Rap-Musik für Hörbehinderte
23.11.2023 BöcktenRapper Siga besucht die Primarschule
Im Rahmen der Baloise-Session-Musik-Workshops besuchten Rapper Siga und Gebärdensprachdolmetscherin Vanessa Feller-Jung die Primarschule in Böckten. An einem gemeinsamen musikalischen Morgen wurde gerappt und Gebärdensprache ...
Rapper Siga besucht die Primarschule
Im Rahmen der Baloise-Session-Musik-Workshops besuchten Rapper Siga und Gebärdensprachdolmetscherin Vanessa Feller-Jung die Primarschule in Böckten. An einem gemeinsamen musikalischen Morgen wurde gerappt und Gebärdensprache eingeübt.
Melanie Frei
Gelächter und lautes Stimmengewirr empfängt einen, sobald man eines der Klassenzimmer der Primarschule in Böckten betritt. Rund 25 Kinder und einige Lehrerinnen und Lehrer sind im Klassenzimmer versammelt und füllen den Raum fast komplett. Gespannt warten alle ab: Zu Besuch in der kleinen Schule im Oberbaselbiet waren kürzlich nämlich zwei spezielle Gäste: Rapper Siga aus Zürich und Gebärdensprachdolmetscherin Vanessa Feller-Jung.
Beim Projekt «Du» produziert und performt Siga, gebürtiger Name Siva Ganesu, Rap-Musik und Feller-Jung dolmetscht gleichzeitig in Gebärdensprache. Eine Herzensangelegenheit für den 39-Jährigen, der mit dem Projekt Gehörlosen eine Möglichkeit bieten möchte, an seiner Musik teilzuhaben. Wie das genau funktioniert, können die versammelten Kinder gleich selbst herausfinden. Jede Person greift sich vorbereitete Ohrstöpsel und bläst einen Ballon auf. Die Gebärdensprachdolmetscherin erklärt: «Durch die Ohrstöpsel wird euer Hörvermögen beeinträchtigt; sie sollen dabei helfen, euch in die Situation von Gehörlosen zu versetzen.»
«Der Ballon nimmt die Vibrationen der Musik auf und gibt den Gehörlosen und Schwerhörigen eine Möglichkeit, diese wahrzunehmen», erklärt Siga. Während er spricht, übersetzt Vanessa das Gesagte laufend in Gebärdensprache. Dabei fällt einigen Kindern auf, dass sich ihr Gesicht öfters etwas übertrieben verzieht. Es wird direkt neugierig nachgefragt. «Gebärdensprache ist nicht nur Handarbeit. Der gesamte Körper kommt zum Einsatz und die Mimik ist wichtig, um Emotionen auszudrücken», erklärt die Dolmetscherin. Menschen drückten Emotionen über die Stimme aus, Wut lasse sie beispielsweise laut werden – Schwerhörige und Gehörlose aber müssten über andere Wege Emotionen erkennen können, erklärt sie weiter. In der Primarschule befindet sich übrigens ein hörbehindertes Mädchen. Die Klassenkameradinnen und -kameraden lassen sich auf ein Experiment ein, um ihre Freundin ein Stück weit besser zu verstehen.
Musikalische Weiterentwicklung
Siga fordert die Kinder auf, die Augen zu schliessen und den Ballon mit beiden Händen festzuhalten. Dann beginnt er zu rappen und Vanessa übersetzt neben ihm den Text in Gebärdensprache. Die Kinder stehen mit konzentrierten Gesichtern vor dem Künstler und lassen sich auf die Situation ein. Nach dem Auftritt ist Zeit für Rückmeldungen: «Ich habe durch die Ohrstöpsel zwar noch ein wenig gehört, aber die Vibrationen habe ich durch meine Hände viel stärker wahrgenommen», meint eine Schülerin und einige schliessen sich ihr an. Der Besuch von Siga und Vanessa in Böckten ist Teil der jährlich durchgeführten Baloise Session, ein Festival mit vielen musikalischen Darbietungen. Zum Programm zählen schon beinahe traditionell auch Musik-Workshops.
CEO der Baloise Session, Beatrice Stirnimann, war ebenfalls im Klassenzimmer der Primarschule anzutreffen. «Zum ersten Mal sind wir mit den Workshops im Baselbiet», erzählt sie. Mit den Schulworkshops sollen Schülerinnen und Schüler ihre musikalischen Fähigkeiten weiterentwickeln und neues Terrain betreten, so Stirnimann in einer Medienmitteilung der Baloise Session. Dieses «neue Terrain» dürfen die Kinder durch Vanessa Feller-Jung genauer kennenlernen. Die Klasse wird aufgeteilt. Der eine Teil studiert den Refrain von Sigas Song «Da für dich» in Gebärdensprache ein, beim Rapper im Nebenzimmer wird Rhythmus und Groove geübt.
Das gehörlose Mädchen trägt ein Hörgerät, das per Knopfdruck von Siga aktiviert wird, damit sie auch an diesem Teil des Workshops ohne Probleme teilhaben kann. Nach den Proben finden sich alle Kinder wieder im Klassenzimmer zusammen und dürfen das Geübte vorführen. Obwohl das Lied einem sehr schnellen Rhythmus folgt, zeigen die Schülerinnen und Schüler eine überrschend flüssige Performance. Anschliessend wird applaudiert – natürlich ebenfalls in Gebärdensprache. Der musikalische Morgen neigt sich dem Ende zu und die Kinder wollen die Gäste gar nicht mehr gehen lassen. Sie bedanken sich inbrünstig. Natürlich wird etwas schüchtern auch noch nach dem einen oder anderen Autogramm gefragt. Eine Herzensangelegenheit für den Rapper, die er bestimmt gerne ausgeführt hat.
Inspiriert durch Denzel Washington
mef. Als Siva Ganesu mit seiner Mutter vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka (1983–2009) flüchten musste, kam er nach Deutschland. Dort absolvierte er seine schulische Ausbildung und Lehre zum Industriemechaniker. In seiner Jugend fand er Gefallen an der Rap-Szene und schrieb selber Texte, die er auch aufführte. 2009 gelang es ihm, einen Job als Personalschützer bei einer Sicherheitsfirma in Zürich zu ergattern. Die Veröffentlichung seiner Musik war ihm jedoch strengstens untersagt. Während dieser Zeit kam er in Kontakt mit bekannten Persönlichkeiten wie Tina Turner, Paris Hilton und Denzel Washington. Letzterer war der Auslöser für Ganesus Motivation, sich wieder der Musik zu widmen. Während einer Autofahrt hatte der amerikanische Schauspieler ihn zu einem Rap-Battle aufgefordert und Ganesu hatte einen seiner Texte vorgetragen. Daraufhin sprach Washington die Worte, die Ganesus Leben für immer verändern sollten: «You have talent, use it and believe in yourself!»