Gemeindeversammlung sagt Ja zu höheren Steuern
Einwohnern blieb nur die Wahl zwischen höheren Steuern oder der Schliessung des Schwimmbads – oder wie es Präsidentin Andrea Sulzer ausdrückte: zwischen Pest und Cholera. Sie entschieden sich für die ...
Gemeindeversammlung sagt Ja zu höheren Steuern
Einwohnern blieb nur die Wahl zwischen höheren Steuern oder der Schliessung des Schwimmbads – oder wie es Präsidentin Andrea Sulzer ausdrückte: zwischen Pest und Cholera. Sie entschieden sich für die Steuererhöhung.
Elmar Gächter
Wenn 140 Stimmberechtigte wie in Waldenburg mit seinen rund 1200 Einwohnerinnen und Einwohnern einer Gemeindeversammlung eine fast rekordhohe Aufwartung machen, müssen die Traktanden besonders einladend sein. Einmal mehr ging es um die desolate Finanzlage des «Stedtli». Konnte der Souverän im März 2024 sich gegen eine Steuererhöhung wehren, war die Gemeinde am Montagabend vom Kanton vor die Wahl gestellt, den Steuerfuss um 2,5 Punkte auf 72 Prozent zu erhöhen oder das Schwimmbad zu schliessen.
Der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber («Mitte») liess es sich nicht nehmen, den Versammlungsteilnehmenden ins Gewissen zu reden. Mit einer klaren Mehrheit stimmten diese sowohl der Steuererhöhung als auch dem Budget 2025 zu, das einen Ertragsüberschuss von rund 70 000 Franken prognostiziert. Aufgrund fortgeschrittener Stunde wurde das Traktandum «Beitritt zum Trägerverein Naturpark Baselbiet» auf die nächste «Gmäini» verschoben.
«Eine private Firma müsste bei dieser Überschuldung Konkurs anmelden»: Mit diesen klaren Worten sprach Lauber den Bilanzfehlbetrag von rund 1,2 Millionen Franken an, der sich in der Gemeindekasse geäufnet hat. Es sei das Mindestziel, diesen Fehlbetrag nicht anwachsen zu lassen, noch besser, ihn möglichst schnell abzutragen. Werde dieser immer grösser, stelle er die Liquidität der Gemeinde infrage und damit die Finanzierung der Aufgaben. Das Gemeindegesetz verpflichte den Kanton, dafür zu sorgen, dass keine Gemeinde in ein Liquiditätsproblem laufe.
«Die Herausforderungen sind für Waldenburg gross und sie werden nicht kleiner. Wenn wir von einer Steuererhöhung von 2,5 Prozent sprechen, bringt dies jährlich rund 70 000 Franken. Um den Bilanzfehlbetrag von 1,2 Millionen Franken in vier bis fünf Jahren abzubauen, muss die Gemeinde Waldenburg jedes Jahr einen Reingewinn zwischen 200 000 und 300 000 Franken erwirtschaften», so Lauber.
Laut Anton Lauber sind die Handlungsspielräume klein. Steuern allein könnten das Problem nicht lösen, es brauche auch Spar- und Entlastungsmassnahmen. Der Gemeinderat zeigte in seinem Finanzplan auf, dass bei optimalem Verlauf der Bilanzfehlbetrag abgearbeitet werden könne. «Dies ist aus meiner Sicht machbar», hielt Lauber fest.
Zu jenen Einwohnern, die sich zu Wort meldeten, zählte Daniel Tschopp, Vizepräsident der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission (RGPK). Als vehementer Gegner von Steuererhöhungen stelle er nach genauer Analyse fest, dass Waldenburg nicht um eine Steuererhöhung herumkomme. Aber man müsse ehrlich sein und davon ausgehen, dass für den Abbau des Bilanzfehlbetrags in fünf bis sieben Jahren eine Erhöhung des Steuersatzes auf 80 Prozent nicht auszuschliessen sei.
Der Gemeinderat geht laut dem Finanzplan davon aus, dass der Bilanzfehlbetrag bis 2029 abgetragen werden kann. Dank der Finanzanalyse sei ein gute Basis für die Erarbeitung weiterer Verbesserungen geschaffen worden, Massnahmen daraus würden laufend umgesetzt.
Parkreglemente geben zu reden
Waldenburg zählt zu den Gemeinden, die noch kein Parkraumkonzept haben. Mit Reglementen für das Tagesparking und das nächtliche Dauerparkieren soll sich dies ändern. Es entwickelte sich eine lange Diskussion mit sechs Änderungsanträgen, von denen ein paar die Zustimmung des Souveräns fanden. So wird der Friedhofsparkplatz gebührenpflichtig, in Waldenburg tätige Handwerker können tagsüber gratis parkieren und das Reglement legt entgegen der Empfehlung des Gemeinderats nicht nur die maximale Höhe, sondern die jeweils gültigen Gebühren im Detail fest. Die entsprechend geänderten Reglemente wurden mit grosser Mehrheit genehmigt. Sie sollen Mitte Jahr in Kraft treten.
Wo in anderen Gemeinden der neue Konzessionsvertrag zum Elektrizitätsgesetz zwischen Gemeinde und der Elektra Baselland (EBL) kaum eine Diskussion wert war, entwickelte sich das Thema in Waldenburg zu einem kleinen Rencontre zwischen Mitgliedern der RGPK und dem Gemeinderat. Die RGPK-Mitglieder Hans Jörg Schäublin und Andrea Kaufmann warfen der Exekutive vor, die Vorlage «verschlafen» zu haben. In der Tat hätte der Vertrag bis Ende 2024 von der Gemeindeversammlung genehmigt werden müssen, damit die Gemeinde die erhöhte Konzessionsabgabe von knapp 30 000 Franken (bisher 3688 Franken) bereits 2025 und nicht erst ein Jahr später vereinnahmen kann.
Laut Gemeinderat Patrick Goetz konnte mit der EBL vereinbart werden, dass bei einer Genehmigung an der Gemeindeversammlung der Beitrag doch noch im laufenden Jahr ausbezahlt wird. Den Rückweisungsantrag von Schäublin, unter anderem, weil der Konzessionsvertrag bisher nicht einsehbar gewesen sei, lehnte die Versammlung deutlich ab. Hingegen fand sein Antrag, die Kompetenz für das Festlegen der jährlichen Konzessionsabgabe nicht dem Gemeinderat, sondern der Gemeindeversammlung zu übertragen, beim Souverän Gehör.
Gemeindepräsidentin Andrea Sulzer hielt nach der Versammlung gegenüber der «Volksstimme» fest, dass es ein grosses Privileg sei, auf eine aktive, interessierte Bevölkerung zählen zu können und meinte weiter: «Wir haben nun gemeinsam eine Wahl getroffen, die einerseits eine Herzenswahl ist für das Schwimmbad, andererseits eine Vernunftswahl für bessere Steuererträge. Die Diskussionskultur war vorbildlich und dies bestärkt den Gemeinderat, den eingeschlagenen Weg energisch weiterzuverfolgen. Wir haben mit dem Finanzplan und dem entstehenden Sanierungsplan gute Instrumente, um den Turnaround zu schaffen.»