«Röbi wird fehlen»
21.06.2024 DiegtenSchulschluss für Lehrer Robert Misteli
«Dä chunnt vo Basel – dä wird nid lang blyybe», das hätten sie in Diegten gesagt nach der Wahl von Robert Misteli. 38 Jahre sind seither vergangen und er ist immer noch da. Doch jetzt ist bald Schluss, per Ende ...
Schulschluss für Lehrer Robert Misteli
«Dä chunnt vo Basel – dä wird nid lang blyybe», das hätten sie in Diegten gesagt nach der Wahl von Robert Misteli. 38 Jahre sind seither vergangen und er ist immer noch da. Doch jetzt ist bald Schluss, per Ende Juli geht er in Pension.
Brigitte Keller
Einige Male habe er sich überlegt, ob Lehrer zu werden die richtige Entscheidung ist, gibt Robert Misteli zu. Dass er eine Laufbahn als Lehrer einschlug, habe auch etwas mit seiner Herkunft zu tun: Er stammt aus einer Lehrer- und Pfarrersfamilie. Seine Mutter sei Kindergärtnerin gewesen und so hätten sich – fügt er mit einem Lachen an – die zwölf Wochen Ferien im Jahr irgendwie automatisiert. Und schon blitzt der Humor hervor, für den Lehrer Misteli an der Schule bekannt ist.
Aufgewachsen ist er in Münchenstein und es war im Progymnasium, nach ein paar schlechten Noten, als er das erste Mal kurz überlegte, ob er nicht doch lieber etwas anderes lernen sollte, beispielsweise Optiker. Doch genau zu jener Zeit wurde die Diplomabteilung am Gymnasium eingerichtet, eine Art «Unterseminar», und diese Möglichkeit stellte sich als Glücksfall für Misteli heraus.
Anschliessend folgte das Lehrerseminar in Liestal. Immer wieder sei er damals gefragt worden, warum er denn Lehrer werden wolle, da es doch kaum eine Chance auf eine Stelle gäbe. Heute kaum mehr vorstellbar, herrschte damals ein Lehrerüberschuss. Auf eine ausgeschriebene Stelle hätten sich damals mehrere Dutzend Anwärterinnen und Anwärter beworben.
Neue Heimat Oberbaselbiet
Nach der etwas «zähen» Ausbildung, wie es Misteli nennt, freute er sich aufs Unterrichten. Nach der noch zu absolvierenden Rekrutenschule und eineinhalb Jahren mit Vikariaten, die ihn immer mehr Richtung Oberbaselbiet brachten, bewarb er sich in Diegten. Dort hätten sie ihn, den «Basler», dann gefragt, ob er bereit wäre, im Dorf zu wohnen, wenn er die Stelle bekäme, was Misteli bejahte.
Ab dem 7. April 1986 war er festangestellter Lehrer in Diegten. Dreiviertel Jahre pendelte er noch von Basel aus, dann schlugen er und seine Frau die Zelte in Diegten auf. Misteli erinnert sich noch lebhaft, dass eine seiner damaligen Schülerinnen die Enkelin der Wohnungsvermieterin war. Die Viertklässlerin fand es nicht so toll, dass der Lehrer fortan Tür an Tür wohnen sollte. Misteli konnte sie beruhigen, indem sie eine «Absprache» trafen: Sie sollte ihn nach der Schule nie fragen kommen, wenn sie etwas nicht verstanden hätte, und er würde sie im Gegenzug nie fragen, ob sie die Hausaufgaben erledigt hätte.
Die Anfangszeit als Lehrer sei sehr herausfordernd gewesen. Aus dem Seminar brachte man kaum etwas Handfestes für den Unterricht mit. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten den Unterrichtsstoff und die Materialien alle selbst erarbeiten müssen. Das war auch die Zeit, als bei Misteli zum zweiten Mal Zweifel aufkamen, ob er im richtigen Beruf sei. Eines seiner Steckenpferde war die Arbeit mit Holz und so schaute er sich nach einer Lehrstelle als Schreiner um. Es blieb aber beim Liebäugeln. Seine Liebe zum Schreinern lebte er zukünftig im Werkunterricht und in Projektwochen aus, wie kürzlich wieder beim Herstellen von Holzbrettspielen.
1996, nach zehn Jahren unterrichten – die letzten beiden Jahre davon als Schulleiter der Primarschule – fand Robert Misteli, ein Unterbruch sei dringend nötig. Die sechs Wochen Ferien im Sommer hätten nicht mehr gereicht, um genug Abstand von all den Verpflichtungen zu gewinnen und sich ausreichend erholen zu können. Ein grösserer Unterbruch musste sein, um neue Eindrücke zu sammeln und Zeit zum Nachdenken zu haben. Er liess sich von der Schule für ein Jahr unbezahlt beurlauben.
Auszeit
Nach Nichtstun stand Misteli jedoch nicht der Sinn. Zudem gab es finanzielle Verpflichtungen, er war verheiratet, hatte einen Sohn und kurz zuvor auch ein Haus in Rünenberg gekauft. Seine Wahl fiel auf eine Stelle als Pflegeassistent im Kantonsspital Liestal. Die Arbeit mit Menschen, sie kennenzulernen und mit ihnen ein Stück des Weges zu gehen, stehe für ihn seit jeher an erster Stelle. Das war immer die Grundlage für sein Schaffen mit Kindern.
Nach dem einjährigen Unterbruch kehrte er an die Schule Diegten zurück und unterrichtete weiterhin als Klassenlehrer der 3. bis 5. Primarklasse. Seit Einführung der 6. Primarklasse unterrichtet Misteli die 3. und 4. Primarklasse. In diesem Alter kämen die meisten Kinder mit einer offenen, neugierigen und ehrlichen Art in den Unterricht. «Das gefällt mir sehr gut», sagt Robert Misteli. «Das Wichtigste für mich ist Respekt und Wertschätzung, und zwar von beiden Seiten», fügt er an. «Die Kinder spüren, wenn sie in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen und wertgeschätzt werden.»
Während der vergangenen vier Jahrzehnte im Schulwesen hat sich vieles stark verändert. Lehrerinnen und Lehrer blieben früher acht bis zehn Jahre an einer Schule. Dadurch hätte man sich gut gekannt, von jeder und jedem gewusst, wer welche Ressourcen hat oder besondere Ämtli zuverlässig erledigen kann. Diese Beständigkeit vermisst Robert Misteli in der heutigen Zeit.
Von 2003 bis 2010 übernahm er erneut einen Teil der Schulleitung der Primarschule Diegten. Eine reine Tätigkeit als Schulleiter, ohne Klassenlehrer-Funktion, wäre für Misteli nie infrage gekommen. «Mein Herz ist immer bei der Klasse gewesen», sagt er.
Pflicht und Kür
Besonders am Herzen lagen ihm gemeinschaftliche Aktivitäten ausserhalb des Unterrichts. Legendär sind die Ausflüge der gesamten Schule inklusive Kindergarten in den Seilpark Balmberg und das Musicalprojekt «Max, der Regenbogenritter» unter Mitwirkung des Musikvereins Diegten. Einige der Schülerinnen und Schüler hätten übrigens durch ihr Mitwirken ihr Talent zum Singen und Schauspielern entdeckt.
Solche Grossprojekte hätten für ihn immer die Kür des Daseins als Lehrer bedeutet. In der heutigen Zeit würde es immer komplizierter, solche Projekte auf die Beine zu stellen. Früher hätte man gesagt, das machen wir jetzt, und dann hat man es zusammen angepackt. Das geht heute nicht mehr so einfach. Schon die Festlegung eines Termins für alle Lehrpersonen wäre die erste grosse Hürde.
Eine Entwicklung, die Misteli sehr begrüsst hat, ist die Einführung der integrativen Schulungsform. Es sei eine wichtige Bereicherung, eine Fachperson an der Seite zu haben, die einen in speziellen Fällen im Unterricht unterstützt und mit der man sich austauschen kann. Auch für die Anliegen der Eltern habe er immer ein offenes Ohr und Verständnis gehabt – wollen doch alle Eltern immer nur das Beste für ihr Kind.
Nach 38 Jahren sei nun der richtige Zeitpunkt zum Aufhören gekommen. Zudem habe ihn ein Motorradunfall im vergangenen Sommer zusätzliche Energie gekostet und ihn darin bestärkt, jetzt in Pension zu gehen. Wer ihn nach seinen Plänen fragt, bekommt zur Antwort: «Ich freue mich auf die Langeweile.» Für ihn klingt dieses Wort sehr verlockend. Misteli freut sich darauf, den Alltag selber zu gestalten, in Küche und Garten zu arbeiten und wieder vermehrt Sport treiben zu können. Ganz besonders freut er sich mit Rita, seiner zweiten Frau, auf die Geburt des ersten Enkelkindes im August.
Nur lobende Worte: «Röbi wird fehlen!»
bke. Mit Robert Misteli verlässt ein sehr geschätzter Lehrer und Kollege die Kreisschule Tenniken-Eptingen-Diegten (TED). Ein paar Worte und Sätze, die im Kollegium spontan zu ihm fallen:
«Humorvoll, umsichtig, initiativ, wohlwollend, charmant, gut gehalten».
Sabine Sutter (seit 24 Jahren an der Schule Diegten tätig): «Er ist sehr humorvoll und sorgt immer hier und da mit einem Spässchen für gute Laune im Schulalltag.»
Jan Krieg (war hier selber Schüler und ist seit 2021 als Lehrer tätig): «Er war auch immer für die verschiedensten Projekte zu haben, respektive war Initiant und Organisator von ganz vielen Projekten und ausserschulischen Aktivitäten. Er war immer mit Leib und Seele dabei. Und er kennt Ecken an dieser Schule, die womöglich niemand anders mehr kennt.»
Sabine Sutter: «Genau, dazu fällt mir ein, dass die Schule einen Dachboden hat, der nur über eine Luke zu erreichen ist, wo wir vor Jahren einmal eine Lesenacht durchgeführt haben.»
Hilde Bertoldi (seit 4 Jahren an der Schule tätig): «Ich bewundere, wie er immer jedes Kind vor dem Beginn des Unterrichts an der Türe zu seinem Schulzimmer herzlich begrüsst und in Empfang nimmt und so wohlwollend in den gemeinsamen Tag startet.»
Sabine Sutter: «Und jeden Sonntagvormittag ist er im Schulzimmer, um in aller Ruhe die folgende Woche vorzubereiten.»
Jan Krieg: «Er hat immer für das Wohl seiner Kolleginnen und Kollegen und der ganzen Schule geschaut. So war er immer derjenige, der daran gedacht hat, wenn jemand Geburtstag hat und hat rechtzeitig für ein kleines Geschenk gesorgt.»
Hilde Bertoldi: «Mir sagte er einmal, dass er nicht gut Französisch könne, doch als ich ihm erzählte, dass ich im Französischunterricht den Comic ‹Titeuf› lesen wolle, riet er mir davon ab, weil er zu frech und freizügig sei. Was er nicht wüsste, wenn er nicht sehr gut Französisch könnte und all die darin vorkommenden Redewendungen sehr gut verstünde…»
Sabine Sutter: «Er sorgte auch für gesellige Anlässe und lud Kolleginnen und Kollegen zum Bräteln ein. Er fand manchmal, so ein geselliges Zusammensein sei wichtiger als eine weitere Sitzung.»