Samuel Grossenbacher, Häfelfingen
13.02.2025 HäfelfingenIM GEDENKEN
frühere Leiter des heutigen Schulinternats Sommerau, Samuel Grossenbacher, ist am 12. Januar 2025 im Alter von 89 Jahren verstorben und folgte seiner Gattin Irmtraut nach, die am 30. November 2024 im 90. Altersjahr heimgegangen ist.
Samuel ...
IM GEDENKEN
frühere Leiter des heutigen Schulinternats Sommerau, Samuel Grossenbacher, ist am 12. Januar 2025 im Alter von 89 Jahren verstorben und folgte seiner Gattin Irmtraut nach, die am 30. November 2024 im 90. Altersjahr heimgegangen ist.
Samuel Grossenbacher wurde am 6. Juni 1936 geboren. Er erlernte den Beruf des Mechanikers und hat sich schon früh am damaligen Heilpädagogischen Seminar in Zürich zum Erzieher ausbilden lassen. Vor Eintritt in die Sommerau im Jahr 1963 war er zusammen mit seiner Gattin Irmtraud, die ebenfalls das heilpädagogische Seminar absolvierte, als Gruppenleiter im Jugendheim Albisbrunn in Hausen am Albis tätig.
Das Paar bezog am 1. Oktober 1963 eine 3-Zimmer-Wohnung – ohne Küche und eigenes Bad – des Erziehungsheims für Mädchen und Buben in Rümlingen. In der damaligen Sommerau wohnten 40 Kinder, mit je einem Mädchen- und Bubenschlafsaal. Wohnpflicht hatten auch ein Lehrer, zwei Erzieherinnen und der Landwirt. Im Haus aus dem Jahr 1811 waren neben Stall und Tenn auch zwei Klassenzimmer untergebracht.
Bei der Übernahme durch Grossenbachers stand das Erziehungsheim bereits seit 110 Jahren in Betrieb. Im Anstellungsvertrag wurde ein freier Tag pro Woche gewährt. Kaum im Amt, musste Samuel Grossenbacher einen Traktor sowie eine Melkmaschine anschaffen und einen neuen Landwirtschafts-Meister finden.
Die Zusammensetzung und Betreuungsbedürfnisse der Kinder haben sich der gesellschaftlichen Entwicklung entsprechend immer wieder verändert. Samuel Grossenbacher war ein gütiger, geduldiger Hausvater und stets um das Wohlergehen der Kinder besorgt. Sie nannten ihn Vati, Ätti oder Sämi. In seiner Zeit wurden viele Aktivitäten zugunsten der Kinder entwickelt – Skilager im Winter, Gruppenlager im Sommer, Herbstwochen und Schulreisen – und der Spielplatz vor der Schule und der Fussballplatz realisiert.
Von 1963 bis 1996 haben Samuel und Irmtraut Grossenbacher mehr als 260 Kinder in der Sommerau begleitet. Viele erinnern sich auch heute noch gerne an diese Zeit. Am Anfang gab es zwei Klassen: eine Unter- und eine Oberstufe. Die beiden Lehrkräfte wurden durch eine Arbeitslehrerin unterstützt. Aufgrund der grossen Klassen war ein Unterrichten nur mit absoluter Disziplin möglich. Die Kinder mussten oft auch in der Landwirtschaft mithelfen. Das alte Heimgebäude diente bis 1979 als Schulhaus für die Heimschule, ab 1974 durften die Oberstufen-Schüler die Kreisrealschule in Rümlingen besuchen. So konnte die Unterstufen-Schule intern auf zwei Klassen aufgeteilt werden. Samuel Grossenbacher pflegte stets einen intensiven und guten Kontakt zur Realschule Rümlingen.
Während seiner ganzen Zeit in der Sommerau war Samuel Grossenbacher immer wieder mit Baufragen beschäftigt. Im Herbst 1971 konnten endlich die seit den 1950er-Jahren geplanten Neubauten bezogen werden. Der Qualität der Heimbetreuung geschuldet, wurde die Kinderzahl reduziert. Es entstanden drei Wohngruppen. Ein Teil der oberen Sommerau wurde 1978 zum neuen Schulhaus mit zwei Klassenzimmern sowie einer Holz- und Metallwerkstatt umgebaut. 1982 erstellten die SBB eine neue Unterführung, was sich nicht nur positiv auswirkte. Die Schüler kürzten ab und gingen über Mauer und Gleise zum «Bähnli».
Im angegliederten landwirtschaftlichen Betrieb sollten die Kinder die Arbeit auf dem Hof kennenlernen. Man fand dies damals erzieherisch wertvoll, obgleich die Mehrheit der Kinder aus der Stadt Basel kam und keinen Bezug zur Landwirtschaft hatte. Später konnten sie sich dank der Mithilfe auf dem Hof zumindest ein kleines Sackgeld verdienen. 1985 entschied die Heimkommission, das marode Heim- und Landwirtschaftsgebäude durch einen Neubau zu ersetzen, 1987 konnte dieser bezogen werden.
Bereits 1993 und 1994 waren die Kantone Baselland und Basel-Stadt nicht mehr bereit, das jährliche Defizit des Hofs von 200 000 Franken zu tragen. Im Frühjahr 1995 wurde er deshalb verkauft.
Den Hauseltern stand immer eine kompetente Heimkommission zur Seite. Ein Kassier, später eine Kassierin, waren für die Finanzen der Sommerau verantwortlich. Die Finanzen begleiteten Samuel Grossenbacher die ganze Zeit. 1963 betrug das Kostgeld pro Kind und Tag 4.50 Franken. Heute beläuft es sich auf das 155-Fache. Zeitweise wurden die Löhne an die Lehrpersonen und an das diplomierte Erziehungspersonal direkt durch den Kanton entrichtet.
Lange Zeit beschäftigte Samuel Grossenbacher das Suchen und Finden von qualifiziertem Personal. Eine Parallele zur heutigen Zeit des häufig zitierten Personalfachkräftemangels. Für viele war die Sommerau zu abgelegen. Es fanden sich aber immer wieder Lösungen. Ende der 1980er-Jahre wurden Fachleute aus dem Elsass und dem Badischen angestellt. Diese blieben der Sommerau in der Regel sehr lange treu.
Samuel Grossenbacher hat in seiner weitsichtigen Art die Sommerau zu einem Ausbildungsheim entwickelt, vier bis fünf berufsbegleitend Studierende unterstützten den Gruppenbetrieb. Er war ein geduldiger, korrekter und wertschätzender Chef. Während seiner Zeit kreuzten mehr als 200 Mitarbeitende seinen Weg. Heute betreut der Verein rund 120 Kinder und Jugendliche an fünf Standorten im Kanton Baselland und beschäftigt insgesamt rund 110 Mitarbeitende.
Samuel Grossenbacher und seiner Frau Irmtraut gebührt grosser Dank für die unermessliche Arbeit, die sie geleistet haben. Sie haben die Grundlagen dessen geschaffen, was wir heute von der Sommerau wahrnehmen.
Fred Aschwanden, ehemaliger Sommerau-Heimleiter