«Nicht alles im Fussball ist nachvollziehbar»
11.07.2025 Sport, FussballTrotz Titelgewinn musste Jonas Uebersax den FCB verlassen
Nach einer erfolgreichen Saison erhielt Jonas Uebersax die Kündigung als U17-Trainer des FC Basel – ohne konkrete Begründung. Der Wittinsburger blickt zurück, erklärt, weshalb der Wechsel nach Winterthur ...
Trotz Titelgewinn musste Jonas Uebersax den FCB verlassen
Nach einer erfolgreichen Saison erhielt Jonas Uebersax die Kündigung als U17-Trainer des FC Basel – ohne konkrete Begründung. Der Wittinsburger blickt zurück, erklärt, weshalb der Wechsel nach Winterthur für ihn ein Schritt nach vorne ist, und verrät, warum er sich eine Rückkehr zum FCB dennoch vorstellen kann.
Luana Güntert
Herr Uebersax, Sie haben mit der U17 des FC Basel den Meistertitel geholt – dennoch hat der Verein Ihnen noch während der Saison gekündigt. Warum?
Jonas Uebersax: Das frage ich mich bis heute. Wir hatten eine herausragende Saison – auch die U16 und U19 wurden Meister, das Fanionteam holte das Double. Es war wohl die erfolgreichste Saison auf dem Campus seit 15 Jahren. Dennoch mussten ich und der Physiochef gehen und mehrere Betreuer haben freiwillig gekündigt. Ein konkreter Grund wurde keiner genannt – nur, dass wir im Zuge einer Umstrukturierung den Verein verlassen müssen. Das gehört im Fussball leider dazu: Es werden Entscheidungen getroffen, die nicht immer nachvollziehbar sind.
Wie viel bekamen Sie als Trainer von den strategischen Überlegungen der Vereinsführung mit?
Es gab Informationsveranstaltungen, die halfen, die langfristige Ausrichtung etwas zu verstehen. Letztlich war ich aber als U17-Trainer für den sportlichen Bereich und die Betreuung der Jugendlichen zuständig, nicht für Strategie- oder Strukturfragen.
Hatten Sie eine Vorahnung, dass Ihre Kündigung bevorstehen könnte?
Überhaupt nicht. Mir wurde immer signalisiert, dass ich gute Arbeit leiste, und die sportlichen Resultate sowie die Entwicklung der Spieler haben das unterstrichen. Der FCB betont offiziell, auf regionale Trainer und Spieler zu setzen. Ich komme aus der Region, war selbst acht Jahre im FCB-Nachwuchs, habe diverse Trainerdiplome sowie ein Sportstudium bis zum Master abgeschlossen – ich sah keinen Grund, der gegen mich gesprochen hätte. Auch viele Bekannte haben mir nach der Kündigung gesagt, dass sie den Entscheid nicht nachvollziehen können. Spätestens da wurde mir klar: Nicht alles hat mit Leistung zu tun, manches ist einfach «politisch» motiviert. Zudem ist eine Kündigung auch nicht immer schlecht.
Wie meinen Sie das?
Mir wurde bis dahin noch nie gekündigt. Doch das passiert den besten Trainern und lässt einen als Menschen daran wachsen. Zudem öffnen sich dadurch immer wieder neue Türen.
Trotz Unruhe im Klub war die Saison sehr erfolgreich. Woran lag das?
Wir Trainer der U16, U17 und U19 haben sehr eng und konstruktiv zusammengearbeitet. Zudem haben wir Trainer trotz der Unruhen weiterhin unsere Arbeit, die jungen Spieler zu entwickeln und ihnen zu helfen, professionell weitergeführt. Neben der Qualität der Spieler war die gute Atmosphäre im Trainer- und Betreuerteam der jeweiligen Mannschaften sicher ein Schlüssel zum Erfolg.
Aber es lief nicht immer rund, oder?
Richtig. Zu Beginn der Rückrunde, nach der Bekanntgabe, dass Martin Andermatt als Technischer Leiter des Nachwuchses nicht mehr die nötigen Kompetenzen innehatte und vieles personell und inhaltlich umstrukturiert wurde, herrschte zunächst viel Unruhe. Diese neuen Einflüsse haben sich über die ganze Rückrunde stark negativ bemerkbar gemacht. Letztlich konnten wir trotz der Turbulenzen beweisen, dass wir leistungsfähig sind.
Sie wurden einen Monat vor den Play-offs informiert, dass Sie gehen müssen. Wie sind Sie damit umgegangen?
Einige Tage nach Erhalt der Kündigung habe ich mein Team informiert. Mir war es wichtig, ehrlich zu sein und Gerüchte zu vermeiden – Ehrlichkeit ist ein Wert, den ich auch meinen Spielern vermittle. Die Mannschaft war betroffen und verständnislos. Doch gerade diese Nachricht hat das Team noch enger zusammengeschweisst. Sie wollten den Titel für mich holen – und das haben sie geschafft.
Wie schwer fiel Ihnen der Abschied von der Mannschaft?
Schwer. Die Spieler sind mit 16, 17 Jahren in einer sensiblen Phase – mitten in der Pubertät, mit Themen wie Schule, Ausbildung, einer ersten Freundin oder familiären Herausforderungen. Mir war es wichtig, ihnen nicht nur sportlich, sondern auch menschlich zur Seite zu stehen. Der Alltag eines Jugendspielers ist anspruchsvoll: Schule, Training, Regeneration, Privatleben – das alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht leicht. Deshalb habe ich immer Wert auf eine ganzheitliche Ausbildung gelegt. Nur etwa 3 Prozent aller jugendlichen Leistungssportler werden Profi – umso wichtiger ist es, dass sie auch ausserhalb des Fussballs Perspektiven haben und etwas von dieser intensiven Zeit mitnehmen können. Durch die vielen gemeinsamen Stunden baut man entsprechend enge Beziehungen auf, doch das Umfeld kann sich schnell ändern – auch dies ist ein Teil des Geschäfts.
Seit zwei Wochen stehen Sie bei der U21 des FC Winterthur an der Seitenlinie. Gab es weitere Angebote?
Ja, im Mai hatte ein Verein aus der Promotion League Interesse, entschied sich letztlich aber für einen anderen Trainer. Danach gab es noch einige Anfragen aus dem Juniorenbereich.
Warum fiel Ihre Wahl auf Winterthur?
Einerseits ist der Arbeitsweg von meinem Wohnort Gelterkinden aus machbar. Andererseits überzeugt mich die Philosophie des FCW: Das Miteinander, die Nachhaltigkeit und die Menschlichkeit stehen im Vordergrund – das entspricht auch meinen Werten. Zudem sehe ich grosses Potenzial im Verein und freue mich, ein Teil davon zu sein.
Sie wechselten von der U17-Elite in die 1. Liga. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Für mich ist das ein Schritt nach vorne. Die Spieler sind älter und spielen in einer Aktivliga, aber trotzdem ist es noch Junioren-Spitzenfussball. Ich kann meine Erfahrungen aus sieben Jahren im Aktivfussball mit drei Jahren im Junioren-Spitzenfussball vereinen.
Konnten Sie schon Unterschiede zum FCB feststellen?
Winterthur hat natürlich ein kleineres Budget. Ausserdem ist die Konkurrenz im Kanton Zürich gross – mit GC und dem FCZ gibt es zwei starke Klubs, die viele Talente anziehen. Deshalb ist der familiäre Zusammenhalt auf der Schützenwiese umso wichtiger. Es wird Wert auf die eigenen Spieler gelegt, die man versucht, in die erste Mannschaft zu bringen.
Wie nehmen Sie den Unterschied zwischen der U17 und der U21 wahr?
Viele U21-Spieler sind zwar volljährig, aber immer noch im Prozess des Erwachsenwerdens und somit einfach einen Schritt weiter in der Entwicklungsphase. Mein Team ist sehr jung – das ist herausfordernd, aber auch spannend. Einige konnten in die 1. Mannschaft reinschnuppern, was im Übergangsbereich speziell ist, da es den letzten Schritt darstellt. Die Spieler sind in der Regel reflektierter als in der U17 und bringen ihre Meinungen ein. Das verändert die Kommunikation.
Sie sind selbst erst 34 – wie ist das Verhältnis zu Spielern, die kaum jünger sind als Sie?
Der Altersunterschied ist doch mehr als 10 Jahre. Da ich ein junger Trainer bin, verstehe ich ihre Lebensrealität jedoch sehr gut. Langfristig geht es aber nicht ums Alter, sondern um gegenseitigen Respekt und eine gesunde Beziehung auf Augenhöhe.
Sie trainieren jetzt in der U21 Spieler, die es in die 1. Mannschaft geschafft haben oder kurz davor stehen. Woran erkennen Sie bei Spielern das Potenzial zum Profi?
Ein Spieler muss in allen Bereichen – technisch, mental, athletisch – solide sein und sollte in mindestens einem davon herausragen. Aber: Auch in der U21 kann man selten endgültig sagen, ob jemand den Sprung schafft.
Was meinen Sie damit konkret?
Oft herrscht die Erwartung, dass ein U21-Spieler fertig ausgebildet ist. Aber viele brauchen noch Zeit und vor allem: Spielpraxis. Der Unterschied zwischen U21- und Profi-Niveau ist enorm, etwa bei Ballgeschwindigkeit oder Physis. Diese Anpassung gelingt nur, wenn der Spieler die Chance erhält, sich in einem Profiteam zu entwickeln.
Ist es beim FCB ein Problem, dass zu wenig Junge den Sprung ins«Eins» schaffen?
Teilweise ja. Es gab Talente, die ins «Eins» geholt wurden – aber kaum Spielzeit erhielten. Ich bin überzeugt: Man muss den Mut haben, die Jungen zu integrieren. Der aktuelle Erfolg des Vereins könnte jetzt helfen, mehr in diese Richtung zu denken.
Sehen Sie Ihre Zukunft eher im Aktiv- oder im Nachwuchsbereich?
Ich kann mir beides vorstellen. Aber mein Ziel ist es, mich weiterzuentwickeln – und irgendwann an der Seitenlinie einer Profimannschaft zu stehen.
Könnten Sie sich vorstellen, zum FCB zurückzukehren?
Ja, in welcher Funktion auch immer. Die vergangenen Wochen waren nicht einfach, aber der FC Basel bleibt mein Herzensverein. Im Fussball gibt es ständig Veränderungen – vielleicht passt es irgendwann wieder. Momentan fühle ich mich aber sehr wohl in Winterthur und habe nicht vor, den Klub so bald wieder zu verlassen.
Noch eine persönliche Frage: Wie lebt es sich als Familienvater mit dieser Ungewissheit?
Meine Frau und ich haben uns vor einigen Jahren bewusst dafür entschieden, voll auf die Karte Fussball zu setzen – mit allem, was dazugehört. Wir mögen das Abenteuer. Klar, die vergangenen Monate waren turbulent – aber auch spannend. Unsere Tochter ist 15 Monate alt und noch nicht eingeschult, dadurch sind wir flexibel.
Zur Person
lug. Jonas Uebersax (34) wuchs in Wittinsburg auf und entdeckte als Knirps seine Liebe zum Fussball beim FC Diegten-Eptingen. Sein Talent zeigte sich früh, sodass er zum FC Basel wechselte, wo er mehrere Juniorenstufen durchlief. Kurz vor seinem 20. Geburtstag wechselte er wieder in die Regionalligen, wo er zuletzt in der Saison 2015/16 für den FC Gelterkinden spielte. Ab dann war er als Trainer engagiert, seit 2022 vollberuflich beim FCB. Zuerst bei der U16, danach bei der U17. Aktuell trainiert er die U21 des FC Winterthur. Er hat einen Master in Sportwissenschaften und Geografie und lebt in Gelterkinden.