Nusshof umwirbt Wintersingen
11.12.2025 Nusshofhat zunehmend Mühe, Personal für die Ämter auf Gemeindeebene zu finden. Unter anderem deswegen umwirbt der Gemeinderat die Nachbargemeinde Wintersingen für eine gemeinsame Zukunft. Dort werden die Avancen nüchtern zur Kenntnis genommen.
Christian ...
hat zunehmend Mühe, Personal für die Ämter auf Gemeindeebene zu finden. Unter anderem deswegen umwirbt der Gemeinderat die Nachbargemeinde Wintersingen für eine gemeinsame Zukunft. Dort werden die Avancen nüchtern zur Kenntnis genommen.
Christian Horisberger
Seit sich Biel und Benken 1972 zusammengeschlossen haben, ist es im Baselbiet zu keiner weiteren Gemeindefusion gekommen. Dass unser Kanton kein fruchtbarer Boden für Fusionen ist, wurde jüngst mit dem Hersberger Nein zur Heirat mit Arisdorf bestätigt. Dennoch stehen in Rünenberg, Kilchberg und Zeglingen («Rü-Ki-Ze») die Zeichen derzeit auf Fusion (die «Volksstimme» berichtet laufend) und der Landrat wird schon bald über eine Mitgift des Kantons bei Gemeindefusionen entscheiden (die «Volksstimme» berichtete).
Vor diesem Hintergrund wirbt nun der Nusshöfer Gemeinderat um die Gunst der Nachbargemeinde Wintersingen. Zaghaft noch: Gemeindepräsident Rolf Wirz orientierte die Gemeindeversammlung vergangene Woche über ein informelles Treffen der Gemeinderäte zum Thema, das im Herbst stattgefunden hatte. Darin seien eine intensivere Zusammenarbeit, möglicherweise auch eine Fusion zur Sprache gekommen. Beschlüsse seien keine gefasst worden.
Am Montag hat nun auch der Wintersinger Gemeindepräsident Michael Schaffner die Bevölkerung an der Budget-«Gmäini» über jenes Treffen ins Bild gesetzt. Wobei ihm das «Regionaljournal Basel Baselland» von SRF die Überraschung verdorben hatte: Aufgrund einer Nusshöfer Informationspanne hatte die SRF-Lokalredaktion bereits berichtet.
Als Schaffner am vergangenen Montagabend nach seiner knappen Orientierung zum informellen Treffen, bei dem keine Beschlüsse gefasst worden seien, die gut 40 Anwesenden aufforderte, sich zum Thema zu äussern, herrschte Schweigen. Als sich dann doch eine ältere Dame zu Wort meldete, ging es ihr nicht um eine Fusion, sondern um den neuen Busfahrplan. Ein anderer Versammlungsteilnehmer erkundigte sich nach dem Stand beim Umbau der Bushaltestelle und ein dritter hatte eine Frage zur LED-Strassenbeleuchtung. Zum vermeintlich brisanten Thema Gemeindefusion wurde keine Frage gestellt, keine Protestnote deponiert und auch kein positives Signal ausgesandt. Nichts.
«Keine Angst vor Fusion»
Er hätte eigentlich schon mit einigen Fragen oder Bemerkungen gerechnet, sagte Gemeindepräsident Schaffner nach der Versammlung zur «Volksstimme». Das Schweigen könne dahingehend interpretiert werden, dass den Wintersingern das Thema Fusion keine Angst macht. Bisher sei es ja auch gar nicht mehr als ein Beschnuppern gewesen. Sobald etwas Konkretes auf dem Tisch liege, werde sicherlich diskutiert. Für ihn persönlich gelte, für Neues offen zu sein, um sein Dorf weiterzubringen, so Schaffner: «Wer zu einer möglichen Entwicklung im Vornherein Nein sagt, ist in einem Gemeinderat fehl am Platz.»
Das Gespräch über eine zukünftige engere Zusammenarbeit hatte der Mitte kommenden Jahres zurücktretende Nusshöfer Gemeindepräsident Rolf Wirz initiiert. Für ihn stehen Personalsorgen im Vordergrund: «Der Gemeinderat wie auch verschiedene Kommissionen werden in Zukunft nicht leichter zu besetzen sein», sagt er gegenüber der «Volksstimme». Der Schuh drücke aber auch bei den Finanzen: «Nusshof hat grundsätzlich gute Steuerzahler, es reicht aber je nachdem nicht immer, um die nötigen Aufgaben zu finanzieren.» In einem grösseren Gebilde bestehe die Möglichkeit, verschiedene Aufgaben effizienter zu organisieren.
Die Nachbarn arbeiten bereits auf mehreren Ebenen zusammen. Sie betreiben gemeinsam eine Kreisschule, die Verwaltung von Nusshof ist nach Wintersingen ausgelagert und die Einwohnerinnen und Einwohner beider Dörfer besuchen in derselben Kirche den Gottesdienst. Beide Gemeinden gehören bereits dem gleichen Zivilschutzverband an und in naher Zukunft auch derselben Feuerwehr, wenn sich auch Wintersingen der Stützpunktfeuerwehr Sissach angeschlossen haben wird (siehe Box).
In eine mögliche Ehe einbringen könnte Nusshof gute Steuerzahlende und Effizienzgewinne beim Werkhof oder auch bei Unterhaltsarbeiten, sagt Wirz. Er weist zudem auf einen Vorteil der bescheidenen Infrastruktur seines Dorfs hin: Sie benötige wenig Unterhalt. Auf Vorteile einer Fusion für sein Dorf angesprochen, sagte der Wintersinger Präsident, dass es auch in seinem Dorf zunehmend schwieriger werde, die Ämter zu besetzen.
Eher positiv
Wie schon bei der Versammlung sei eine Fusion auch beim anschliessenden Umtrunk im kürzlich wiedereröffneten Bistro im Gemeindehaus nicht diskutiert worden, sagte Michael Schaffner am Tag danach. Wirz hatte bereits am Freitag vor der Wintersinger «Gmäini» als Gast am «Chlausen-Hock» des Musikvereins Wintersingen teilgenommen. Dort habe er sich wegen der Nusshöfer Informationspanne «ein paar Sprüche anhören dürfen», wie er sagt. Das Thema werde da und dort sicherlich kontrovers diskutiert, so Wirz weiter, er habe bisher aber einige positive Reaktionen erhalten. Dies gilt auch für den Bericht des «Regionaljournals» von der Nusshöfer Gemeindeversammlung. Die vom Sender befragten Teilnehmenden äusserten sich mehrheitlich befürwortend.
Aufgrund der grundsätzlich neutralen oder positiven Haltung zu einer vertieften Zusammenarbeit dürfte es weitere Gespräche zwischen den Gemeinderäten geben, schätzt Michael Schaffner. Wann und wie weit diese gehen, sei offen. «Wir stehen ganz am Anfang», sagt Wirz. «Die beiden Gemeinderäte müssten sich von den Gemeindeversammlungen grundsätzlich einmal Aufträge erteilen lassen.» Ob dabei auch weitere Gemeinden, zum Beispiel Sissach, eine Rolle spielen könnten, dazu sagt der Nusshöfer Präsident nichts Konkretes: «Man muss ja einmal irgendwo anfangen und sollte nicht zu viel wollen.»
Budgetdefizit und Feuerwehr-Anschluss
ch. Auch wenn das Budget 2026 bei Ausgaben von 4,25 Millionen Franken einen Verlust von 75 000 Franken prognostiziert, dürfen die Wintersinger Finanzen als stabil bezeichnet werden. Die Gemeinde wird Ende 2026 immer noch über 1,85 Millionen Franken Eigenkapital verfügen.
Aus den Ausführungen des Gemeindepräsidenten Michael Schaffner zur Erfolgsrechnung ging hervor, dass mit gleichbleibenden Steuereinnahmen von 1,36 Millionen Franken ausgegangen wird. Der Finanzausgleich werde 2026 voraussichtlich um 70 000 Franken höher ausfallen als im Budget 2025. 30 000 Franken weniger ausgeben muss Wintersingen nächstes Jahr für die Altersversorgung. Dafür werden Sozialhilfe und Kesb um 74 000 Franken teurer werden als im laufenden Jahr.
Nur kurz zu reden gab eine Anpassung bei den Entgelten für die Gemeinderatsmitglieder. Der Präsident erhält neu eine Jahrespauschale von 17 000 Franken (zuvor 15 000 Franken), mit der alle Leistungen, die das Amt mit sich bringt, mit Ausnahme von Telefon- und Kilometerspesen, abgegolten werden. Der Vizepräsident erhält 11 000 (9500) und die restlichen 3 Gemeinderatsmitglieder 9000 (8000) Franken. Im Gegenzug gestrichen wird eine bisher separate Zahlung an die Ratsmitglieder von jeweils 1500 Franken. Unter dem Strich «kostet» diese Anpassung der Gemeinderatsentschädigung somit lediglich 1000 Franken. Das Budget mit den angepassten Entgelten und unverändertem Steuerfuss von 56 Prozent wurde einstimmig gutgeheissen.
Der Gemeindepräsident orientierte die Versammlung über die Zukunft der Feuerwehr. Da dem Korps die Kadermitglieder ausgehen, hat sich Wintersingen nach einer Partner-Feuerwehr umgesehen. Für die favorisierte Lösung des Gemeinderats, eine Fusion mit Magden-Olsberg, konnten sich die Nachbarn im Aargau nicht erwärmen. Also werde man sich der Stützpunktfeuerwehr Sissach anschliessen. Der entsprechende Vertrag werde im kommenden Jahr ausgearbeitet und per 2027 erfolge der Anschluss. Bis dahin werde die Zusammenarbeit mit Sissach in einer Leistungsvereinbarung geregelt, so Schaffner.
Eingangs der Versammlung hatte die Versammlung des im vergangenen Sommer verstorbenen Vizepräsidenten Hansruedi Müller gedacht. Im Anschluss darauf stellte sich dessen Nachfolger Pascal Bürgi den Stimmberechtigten vor.
Zum Abschluss der Gemeindeversammlung verabschiedete der Gemeinderat Finanzverwalterin Heidi Sprenger, die Ende Januar 2026 pensioniert wird. Der Präsident dankte ihr für 15 «wunderbare Jahre voller Vertrauen, Herz und Humor». Ganz von der Bildfläche verschwinden wird Sprenger nicht, da sie ihre Nachfolgerin Karin Studer noch einarbeiten wird.

