Schlachtviehmarkt sucht Kühe
01.02.2024 HölsteinDie Zahl an versteigerten Tieren ist tendenziell rückläufig
Der traditionelle Schlachtviehmarkt in Hölstein, der Einzige in der Nordwestschweiz, spürt den Rückgang von Milchkühen und die fehlende Zeit der Landwirte, an den Anlass zu fahren.
...Die Zahl an versteigerten Tieren ist tendenziell rückläufig
Der traditionelle Schlachtviehmarkt in Hölstein, der Einzige in der Nordwestschweiz, spürt den Rückgang von Milchkühen und die fehlende Zeit der Landwirte, an den Anlass zu fahren.
Elmar Gächter
Es ist noch dunkel und dennoch tut sich bereits einiges auf dem Areal der ehemaligen Grastrocknungsanlage in der «Bärenmatte» in Hölstein. Hier treffen sich einmal pro Monat Landwirte, um ihre Kühe, Rinder und Munis von Fachexperten einschätzen und versteigern zu lassen. Früh sind sie angereist, die Händler aus der ganzen Schweiz, um für ihre Viehtransporter einen optimalen Platz zu ergattern. Rund 50 Tiere werden an diesem kalten Januarmorgen von Landwirten vorwiegend aus dem Oberbaselbiet und aus wenigen ausserkantonalen Gemeinden zum Verkauf angeboten.
Die Organisation ist eingespielt, es geht ruhig zu; dazu tragen auch die Tiere als Hauptprotagonisten ihren Anteil bei. Für Händler wie auch für Tierhalter bietet der Markt eine gute Möglichkeit, um das Rindvieh neutral einzuschätzen und möglichst gut verund ersteigern zu lassen. Allerdings geht die Anzahl Tiere, die in Hölstein – dem einzigen öffentlichen Schlachtviehmarkt in der Region Nordwestschweiz – versteigert werden, tendenziell zurück. Dies hat seine Gründe.
Transportbeitrag von 80 Franken
Organisiert wird der Schlachtviehmarkt gemäss der kantonalen Verordnung über die Viehzucht und den Viehabsatz vom Ebenrain-Zentrum in Sissach. Als Teilzeitmitarbeiter ist Meisterlandwirt Ronny Schweizer aus Buus seit mehreren Jahren verantwortlich für die Planung und Durchführung des Anlasses in Hölstein. «Der Ebenrain setzt sich für die Förderung der Landwirtschaft in beiden Basel ein, und dazu gehört auch, Vermarktungsanlässe durchzuführen, um den Viehabsatz zu fördern», hält er fest. Der Kanton stellt einerseits die Infrastruktur samt Leitung, Administration, Parkplatzorganisation und Wägen der Tiere zur Verfügung und leistet zusätzlich an die Landwirte aus Baselland einen Transportbeitrag von 80 Franken für jedes Tier, das am Markt versteigert wird. Die Tiere müssen mindestens 161 Tage alt sein und wenigstens einen Monat im Betrieb des betreffenden Landwirts gestanden haben.
Für die neutrale Preisbildung steht die «Proviande», die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Sie erfüllt einen Leistungsauftrag des Bundes und vereinigt unter ihrem Dach Produzenten, Viehhandel, Verarbeiter, Detailhandel sowie Importeure und Exporteure. Die «Proviande» legt wöchentlich aufgrund von repräsentativen Umfragen die Grundpreise zu den verschiedenen Kategorien der Rindvieh- und Schafgattung fest. Sie delegiert ihre Fachleute an den Markt ab, welche die Tiere unter anderem nach Fleischigkeit und Fettgewebe taxieren. An den Händlern liegt es, die Angebote zu erhöhen und die Tiere zu ersteigern. Der Landwirt ist nicht verpflichtet, seine Tiere zu den ersteigerten Preisen zu verkaufen. Er hat jedoch eine Absatzgarantie der «Proviande», die das Tier einem Händler zuteilen kann. «Dies kommt jedoch selten vor, da die Tiere in der Regel zu guten Preisen abgesetzt werden können», so Ronny Schweizer.
Faire Preise
Trotz der Vorteile, die der öffentliche Markt hinsichtlich fairer Preisbildung, garantiertem Absatz und einer günstigen Versicherung bietet für den Fall, dass beim Tier im Schlachthof eine versteckte Krankheit entdeckt wird, nimmt der Handel am Schlachtviehmarkt laufend ab. Waren es 2022 noch über 800 Tiere, die in Hölstein versteigert wurden, sank diese Zahl im vergangenen Jahr auf 610 Tiere oder durchschnittlich 51 Tiere pro Markttag. Falle die Anzahl unter 50 Tiere pro Anlass, werde der Markt nicht mehr von der «Proviande» überwacht, hielt der Ebenrain in einem kürzlichen Schreiben an die Viehmarktbesucher fest.
Ronny Schweizer führt den Rückgang auf verschiedene Faktoren zurück. So nehme die Anzahl der Milchkühe laufend ab, die im Gegensatz zu Mutterkühen gut an den Markt führbar seien. «Vor allem wird die Arbeitsbelastung der Landwirte immer höher, und sie bringen die Zeit nicht mehr auf, zu Markte zu fahren. Zudem werden die Vorschriften für das Transportieren der Tiere immer umfangreicher.»
Ein Aufgeben des Schlachtviehmarkts in Hölstein würden sowohl Viehhändler als auch Landwirte bedauern. So meint Alex Krebs, Viehhändler aus Oberdorf: «Für uns hat der Markt eine grosse Bedeutung mit seiner schönen Auswahl an Tieren und den kurzen Transportwegen.» Für Stephan Graf, der mit seinem Bruder eine Grossviehmast in Maisprach betreibt und mit jeweils vielen Munis nach Hölstein kommt, ist es interessanter, die Tiere am Markt zu verkaufen als direkt aus dem Stall. «Es ist ein gewisser Mehraufwand, aber dieser rechnet sich für uns. Ich sehe nur Nachteile für uns alle, die hier sind, wenn der Markt aufgehoben würde.»
Martin Degen, der im Bölchengebiet Milchwirtschaft betreibt, kommt ebenfalls regelmässig in die «Bärenmatte» und meint: «Ein Tier aus dem Stall zu verkaufen, kann eine Lotterie sein. Hier ist die Preisbildung transparent, und wenn ich das Gefühl habe, der Preis stimme nicht, nehme ich das Tier wieder nach Hause. Schade wäre es auch um die lange Tradition, die dieser Schlachtviehmarkt im Baselbiet hat.»
Schweizweit rückgängig
Der Schlachtviehmarkt Hölstein steht mit der schwindenden Zahl an Tieren schweizweit nicht allein da. Wie der «Schweizer Bauer» in einer seiner neuesten Ausgaben schreibt, geht das Angebot an den öffentlichen Märkten auch im Bernbiet tendenziell zurück. Als Gründe werden unter anderem die rückläufige Zahl an Milchkühen und damit das Fehlen von Schlachtkühen genannt, zudem stellen die Marktbetreiber auch im Bernbiet fest, dass die Landwirte, vor allem jene im Nebenerwerb, immer weniger Zeit hätten, auf den Markt zu gehen. Nationalrat Ernst Wandfluh, Präsident der Interessengemeinschaft öffentlicher Märkte, ruft die Landwirte auf, wieder vermehrt ihr Vieh auf den öffentlichen Märkten anzubieten. Er ist überzeugt, dass diese für die Bauern einen echten Mehrwert bedeuten. Dieser Ansicht kann sich auch Ronny Schweizer vorbehaltlos anschliessen.