«Rettet die Blutbuche»
25.11.2025 OltingenKabarettduo «schön&gut» trat in der «Oberen Mühle» auf
Das neue Stück des preisgekrönten Duos heisst «Unter freiem Himmel» und spielt erneut in der Emmentaler Gemeinde Grosshöchstetten. Diesmal geht es um eine ...
Kabarettduo «schön&gut» trat in der «Oberen Mühle» auf
Das neue Stück des preisgekrönten Duos heisst «Unter freiem Himmel» und spielt erneut in der Emmentaler Gemeinde Grosshöchstetten. Diesmal geht es um eine Theateraufführung, an deren Ende eine Blutbuche dran glauben muss – oder etwa doch nicht?
Brigitte Keller
Viel Platz benötigen Anna-Katharina Rickert und Ralf Schlatter, die das Kabarettduo «schön&gut» bilden, nicht. Zum Glück, denn am vergangenen Samstag blieb im Mühleraum kaum bespielbarer Raum übrig, nachdem Fidelio Lippuner und das Team der «Oberen Mühle» auch für unangemeldete Gäste noch Stühle organisiert hatten. Die beiden Künstler haben jedoch gewusst, worauf sie sich einlassen: Bereits vor einem Jahr waren sie hier zu Gast und hatten sich gewünscht, wieder in diesem besonderen Raum auftreten zu dürfen.
Trotz der Enge reichte die Bühne für ein halbes Dutzend «Grosshöchstetter», einer davon gar auf seinem störrischen Ross, und für einen 50 Jahre alten Baum. Alle Rollen werden im fliegenden Wechsel von den beiden Kabarettisten gespielt – auch die Blutbuche im Zentrum und die zwei Meisen, die aus der Höhe ihre Kommentare abgeben.
Fällen oder nicht fällen – das ist die grosse Frage. Nur alle 50 Jahre wird in Grosshöchstetten das Freilichtspiel «Die Blutbuche» aufgeführt, jeweils an einem einzigen Abend, denn am Ende des Stücks fällt der Baum. Nun ist es wieder so weit, und das Theaterfieber hat die Gemeinde erfasst. Doch Regisseurin Frau Gut stösst schnell an Grenzen: Gemeindepräsident Kellenberger – in der Rolle des Freiheitshelden Wüthrich – lässt sich nichts sagen, die Statisten Hans und Heiri reden viel, aber immer das Falsche, und Herrn Schön – als Vogt Hünigwald – sagen alte Traditionen ohnehin nichts. Alle reden und reiten aneinander vorbei.
Die Natur und ihre Launen
Was sagt eigentlich der Baum? Die Meise fragt: «Herr Baum, wie geht’s, wie steht’s?» – und hört: «Ich bin kein Herr, ich bin non-binär. Weder Herr Baum noch Frau Baum, einfach nur Baum.» Die Natur und ihre Launen! An dieser Stelle greift Gemeindepräsident Kellenberger ein, grossspurig wie immer. Er erklärt Agneta aus Lettland, was dem Baum «blüht»: «Item hä, morn Obig isch denn Fyrobe, da wird der Baum gefällt.» – «Ja, mir auch!»
Vom ersten Moment an entfalten sich die Fantasie und die Wortakrobatik von Rickert und Schlatter. Das Publikum muss hellwach sein, um kein Wortspiel, keine Anspielung und keinen Seitenhieb zu verpassen – und keinen der rasanten Rollenwechsel. In einem Wimpernschlag wechseln die beiden die Figur.
Minimale Requisiten, maximale Mimik – das ist das Markenzeichen ihres poetischen, politischen Theaterkabaretts. Fällt der Spruch «Es isch Hans was Heiri», wird ein Bart umgeschnallt, und schon stehen Hans und Heiri auf der Bühne.
Fremdsein, Freiheit, Demokratie – viele Themen werden angerissen. Auch Künstliche Intelligenz, Compotois, Volkspartei und Grüne, Workshops in allen Landesteilen, Fleischersatz und mehr bekommen ihr Fett weg. Selbst die «Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz» taucht auf – mit Betonung auf lebendig. Ob die Blutbuche am Ende fällt oder nicht, wird hier selbstverständlich nicht verraten.
Wer erlebt hat, was in Grosshöchstetten abgeht, kommt bestimmt wieder. Denn man möchte wissen, wie es weitergeht mit Kellenberger, dem veganen Metzgerssohn Schön, Frau Gut, Agneta und Herrn und Frau Meise. Wie bei einer «Netflix»-Serie will man wissen, was in der nächsten Staffel passiert.
Der siebte Streich des Kabarettduos trägt den Titel «Unter freiem Himmel». Bei minus 7 Grad draussen war man jedoch froh, drinnen im warmen Mühleraum zu sitzen, wo nach der Vorstellung noch ein Glas Wein oder Bier getrunken wurde und der Abend bei Gesprächen über Gott, die Welt und Parallelen zu Grosshöchstetten ausklang.

