Noch ist der Begriff «Fusion» ein Reizwort
31.10.2023 BaselbietRegierung sieht keine Grundlage, um Zusammenschlüsse zu fördern
Mit dem Zusammenschluss von Kleingemeinden im Kanton Baselland harzt es. Es fehlt nicht nur am politischen Willen, sondern auch an den rechtlichen Grundlagen. Dies, weil sich der Landrat 2017 gegen das ...
Regierung sieht keine Grundlage, um Zusammenschlüsse zu fördern
Mit dem Zusammenschluss von Kleingemeinden im Kanton Baselland harzt es. Es fehlt nicht nur am politischen Willen, sondern auch an den rechtlichen Grundlagen. Dies, weil sich der Landrat 2017 gegen das Gemeinderegionengesetz wehrte.
Thomas Gubler
Der Begriff «Fusion» ist im Kanton Baselland belastet. Und wer vermutet, das hänge mit den letztmals 2014 grandios gescheiterten Bestrebungen zusammen, den Landkanton mit Basel-Stadt zu fusionieren, dürfte kaum falschliegen. Eine Kantonsfusion fiel damals, am 28. September 2014, mit 66 Prozent Nein-Stimmen auf unabsehbare Zeit aus Verabschiedung und Traktandum. Und zwar so radikal, dass nicht nur die Kantons-, sondern gleich auch die Gemeindeebene davon betroffen wurde: Dass der Kanton gezielt eine Gemeindefusion anstossen würde, schien undenkbar.
Der frühere Regierungsrat und Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) erklärte jeweils, wenn er darauf angesprochen wurde: «Wir können nun einmal nicht schneller laufen, als die Musik spielt.»
Mittlerweile spielt die Musik etwas schneller. In den Gemeinden Hersberg und Arisdorf wird am 19. November über einen Zusammenschluss entschieden. Und der Kilchberger Gemeinderat nimmt mit Rünenberg und Zeglingen Verhandlungen über die Bildung einer Arbeitsgruppe auf mit dem Ziel einer Fusion. Dies vor allem, weil Kilchberg immer wieder Schwierigkeiten bekundet, Kandidatinnen und Kandidaten für den Gemeinderat zu rekrutieren beziehungsweise die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl Ratsmitglieder zu stellen. Zurzeit ist denn auch infolge einer nicht zu beseitigenden Vakanz im Gemeinderat die frühere Gelterkinder Gemeindepräsidentin Christine Mangold als regierungsrätliche Statthalter-Gemeinderätin eingesetzt.
Keine Euphorie in Hersberg
Ist die Musik also plötzlich im Begriff, die Marschierenden zu überholen? Zumindest derzeit noch nicht. Der Ausgang des Urnengangs in Hersberg erscheint, anders als in Arisdorf, offen. Die Abstimmung an der Hersberger Gemeindeversammlung liess bei 68 Ja zu 44 Nein (110 zu 14 in Arisdorf) jedenfalls keine Euphorie aufkommen. Und was eine Fusion von Kilchberg-Zeglingen-Rünenberg betrifft, so wird etwa dem Zeglinger Gemeindepräsidenten eine gewisse Zurückhaltung nachgesagt.
Was in den vergangenen 20 Jahren im Kanton Aargau mit Erfolg betrieben wurde – nicht weniger als 22 Zusammenschlüsse verzeichnete der Nachbarkanton in dieser Zeit –, kam bisher im Baselbiet nicht voran. Die letzte und bisher einzige Fusion datiert von 1972, als Biel und Benken sich zu Biel-Benken zusammenschlossen.
Fehlende rechtliche Grundlage
Kein Wunder, dass externe Beobachter Mühe haben, die Baselbieter Zurückhaltung – um nicht zu sagen Abneigung – gegen Fusionen jeglicher Art zu verstehen und sich fragen, warum hier nichts geschieht, obschon kleine Gemeinden immer wieder Mühe haben, die Gemeindebehörden gesetzeskonform zu bestücken. Möglicherweise sieht man angesichts eines wohldotierten Finanzausgleichs vielerorts noch keine Notwendigkeit, etwas zu verändern.
Dass «Liestal» derzeit auch nicht eben viel unternimmt, um Gemeindefusionen zu fördern, hat seine Gründe. Die Regierung jedenfalls kann sich elegant aus der Affäre ziehen. Finanzdirektor Anton Lauber («Mitte»), dem auch das Gemeindewesen untersteht, hatte 2016 mit seinem Gemeinderegionengesetz auch umfassende Rechtsgrundlagen für Gemeindefusionen vorgeschlagen. Diese hätten eine Fusionsförderung durch den Kanton mit Rat und Tat, aber auch mit finanziellen Anreizen beinhaltet. Doch der Landrat hat die ambitiöse und dadurch vielleicht etwas überladene Vorlage Ende 2017 mit seinem Nichteintretensentscheid vom Tisch gefegt und der Regierung die Hände gebunden.
Seither herrscht diesbezüglich Funkstille beziehungsweise Stillstand bei der kantonalen Fusionsförderung. Und es scheint auch nicht so, als ob sich daran so schnell etwas ändern sollte. Die Leiterin der Stabsstelle Gemeinden in der Finanz- und Kirchendirektion, Miriam Bucher, teilt auf Anfrage der «Volksstimme» jedenfalls mit, der Landrat habe entschieden, dass das Thema Fusion nicht Sache des Kantons sei. «Und das gilt noch immer. Eine allfällige Anpassung der gesetzlichen Grundlagen ist daher Sache des Gesetzgebers und wird vom Regierungsrat nicht angestossen», schreibt Miriam Bucher auf Anfrage.
Interpellation als erstes Zeichen
Eine erste scheue Aktivität des Gesetzgebers könnte man vielleicht in der Interpellation von Linard Candreia vom Juni dieses Jahres sehen. Darin fragt der Laufentaler SP-Landrat unter anderem, ob es denn nicht an der Zeit wäre, dass die Regierung eine Arbeitsgruppe einsetzen würde mit dem Ziel, «der wichtigen Frage nach Gemeindefusionen auf den Grund zu gehen».
Möglicherweise ergibt sich ja aus der Diskussion dieser Interpellation beziehungsweise der regierungsrätlichen Antwort ein entsprechender Auftrag des Parlaments an die Regierung, der verhindern könnte, dass die Musik die Marschierenden dereinst doch noch überholt.
Die Rechtsgrundlagen
gu. Zwar sind die Rechtsgrundlagen für eine Gemeindefusion im Kanton Baselland bescheiden, um nicht zu sagen rudimentär. Aber es gibt sie. Gemäss Artikel 36a des Gemeindegesetzes dürfen sich Einwohnergemeinden nämlich zusammenschliessen. Das können zwei sein oder, wie aktuell diskutiert im Fall von Kilchberg, Rünenberg und Zeglingen, auch mehrere. Die Fusion zu einer neuen Einwohnergemeinde geschieht mittels eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Im Falle einer Fusion gehen die Rechte und Pflichten der bisherigen Gemeinden auf die neue Einwohnergemeinde über. Die Amtsperioden der bisherigen Gemeindebehörden enden am Datum des Zusammenschlusses, und die der neuen Behörden beginnen. Sie dauern bis zum Ende der laufenden Amtsperiode.
Aufgrund dieser Rechtsgrundlage sind Gemeindefusionen wie im Fall Arisdorf-Hersberg oder Kilchberg-Rünenberg-Zeglingen also durchaus möglich. Die kantonalen Behörden haben aber keine Möglichkeit, diese aktiv zu fördern oder zu unterstützen. Das wäre im Gemeinderegionengesetz vorgesehen gewesen, auf das der Landrat 2017 aber nicht eingetreten ist.