«Schuld war nur der Bossa Nova …»
08.07.2025 OrmalingenTanznachmittag im Alters- und Pflegeheim
Elvis, Peter Kraus, Connie Francis – oder zumindest ihre Lieder – erklingen an diesem Nachmittag im Zentrum Ergolz. Und laden ein: zum Mitsingen, Mitwippen, vielleicht sogar zum Tanzen. Tanznachmittage sind überaus beliebt im ...
Tanznachmittag im Alters- und Pflegeheim
Elvis, Peter Kraus, Connie Francis – oder zumindest ihre Lieder – erklingen an diesem Nachmittag im Zentrum Ergolz. Und laden ein: zum Mitsingen, Mitwippen, vielleicht sogar zum Tanzen. Tanznachmittage sind überaus beliebt im «Zentrum Ergolz».
Brigitte Keller
Bei schönem Wetter könnte der Tanznachmittag im Garten stattfinden. Es ist schön an diesem Samstag Ende Juni; sogar zu schön – und vor allem zu heiss –, sodass man doch lieber drinnen im grossen Veranstaltungsraum mit Lüftung bleibt. Ab 14 Uhr treffen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ein, begleitet von Angehörigen oder Mitarbeitenden. Die Runde wächst und wächst, und beim offiziellen Beginn schauen mehr als 40 Personen erwartungsvoll in Richtung der beiden Interpreten. An diesem Nachmittag steht erstmals das Duo Rahel Baer und Mark Dean auf der Bühne. Auf dem Programm: englische Evergreens und deutsche Schlager aus den 1950er- und 1960er-Jahren.
«Geniesst es, schwingt das Tanzbein – aber macht zwischendurch auch mal eine Pause», ruft Anja Schütz in die Runde. Sie ist die künftige Leiterin der Aktivierung und folgt im Herbst auf Renate Meier, die in den Ruhestand geht.
Unter den Gästen sind Barbara und Roland Bitterli, die schon immer gerne getanzt haben. Roland Bitterli (71) lebt in einer der Demenzabteilungen und seine Frau Barbara (68) besucht ihn so oft sie kann – und begleitet ihn, zu Anlässen im Haus. «Wir haben immer viel getanzt. Roland hat früher auch selber Kornett im Musikverein gespielt», erklärt Barbara Bitterli. Sie hätten auch Reisen zu Musikanlässen gemacht, beispielsweise ins Südtirol. Die beiden gehören an diesem Nachmittag zu den ersten, die zu tanzen beginnen, als die Musik ertönt.
«Wir starten mit ‹Don’t be cruel› – vom Herrn mit der ähnlichen Frisur wie ich», witzelt Mark Dean – und schon singen er und Rahel Baer im Duett die bekannte Nummer von Elvis Presley. Ein paar stehen sogleich auf und beginnen zu tanzen oder sich im Rhythmus zu bewegen. Einige wippen mit den Füssen oder klatschen dazu. Ein paar bleiben zögerlich – eine Bewohnerin verlässt gar den Raum. Nicht jeder Musikgeschmack ist gleich.
Alte und neue Gewohnheiten
Nicht immer lassen sich Senioren von Beginn an fürs Tanzen begeistern. Die beiden Künstler am Mikrofon versuchen, zusammen mit Personen des Zentrums, so viele wie möglich zu animieren. Meist haben sie Erfolg damit und sie lassen sich auf ein Tänzchen ein, zum Beispiel zu «Schuld war nur der Bossa Nova» (1963) von Manuela.
Andere bleiben lieber sitzen und beobachten. «Ob jemand mitmacht, weiss man nie – und es ist auch völlig okay, nur zuzuschauen», sagt Anja Schütz später im Gespräch. «Aber wir versuchen es immer.» Denn manchmal verändert sich etwas – alte Vorlieben tauchen wieder auf, neue entstehen.
«Das Gefühl beim Tanzen ist belebend», fährt Schütz fort, «und kann auch eine vorbeugende Wirkung haben.» Ihr falle immer wieder auf, wie Seniorinnen und Senioren, die im Alltag nur noch ganz vorsichtige Schritte machten, aus Angst zu fallen, beim Tanzen wieder grössere, natürlichere Schritte wagten – ganz automatisch.
Der bekannte Neurologe Oliver Sacks schrieb: «Musik kann uns aus einer Depression befreien oder zu Tränen rühren – sie ist ein Heilmittel, ein Tonikum für das Ohr. Aber Musik kann noch mehr: Sie kann Zugang zu Bewegung, Sprache und Leben bieten, wo Medikamente dies nicht vermögen.» Dieses Zitat steht am Anfang der Beschreibung zu «Incanto – Das musikalische Betreuungskonzept für mehr Lebensqualität». Auch Anja Schütz ist von diesem Konzept überzeugt.
Dabei kommt die persönliche Musik-Playlist der Bewohnenden im Pflegealltag zum Einsatz. Gerade auch bei weit fortgeschrittener Demenz könne persönliche Musik hilfreich sein. «Musik spricht das emotionale Gedächtnis an und kann an Schönes erinnern, soziale Interaktion fördern oder beruhigen», erklärt Schütz.
An diesem heissen Samstag geht der Nachmittag langsam zu Ende. Es wurde weniger das Tanzbein geschwungen als sonst. Die Hitze forderte ihren Tribut. Peter Kern (84) hat der Nachmittag aber sehr gefallen, wie er sagt. Doch: «Die Knie schmerzen», weshalb er sich aufs Zuhören und Zuschauen beschränken musste.
«Es war interessant und die Leute haben gut mitgemacht – aber es war ein bisschen zu heiss», meint Olga Wagner-Lustenberger (91), die zu Beginn ein Tänzchen gewagt hatte. Als junge Frau sei sie oft «z’Tanz gange». «Wir hatten daheim eine Holztreppe, und ich wusste genau, welche Stufen knarren ...» – offenbar solche, die man beim späten Heimkommen besser vermied. Bevor es zurück aufs Zimmer geht, erzählt sie voller Freude noch ein paar weitere Anekdoten aus ihrer Jugend.