Prämienabzug für alle?
05.06.2025 Politik, SissachSabine Bucher, Landrätin GLP, Sissach
Die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung voll bei den Steuern abziehen – das klingt auf den ersten Blick verlockend. An unserer nächsten Landratssitzung werden wir uns mit der Initiative «Prämienabzug für alle» beschäftigen. Bald werden Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, im Rahmen einer kantonalen Abstimmung darüber entscheiden dürfen. Als Steuerexpertin habe ich mich vertieft mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Mein Ziel ist es, zur sachlichen Aufklärung der mit der Initiative verbundenen Konsequenzen beizutragen. Deshalb teile ich hier meine drei wichtigsten Erkenntnisse.
1. Hinter den Titel der Initiative «Weniger Steuern» ist ein Fragezeichen zu setzen. Für die Gemeinden würde der vollständige Prämienabzug zu Steuerausfällen von rund 55 Millionen Franken führen. Wie viele Oberbaselbieter Gemeinden müssten deshalb wohl ihren Steuerfuss erhöhen, um ihre laufenden Ausgaben zu decken? Dem Kanton würden durch diesen Prämienabzug jährlich rund 90 Millionen Franken in der Kasse fehlen, Tendenz steigend. Dadurch verliert er den Spielraum für seine schon seit längerer Zeit angekündigte Tarifsenkung für mittlere und hohe Einkommen.
2. «Das Ausfüllen der Steuererklärung soll wenig Zeit und ihre Überprüfung wenig Kontrollaufwand erfordern.» So verlangt es Paragraf 133a unserer Kantonsverfassung. Diesen Grundsatz missachtet die Initiative völlig, da der Verwaltungsaufwand für die Steuerveranlagung zweifellos steigen würde.
3. Ein möglicher Steuerabzug ist immer auch ein Anreiz, diesen auszuschöpfen. Dadurch sinkt die Motivation, sich um möglichst tiefe Prämien zu bemühen. Und es wird auch Personen geben, die bewusst ein teures und bequemes Versicherungsmodell wählen, um von einem möglichst hohen Steuerabzug zu profitieren. Somit würden zwar (allenfalls) die Steuern etwas tiefer ausfallen, die Gesundheitskosten in unserem Kanton aber noch drastischer ansteigen.
Ein voller Abzug der effektiven Prämien ist also nicht nur finanziell fragwürdig, sondern auch gesundheitspolitisch kontraproduktiv. Für weitere Informationen empfehle ich Ihnen die Vorlage des Regierungsrats. Er hat die Schlagworte «massiver Steuerausfall», «nicht verantwortbar», «Prämienverbilligungsmodell», «Symptombekämpfung», «Fehlanreiz» und
«Vollzugsaufwand» bereits in der einleitenden Übersicht fett geschrieben und legt einen Gegenvorschlag vor.
Wir von der GLP haben eine Idee ausgearbeitet, die das Bedürfnis nach höherem Prämienabzug aufnimmt und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für die Steuerbehörden reduziert; sie würde die Gefahr des Gesundheitskostenanstiegs durch steuerliche Fehlanreize beseitigen, und die Steuerausfälle wären vergleichsweise gering. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Wenn Sie interessiert sind, können Sie unserer Landratssitzung am 12. Juni im Livestream folgen (ab ca. 10.45 Uhr), mein Statement zum Traktandum 10 später im Videoarchiv nachschauen oder den nach dieser Ankündigung vermutlich folgenden Bericht in der «Volksstimme» dazu lesen.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.