Froburger verschenkt – und damit gleich die erste urkundliche Erwähnung Sissachs sichergestellt.
In tiefer Nacht hat der Leiter des Trupps einen Traum: Er wirft einen Blick ganze 800 Jahre nach vorne. Nach der Rückkehr auf die Froburg übergibt er seinem Grafen nicht nur die Urkunde, sondern schildert auch seinen Traum wie folgt: «Die Menschen im Sissgau bewegen sich in 800 Jahren nicht mehr zu Pferd, sondern mit Fahrzeugen. Es ist ein grosser ideologischer Streit betreffend der ‹richtigen› Energie und des Klimas entbrannt. Jeder hatte gemäss Verfassung – so etwas wie eine weltliche Bibel – das Recht, dass der Staat für ihn sichert: Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf, die medizinische Versorgung sowie ein Recht auf Bildung. Und trotzdem sind viele Menschen unzufrieden.»
Graf Heinrich hört gespannt und mit grosser Ausdauer zu. Obwohl er dem «Träumer» nicht alles glauben mag, hält er zusammenfassend erfreut fest: «Sissach ist sagenhaft.»
Hauptstadt der Revoluzzer
Während der Trennungswirren zwischen Stadt und Land in den Jahren um 1830 galt Sissach als Hauptort der «Revoluzzer». Von hiesigen Bürgern wurde die Gründung des Kantons Basel-Landschaft im Jahr 1832 massgeblich mitgestaltet. Wie bei jeder Revolution waren auch damals die Mittel nicht die feinsten (siehe Marcus Wiedmer: «Als Aristokrat unter Revoluzzern»). Doch die Frauen standen damals den Männern in nichts nach. Bereits 1862 lancierte ein Komitee von Sissacher Frauen die erste Initiative zur Einführung des Frauenstimmrechts. Das Resultat und der Zeitrahmen sind hinlänglich bekannt.
Die Eröffnung der Eisenbahn brachte unserem Dorf 1858 den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung sowie Ansiedlung und Ausbau von Industrie und Gewerbe. Damit verbunden war stets ein grosses Angebot an Arbeitsplätzen für das ganze Oberbaselbiet – alles wichtige Grundsteine für das moderne, sagenhafte Sissach.
Gäste und Ausgewanderte
In den vergangenen Jahrzehnten, vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren, wanderten ein paar Sissacher, nennen wir sie Kurt und Hans, aus, zum Beispiel nach Sydney oder Vancouver. Wie bei den meisten galt auch für sie: «Heimat ist auch dort, wo die Erinnerungen sind.» Der Kontakt zur Heimat wurde hochgehalten, hat sich mit dem Älterwerden jedoch verständlicherweise reduziert. Ein Zitat aus einem Brief: «Das waren ein paar meiner Erinnerungen, im Herzen liegen immer noch Bruchstücke davon.»
Zurückgehend auf die Kontakte des hiesigen Hans Buser (auch «Ghana-Buser» genannt) kam es immer wieder zu guten politischen Kontakten auf Botschafterebene in Sissach. Es war unüblich, dass der Gemeindepräsident Gäste mit «I am very proud to welcome you to our village on behalf of the people and the Community Council of Sissach» begrüssen durfte. Meistens geschah dies auf der Flueh oder im Gemeindehaus. Gefolgt vom Kaffi in der Stube der Familie Buser.
Die Verdankung der Gäste umfasste meist: «Sissach is fabulous!»
Das aktuelle Zeitalter
Was ich bei Neuzuziehenden immer wieder auf die Frage hörte, wieso sie Sissach als neuen Wohnort ausgesucht haben, war zusammengefasst: «Sissach liegt verkehrsgünstig mit eigenem Autobahnanschluss und Schnellzug-Stopps. Die hohe Anzahl von Sonnentagen und die nahe, gut zu erreichende Natur mit Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss Ebenrain und der Flueh ermöglichen einen guten Freizeitausgleich.» Auch das Vorhandensein der Schulen und Sportanlagen wurde immer wieder als Grund genannt. Nie erwähnt wurde übrigens der Steuersatz.
Das grosszügige Angebot an Sportanlagen ermöglicht unseren Vereinen vielfältige Aktivitäten in Hallen, Sportanlagen, Räumen und selbst auf der Kunsteisbahn. Ein Engagement ist auch möglich an der Fasnacht mit allen ihren Angeboten – vom «Hutzgüri» bis hin zur «Chluuriverbrennig». Das kulturelle Angebot ist gross und beinhaltet auch ein Heimatmuseum sowie das schweizweit einmalige Henkermuseum. Also einmal mehr: «Sissach ist sagenhaft.» Doch es wäre einäugig oder gar blind, nicht auch an Johann Wolfgang von Goethes Zitat zu denken: «Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.»
Unser aktuelles Wohlergehen oder die fortschreitende Digitalisierung haben viele Gemeinsamkeiten zweitrangig werden lassen. Bisherige Solidaritäten werden durch Partikularinteressen abgelöst. Die Vereine – Bindeglieder zwischen Familie und Staat – haben leider einen grossen Teil ihrer Bedeutung verloren.
Wir haben es so unglaublich gut hier. Deshalb müssen wir auch etwas tun, um dies zu erhalten. Nur die Gemeinschaft hält die Gemeinde am Leben. Darum sind in Zukunft Freiwilligenarbeit und Engagement über den Tellerrand hinaus so wichtig. Das Leben auf die «Work-Life-Balance» zu reduzieren, bringt der Gesellschaft langfristig nichts. Im Gegenteil.
Schaffen wir dieses kleine Umdenken, wird wohl auch in ferner Zeit einmal geschrieben: «Sissach ist sagenhaft.»
In der Reihe «Das ist Sissach» verfassen zahlreiche Autorinnen und Autoren während des Jubiläumsjahrs «Sissach2025»
Beiträge über Sissach, die wir wöchentlich publizieren.
Zum Autor
vs. Ruedi Schaffner-Bussinger (72) ist ehemaliger Gemeindepräsident von Sissach und traditionsbewusster Oberbaselbieter. Als ausgebildeter Kaufmann war er bis zur Pensionierung in verschiedenen Branchen tätig. In seiner Freizeit stellte und stellt er sich mehreren Vereinen und Verbänden als Vorstandsmitglied zur Verfügung und wirkte an verschiedenen Grossanlässen in Sissach als OK-Präsident.
Die nächsten Jubiläumsanlässe
17. Januar: Vernissage der Bilderausstellung «Sissach gestern und heute» im Gemeindehaus Sissach (Kulturkommission).
26. Januar: «Mi Härz frohlockt» – Marienmesse für Appenzeller Streichmusik, Chor und drei Solostimmen (Kultur in Sissacher Kirchen).
8. Februar: 800 Jahre Chormusik mit dem Männerchor Liederkranz.