Nostalgische Gefühle und ein Dilemma
09.02.2024 RothenfluhDas frühere Restaurant Bad steht zum Verkauf
Das bereits seit Jahren geschlossene «Bad Rothenfluh» soll in neue Hände gehen. Kürzlich fand ein Flohmarkt statt, bei dem Hausrat verkauft und Erinnerungen an vergangene Zeiten ausgetauscht wurden.
...Das frühere Restaurant Bad steht zum Verkauf
Das bereits seit Jahren geschlossene «Bad Rothenfluh» soll in neue Hände gehen. Kürzlich fand ein Flohmarkt statt, bei dem Hausrat verkauft und Erinnerungen an vergangene Zeiten ausgetauscht wurden.
Christian Horisberger
Der Gasthof zum Bad: Ein Immobilienmakler würde von einer «einzigartigen Liegenschaft mit Potenzial» sprechen, ein kühler Rechner von einem «Renditeobjekt». Nelly Zürcher, die Eigentümerin, nennt es das «Haus mit den schönen Augen». Dennoch will sie sich davon trennen und veranstaltete kürzlich einen Flohmarkt, um Werkzeug, Bücher, Kleider, einzelne Möbelstücke, etwas Küchenzubehör und Krimskrams loszuwerden.
Das Zeitungsinserat für einen «Hausflohmarkt im ehemaligen Restaurant Bad Rothenfluh» blieb nicht ohne Wirkung: Zu Beginn stand ein professioneller Flohmarkthändler in der Tür und bot an, die ganze Ware auf einen Schlag zu kaufen. Zürcher verzichtete. Das Gebot wäre wohl höchst bescheiden gewesen, sagt sie, und der Markt zu Ende, ehe er begonnen hätte, wenn sie auf den Deal eingegangen wäre. Und all die Leute, die dann noch kommen, enttäuschen? Nein!
Neben den Interessentinnen und Interessenten an Nelly Zürchers Hausrat – die Gastro-Küchengeräte und das Beizenmobiliar hat sie schon vor Jahren weggegeben – fanden sich auch einige Frauen und Männer der Erinnerungen wegen in der ehemaligen Gaststube ein. So der Mann um die 50, den sie in Wittnau den «Mühlibueb» nennen. Er erzählte, wie einst die jungen Männer von der anderen Seite des Wittnauer Bergs während der Fasnacht die Beiz «zerlegt» hätten, aber nach dem Ausnüchtern zurückgekehrt seien, um den angerichteten Schaden zu bezahlen. Oder die Gelterkinderin, Mitte 50, deren Urgrossvater hier gewirtet habe. Ihre Grossmutter, die hier aufwuchs, habe ihr berichtet, wie sie sonntags jeweils zu Fuss zum katholischen Gottesdienst nach Wittnau marschiert sei.
Eisenhaltiges Quellwasser
Die Geschichte des Gastronomieund Badebetriebs geht zurück aufs Jahr 1860. Damals hatten Jakob Sept und Johann Dietschin-Fäsch aus Basel die Gasthof- und Betriebsbewilligung erhalten, wie in der Heimatkunde von Rothenfluh nachzulesen ist. Gebadet wurde im eisenhaltigen Wasser der Quelle aus dem Odenthal oder in Solewasser aus Rheinfelden. Noch steht das Badehaus, doch für Gäste zugänglich ist es seit vielen Jahrzehnten nicht mehr.
Die Schrift über der Eingangstüre «Gasthof zum Bad» ist eine Mogelpackung: 2005 hatte sich die letzte «Bad»-Wirtin Clara Rüegsegger zur Ruhe gesetzt und die Liegenschaft mit Restaurant und grosser Gartenterrasse an der Wittnauerstrasse, ganz hinten im Tal, in private Hände gegeben: an die Wirtschaftsinformatikerin Nelly Zürcher Heid und ihren Ehemann Dieter, Schreiner und Metallbauer. Seither wurde im Lokal nur noch bei Familienfeiern und Firmenanlässen, fürs Hutzgüri und seine Gesellen und jeweils nach der Holzgant gewirtet. An die Gaststube von damals erinnern nur noch der Kachelofen und der grosse, offene Raum, in dem mühelos ein Dutzend Beizentische Platz fänden.
Wie es mit dem Haus weitergeht, ist offen. Die 62-jährige Eigentümerin wird ihren nächsten Lebensabschnitt in Finnland verbringen. In jenem Land, in das sie sich gleich beim ersten Besuch bei einer Freundin verliebt hat, wie damals in dieses spezielle Haus in Rothenfluh. Um sich im Norden eine Existenz aufbauen zu können, trenne sie sich nun vom «Bad». Das Loslassen fällt Nelly Zürcher nicht schwer: «Ich habe hier gelacht, geweint, Schönes und weniger Schönes erlebt. Nun ist es an der Zeit, für das nächste Kapitel des geschichtsträchtigen Gebäudes einen neuen Autor zu finden», sagt sie.
Aufgrund laufender und umfassender Sanierungen in den vergangenen 20 Jahren sei das Haus in einem guten baulichen Zustand, die Haustechnik grösstenteils erneuert. Den Verkaufspreis möchte Zürcher in der Zeitung nicht öffentlich machen. Gemessen am grossen Gebäudevolumen und Grundstück mit Gartenwirtschaft und den getätigten Investitionen darf er als sehr moderat bezeichnet werden. Trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass sich ein Käufer findet, der das «Bad» wieder als Ausflugsbeiz führen will. Eine auf Gastro-Liegenschaften spezialisierte Beratungsfirma habe dem Lokal, nicht zuletzt wegen des fehlenden Ausblicks und weil es auch nicht direkt an einer Wanderroute liegt, keine gute Prognose gestellt, sagt Zürcher: «Es hiess, es gebe bessere Objekte auf dem Markt.»
Strenge Zonenvorschriften
Gegen einen Verkauf des Wirtshauses samt 14-Aren-Grundstück ausschliesslich für Wohnnutzen spricht der gültige Zonenplan: Der Gasthof zum Bad befindet sich innerhalb der Landschaftsszone in der Spezialzone Ausflugsziele. Demnach sind Wohnungen nur für standortgebundenes Personal zugelassen. Sprich: Angestellte der Gastronomie.
Eine Änderung des Zonenplans könnte den Knoten lösen, und es gäbe auch schon einen Interessenten für das Haus, das von den beiden imposanten Gewölbekellern bis unters Dachgebälk sieben Etagen und das Potenzial für drei Wohnungen aufweist. Doch das Prozedere dorthin ist nicht ohne. Seitens Kanton, so Zürcher, müssten zur Zonenplanänderung der Ebenrain, das Bauinspektorat und das Amt für Raumplanung zustimmen und das letzte Wort hätte die Einwohnergemeindeversammlung.
Nelly Zürcher wünscht dem «Bad» neue Besitzer, die – sei es auch nur in bescheidenem Rahmen – Gastfreundschaft pflegen und positive Energie ins Haus bringen.