«Schampi» und sein Traum der eigenen Kunst
04.12.2025 SissachHans-Peter Schärer stellt zum ersten Mal im Ortsmuseum aus
Heute kehrt Hans-Peter Schärer nach Lausen zurück, das er vor 60 Jahren der Liebe wegen hinter sich gelassen hat. Mit 82 Jahren zeigt er im Ortsmuseum, was entsteht, wenn man einen Jugendtraum nie aufgibt.
...Hans-Peter Schärer stellt zum ersten Mal im Ortsmuseum aus
Heute kehrt Hans-Peter Schärer nach Lausen zurück, das er vor 60 Jahren der Liebe wegen hinter sich gelassen hat. Mit 82 Jahren zeigt er im Ortsmuseum, was entsteht, wenn man einen Jugendtraum nie aufgibt.
Melanie Frei
Im Jahr 1943 in Basel geboren, wuchs «Schampi» als Sohn des letzten Dorfschuhmachers im Unterdorf von Lausen auf. Sein Vater Bernhard Schärer hatte sich nach seiner Aktivdienstzeit definitiv in Lausen niedergelassen und an der Unterdorfstrasse ein bescheidenes Haus mit Werkstatt erworben. Damit wollte «Schampi» aber nichts zu tun haben: Die Kunstgewerbeschule in Basel war der grosse Traum. Doch aus finanziellen Gründen blieb dieser Wunsch unerreichbar. «Es waren harte Zeiten damals», erinnert sich Schärer, während er in seinem Wohnzimmer in Bern Platz nimmt. Seine Mutter arbeitete als Akkordantin in der Uhrenfabrik Ronda, um die finanzielle Belastung erträglicher zu machen. «Wir hatten es aber immer gut zusammen.»
1949 kam «Schampi» in die erste Klasse bei Fräulein Siegrist, «die Absicht, sie zu heiraten, hat dann aber nicht geklappt», scherzt er. Die Realschule besuchte er auf der «Burg» in Liestal. «Die Schule hat mir scheinbar so gut gefallen, dass ich auch meine Lehre im selben Quartier begann», erzählt er. Im Ingenieurbüro Eduard Hollinger wurde er zum Tiefbau- und Eisenbetonzeichner ausgebildet.
Seine erste Stelle als gelernter Zeichner fand er bei der Firma Rapp in Muttenz. Nach nur eineinhalb Jahren interessierte ihn die Weiterbildung zum Bauführer. Nach bestandener Aufnahmeprüfung begann er an der Bauschule Aarau seine Ausbildung.
Die Bindung zu Lausen bröckelte bereits etwas: Er war zwar noch in der Feuerwehr und natürlich im Turnverein. Am Eidgenössischen Turnfest 1967 in Bern durfte er noch mit seinen Lausner Kameraden am Wettkampf teilnehmen.
Der Liebe wegen nach Bern
«Ja und dann! Dann war da Susi, meine Freundin aus Bern und die grosse Liebe», erzählt er. «So habe ich definitiv von Lausen Abschied genommen. Die Kontakte haben sich verflacht und mein Leben hat eine neue Richtung genommen.»
Die Erinnerungen aber sind geblieben. «Am Wochenende haben meine Freunde und ich uns in Schale geworfen. Mit Anzug und Krawatte sind wir jeweils von Lausen nach Sissach ins Kino gelaufen», erzählt er. « Auf dem Heimweg genossen wir im Rössli Itingen und im Rössli Lausen je einen Becher Bier. Mein Vater drückte mir dafür einen Zweifränkler in die Hand.» Das habe damals für weit mehr gereicht als heute. Es sei das Dorfleben, das man erst vermisse, wenn man es hinter sich gelassen habe.
«Wenn ich heute nach Lausen komme, erkennen mich nur noch wenige», sagt Schärer. Die Verbindung zum Dorf war kaum mehr vorhanden
– bis zum Einweihungsfest im Unterdorf 2024 (Sanierung Strasse und Vorplätze). Göpf und Silvia Stierli waren es, die ihn sofort erkannt hatten. Göpf Stierli, ehemaliger Raumplaner in Lausen und Turnkamerad von «Schampi», hat für ihn einen neuen Bezug zu Lausen hergestellt. «Mein Hobby als Künstler stiess bei den beiden auf grosses Interesse. Das Resultat: die Ausstellung von Bildern und Figuren von ‹Schampi›.»
Schärer zeigt uns in seinem Haus das Arbeitszimmer, ein Reich aus Farbe und Kreativität. Überall liegen Pinsel, offene Skizzenbücher stapeln sich auf dem Arbeitstisch, gefüllt mit Landschaften und Gebäuden in Pastellkreide. An den Wänden hängen seine Werke, auf dem Boden lehnen weitere. Es riecht nach Farbe und Papier, der Geruch eines gelebten Traums.
Ein Leben lang trug er diesen mit sich, bis 2003 die vorzeitige Pensionierung kam und er Zeit hatte, sich voll seiner Leidenschaft zu widmen. Was folgte, war eine systematische künstlerische Ausbildung: Er besuchte Malund Zeichenkurse, bildete sich im Aquarellmalen weiter und besuchte Seminare in Pastell-Landschaftsmalerei. Ein Schüler, der nie aufhörte zu lernen, bis er seine zweite grosse Liebe fand: die Pastellkreide.
Seine Werke zeigen vor allem Landschaften rund um Bern. Seen in zarten Farbtönen, Kirchen und Gebäude mit präzisen Übergängen, Parks im Abendlicht. «Das Skizzenbuch gehört immer ins Reisegepäck, wenn Susi und ich unterwegs sind.» Seine Objekte und Figuren aus Ton, Holz und Metall bilden das humorvolle Gegengewicht zu den stillen Pastelllandschaften.
Heute, mit 82 Jahren, trifft sich «Schampi» wöchentlich mit Malkolleginnen und -kollegen aus dem Quartier. Seit 2005 stellt er regelmässig aus, von der ersten Bilderausstellung in Bern über den Kulturhof Schloss Köniz bis zum Berner Wohnheim Acherli, wo er gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern ausstellte.
Die Ausstellung im Ortsmuseum Lausen ist die Rückkehr eines Mannes, der 60 Jahre brauchte, um dort anzukommen, wo er als junger Mann sein wollte: in der Kunst. Der Sohn des Dorfschuhmachers, dem die Kunstgewerbeschule verwehrt blieb, zeigt nun seine Werke im Museum des Dorfes, in dem er aufgewachsen ist. Es ist eine späte, aber umso schönere Genugtuung.
Vernissage: Heute Donnerstag, 4. Dezember, 18 Uhr, Ortsmuseum, Lausen. Die Ausstellung läuft bis Ende Mai 2026.



