Sie müssen bei der Politik reklamieren
27.03.2025Fleischkonsum
Zum Leserbrief «Wir bezahlen doppelt» in der «Volksstimme» vom 13. März, Seite 8
Sehr geehrter Herr Schelker, ich verstehe Ihren Unmut über die hohen Fleischpreise, aber bei uns Produzenten sind Sie an der falschen Adresse. Wir ...
Fleischkonsum
Zum Leserbrief «Wir bezahlen doppelt» in der «Volksstimme» vom 13. März, Seite 8
Sehr geehrter Herr Schelker, ich verstehe Ihren Unmut über die hohen Fleischpreise, aber bei uns Produzenten sind Sie an der falschen Adresse. Wir Bauern produzieren für 4.50 Franken Schlachtgewicht 1 Kilogramm Schweinefleisch oder für 2.40 Franken 1 Kilogramm Pouletfleisch bei 70 Prozent Schlachtausbeute. Beim Rindfleisch ist das Produktions- und Preisverhältnis das Gleiche. Diese Produzentenpreise stehen im keinem Verhältnis zum Endpreis, den der Konsument im Laden bezahlt.
Sie müssen bei der Politik reklamieren, die uns Bauern und der gesamten nahrungsmittelverarbeitenden Industrie eine Flut von Vorschriften und vie le Auflagen auferlegt, die das Endprodukt verteuern. Die «Güllen-Politik», die Sie ansprechen, hat uns ebenfalls die Politik aufgezwungen. Für die Fleischproduktion erhalten wir Bauern keine Subventionen. Vermutlich meinen Sie das Direktzahlungssystem. Dies ist ebenfalls ein Relikt der Politik.
Wir Bauern mussten in den vegangenen 40 Jahren die Produktivitätssteigerung vollumfänglich an die Verarbeitungskette weitergeben. Kaufkraftbereinigt haben wir heute die tieferen Produzentenpreise als vor 40 Jahren. Dies ist der Hauptgrund, weshalb man das Direktzahlungssystem eingeführt hat. Das Schweizervolk hat dem damals unter dem Titel «Neuausrichtung der Agrarpolitik» zugestimmt.
Leider ist diese Form von Agrarpolitik ausgeartet: Denn je mehr Land man bewirtschaftet und desto weniger man produziert, desto mehr Geld bekommt man. Dies ist eine fatale Fehlentwicklung, die sich auch aus geopolitischer Sicht sehr bald rächen wird. Die Leidtragenden sind dann alle, vor allem der Konsument. Unsere Agrarpolitik fördert zusätzlich den Hunger in der Welt.
Sie können schon beim Nachbarn das Fleisch kaufen. In der EU bestimmt dann faktisch nur noch ein Produzent im Fleischbereich: die Thönies-Gruppe. Dagegen sind unsere Fleischverarbeiter Bell und Micarna «Kleinstbetriebe». Thönies holt seine Arbeitskräfte immer weiter im Osten. Ausbezahlte Nettolöhne betragen da um die 1000 Euro – wenn überhaupt. Die 22 Label-Fleischsorten von Thönies möchte ich nicht hinterfragen.
Sehr geehrter Herr Schelker, ich hoffe, ich habe Ihnen einen Einblick in diese komplexe Materie gegeben.
Sepp Oetiker, alt Landwirt, Zunzgen