Rheintunnel ist dringlich – Herzstück nicht
10.10.2025 SchweizPolitik und Verbände sind unzufrieden mit Verkehrsstudie von ETH-Professor
Die ETH-Studie zum Schweizer Verkehrsausbau wird in der Region Basel von linken, wirtschaftsnahen und offiziellen Kreisen kritisiert. Isaac Reber möchte gemeinsam mit Basel-Stadt Einfluss auf Albert ...
Politik und Verbände sind unzufrieden mit Verkehrsstudie von ETH-Professor
Die ETH-Studie zum Schweizer Verkehrsausbau wird in der Region Basel von linken, wirtschaftsnahen und offiziellen Kreisen kritisiert. Isaac Reber möchte gemeinsam mit Basel-Stadt Einfluss auf Albert Rösti nehmen, damit der Ausbau der S-Bahn in Basel doch noch priorisiert wird.
Janis Erne
Gestern wurde der mit Spannung erwartete Bericht des ETH-Professors Ulrich Weidmann vorgestellt. Er dient dem Bundesrat als Grundlage für die Planung des Schweizer Verkehrsnetzes und umfasst sowohl den Strassenals auch den Bahnverkehr. Die zentrale Botschaft Weidmanns lautet: Der Bund soll bei Ausbauprojekten klare Prioritäten setzen und sich in den nächsten 20 Jahren auf ausgewählte Schlüsselprojekte konzentrieren.
Eines davon ist der Rheintunnel, der Birsfelden und Kleinbasel verbinden soll. Experte Weidmann empfiehlt, den Tunnel mit hoher Priorität zu realisieren. Das Bauwerk würde nicht nur das Stauproblem rund um Basel entschärfen, sondern auch den Fernverkehr vom regionalen und städtischen Verkehr trennen, heisst es in seinem Bericht. Erst vor knapp einem Jahr hatte die Schweizer Bevölkerung ein Autobahnausbau-Paket abgelehnt, das auch den Rheintunnel umfasste. Während der Kanton Baselland damals zustimmte, lehnten die Baslerinnen und Basler die Vorlage ab.
Dringlich erscheint Weidmann auch die Verbreiterung der A2 – zwischen Hagnau und Augst auf acht Spuren und zwischen Augst und Rheinfelden auf sechs Spuren. Vorrangig realisiert werden sollen die Projekte laut dem ETH-Professor in diesem Umfang jedoch nur, wenn bis 2045 ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Zwingend prioritär ist für ihn hingegen die Erschliessung des Wirtschaftsareals Bachgraben in Allschwil durch eine Strasse und ein Tram.
Nur kleine Anpassungen
Das Herzstück Basel – die geplante, unterirdische S-Bahn-Verbindung zwischen Basel SBB und dem Badischen Bahnhof – soll laut Weidmann erst nach 2045 realisiert werden. Das Projekt sei in den kommenden 20 Jahren weder technisch machbar noch inhaltlich prioritär. Auch den Bau des Tiefbahnhofs Basel SBB lehnt Weidmann derzeit ab, da dieser ohne Herzstück «ein negatives Nutzen-Kosten-Verhältnis» aufweisen würde. Stattdessen schlägt er punktuelle Ausbauten am Bahnhof Basel SBB und am Badischen Bahnhof sowie Verbesserungen am Tramnetz vor. Auch bessere Busangebote seien denkbar. Damit liessen sich in Basel attraktivere Umsteigeverbindungen schaffen und Reisezeiten verkürzen, so der Verkehrsexperte.
Beim Rheintunnel vorwärts machen, beim Herzstück abwarten – diese Empfehlung sorgt in der Region für geteilte Reaktionen. Der VCS beider Basel und die Grünen Baselland zeigen sich ausgesprochen unzufrieden. «Der Rheintunnel bringt Mehrverkehr für Dörfer und Agglomerationen und löst die Probleme unserer Zeit nicht», kritisierte Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne, Oltingen) im Namen ihrer Partei. Der VCS bemängelt, dass das Herzstück auf unbestimmte Zeit verschoben werde und keinerlei Vorbereitungen vorgesehen seien.
Die Handelskammer beider Basel (HKBB) reagierte gemischt auf den Bericht. Sie begrüsst zwar, dass der Rheintunnel hohe Priorität erhält, bedauert jedoch die geringe Bedeutung des Bahnknotens Basel. Es sei inakzeptabel, dass dem Wirtschaftsstandort Basel in dieser Hinsicht zu wenige Perspektiven geboten würden. Der Verband will sich für Verbesserungen im Schienenverkehr einsetzen. Er kritisiert zudem, dass die Autobahn N18 im Birstal keine Toppriorität geniesst.
Wie die Regierungen von Baselland und Basel-Stadt den Bericht einschätzen, wollen sie am kommenden Montag bei einer Medienkonferenz erläutern. Bereits gestern liess der Baselbieter Bauund Umweltschutzdirektor Isaac Reber (Grüne) verlauten, dass er es für unverständlich hält, dass der Ausbau des Bahnknotens Basel und insbesondere dessen erste Etappe, der Tiefbahnhof Basel SBB, bis 2045 keine Priorität haben sollen. Die Baselbieter Regierung will sich zusammen mit Basel-Stadt und der HKBB dafür einsetzen, dass der Tiefbahnhof und der Viertelstundentakt ins Fricktal in die Botschaft zum Bahnausbau 2026 aufgenommen werden.
Bis Januar haben Kantone und Verbände die Möglichkeit, Verkehrsminister Albert Rösti (SVP) ihre Meinung zur ETH-Studie mitzuteilen.Rösti will anschliessend dem Bundesrat einen Vorschlag unterbreiten, welche Projekte tatsächlich prioritär umgesetzt werden sollen. Das offizielle Vernehmlassungsverfahren soll im Sommer beginnen, «damit die verkehrspolitische Diskussion noch in der laufenden Legislatur gestartet werden kann», wie Rösti gestern vor den Medien sagte.
Er betonte ausserdem, die Vorlage müsse von «möglichst allen Regionen» mitgetragen werden, um im Parlament und vor der Stimmbevölkerung eine Chance zu haben.