Schingge- und Späckfl änggli
16.01.2025 PorträtLetschti am Flughafe z Floränz stryyche die mir doch vor der Nase my Heiflug. So muess I schleunigscht mit em Taxi uf e Bahnhof und verwütsch grad none Platz im neue Diräktzug uf Züri.
Mit Tämpo 300 dur d Po-Ebeni, das isch s einten Erläbnis. S andre sitzt ...
Letschti am Flughafe z Floränz stryyche die mir doch vor der Nase my Heiflug. So muess I schleunigscht mit em Taxi uf e Bahnhof und verwütsch grad none Platz im neue Diräktzug uf Züri.
Mit Tämpo 300 dur d Po-Ebeni, das isch s einten Erläbnis. S andre sitzt mir vis-à-vis in Gstalt vom ne Typ à la Infantino. Dä isst gnüsslig e Focaccia mit Rohschingge und Rucola. Aber won er s Muul abputzt, mahle d Chiifer immer no. Är suecht offesichtlig mit der Zunge nach Räschte zwüsche de Zeen. Der Mimik aa muess dört öbbis ganz Eländiglichs blyybe hange sy, wo sich nummen ellei mit der Zunge nit lot lo löse.
Äs git jo neuerdings in den iPhones undeninne sone Steebli, wo me cha fürezieh, wemme d SIM-Charte muess wäggsle. Und gnau das holt der Infantino jetz uuse. Mir schwant scho, was er vorhet. Drum legg I d Sunnebrüllen aa, zum mys zwanghaften Interässi an de Widerligkeite vom Alltag wenigschtens e bitzli z kaschiere. Und wie erwartet, chunnts jetz zun ere usgiibige Stocherey in de dentale Zwüscherüüm, und zwar in ere Schamlosigkeit, as weer das s Säbverständligscht vo der Wält: Vorne, hinde, unden, obe, I cha numme stuune. Dusse ruscht grad Parma verby, wo der Schingge dänk härchunnt, aber erscht uf Hööchi Piacenza het er s letschte Fääserli verwütscht. Denn wird das Steebli schön abgschläckt und chunnt zrugg in s iPhone. Und I dänk: «Okay, aber gege dä an mym Konzärt z Hinwil isch das grad non e Heilige!»
Vom Bertolt Brecht gits jo der Satz: «Und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.» Schyynbar verstönden aber teil Lüt: «Die, die vorn im Lichte stehen, sehen die im Dunkeln nicht.» Dä Trugschluss han I uf der Bühni scho öbbe bemerkt: Sobald nämmlig s Liecht im Saal abgoot, fühlt sich mängen im Dunkel vom Zueschauerruum völlig unbeobachtet. Nummen ebe, das tüscht massiv! Und do isch dä vo Hinwil s beschte Byspiil.
Vor em Konzärt gits dört in der Beiz näbedra e Späckbrättli. Und das het dä zueständig Kultur-Gmeinroot au grad zum Znacht gha. Jetz hockt er im dunkle Saal in der vorderschte Reihe diräkt vor mir. Bym erschte Song loost er no zue, bym zweite luegt er scho uf d Uhr, bym dritte bereits in s Handy und ab em vierte beschäftigen ihn numme no d Spyysräschte zwüsche syne Zeen. Zerscht no vo der lingge Hand verdeckt, grüüblet er mit de Finger nach hangebliibenem Späck, aber ab em fümfte Song verliert är au no die letschte Hemmige: Mit offenem Muul fingerlet, guuslet, boort, chnüüblet, rüpflet und züpflet er an synen yyklemmte Späckflänggli, äs isch e woori Luscht! Und won er ändlig e grössers Stückli verwütscht und s zwüsche Duumen und Zeigfinger betrachtet, denn zfriide nickt und s ufisst, do wett my am liebschte vor allne Lüt bedanke byn em, ass I ha dörfe zueluege! So Zügs cha me jo nit erfinde, so Szene schrybt numme s ächte Läbe sälber. Und my freuts natürlig wie ne Moore, han I wiider öppis z verzelle!
Florian Schneider wurde 1959 geboren und stammt aus Reigoldswil. Er ist Sänger, Schauspieler und Liederschreiber und lebt mit Tochter Mina in Eptingen.