Brockenstuben-Einbrecher klaut in aller Ruhe vor Überwachungskameras
Maskiert und mit speziellem Werkzeug ausgerüstet stiehlt ein Mann morgens um halb fünf eine Luftmatratze aus der Sissacher Brockenstube. Er flieht mit Velo und Anhänger. Nikodemus-Präsident ...
Brockenstuben-Einbrecher klaut in aller Ruhe vor Überwachungskameras
Maskiert und mit speziellem Werkzeug ausgerüstet stiehlt ein Mann morgens um halb fünf eine Luftmatratze aus der Sissacher Brockenstube. Er flieht mit Velo und Anhänger. Nikodemus-Präsident Daniel Löffel reibt sich die Augen.
Peter Sennhauser
«Der geht so komisch: Fast scheint es, als ob er sich auch noch Plastiksäcke über die Schuhe gezogen hat», mutmasst Daniel Löffel vom Sissacher Brockenhaus Nikodemus. Tatsächlich scheint der Dieb auf dem Video auf alles vorbereitet – auch auf die Kamera: Er ist maskiert, unauffällig gekleidet und trägt Käppi und Handschuhe. «Und er hatte ein Spezialwerkzeug dabei: Eine Stange, an die er mit Rohrschellen einen Dolch befestigt hat», staunt Löffel.
In aller Seelenruhe steigt der Mann auf eine Bockleiter und schneidet den einen Spanngurt durch, dann, nachdem er die Leiter verschoben hat, den anderen. Er behändigt die blau-weisse Massage-Luftmatratze, lädt sie auf den Anhänger an seinem Velo und fährt Richtung Osten davon. Dauer der Aktion: volle 7 Minuten. Wert des Diebesguts: «Bei uns vielleicht 50 Franken. Und wenn er sie unbedingt haben musste, hätte er mit mir reden können», meint Löffel.
«Er kann’s abarbeiten»
Ihn erstaunt vor allem die Dreistigkeit des Vorgehens. «Ich möchte immer noch glauben, dass wir uns hierzulande noch so weit vertrauen können, dass wir nicht alles wegschliessen müssen.» Natürlich ist das offene Lager der Brockenstube unter dem Dach des Bahnschuppens kein Hochsicherheitsdepot. Andererseits handelt es sich bei der Ware auch nicht um wertvolle Raritäten. Und schliesslich hat Löffel das Haus rundherum mit Kameras ausgestattet – was den «Profi» mit dem Veloanhänger offensichtlich nicht abgeschreckt hat.
Löffel hat das Video auf «Facebook» veröffentlicht in der Hoffnung, dass jemand den Mann mit der auffälligen Matratze am frühen Morgen gesehen hat. Ihm geht es nicht um den finanziellen Schaden: «Ich möchte eine Entschuldigung. Wenn ich ihn identifiziere, kann er die Sache bei mir abarbeiten – oder aber er hat eine Anzeige bei der Polizei zu gewärtigen.»
Neue Verhältnissmässigkeit
Löffel sei immer für eine gütliche Lösung, und das habe sich schon mehrfach bewährt. In diesem Fall staune er über die Verhältnismässigkeit: «Wie kann man sich so viel Mühe geben für einen solchen Diebstahl – für einen Gegenwert, über den wir jederzeit reden könnten?»
Er beobachte generell eine sinkende Hemmschwelle. «In der Brockenstube ist eine Trinkgeld-Kasse von der Theke gestohlen worden – am hellen Tag. Im alten Schweinestall, wo ich nur Metallobjekte lagere, wurde serienmässig eingebrochen, bis ich Kameras installiert habe.» Und vor seinem Haus in Sissach seien die teuren Pflanzenbehälter mutwillig zerstört worden. «Es ist schade, aber ich will mich nicht an diese Umstände gewöhnen, will selbst wieder besser hinhören und hinsehen», meint Löffel.