Naturschützer und Pragmatiker
31.10.2025 RünenbergWas Gemeindepräsident Thomas Zumbrunn in seinem Dorf bewegt
Gemeinde-Initiative, Gemeindefusion, Naturschutzvereine-Zusammenschluss und Turnhallenneubau: Seit Thomas Zumbrunn in Rünenberg das Gemeindepräsidium übernommen hat, wurde am Fuss des Wisenbergs so einiges ...
Was Gemeindepräsident Thomas Zumbrunn in seinem Dorf bewegt
Gemeinde-Initiative, Gemeindefusion, Naturschutzvereine-Zusammenschluss und Turnhallenneubau: Seit Thomas Zumbrunn in Rünenberg das Gemeindepräsidium übernommen hat, wurde am Fuss des Wisenbergs so einiges angestossen. Am Ziel ist er längst nicht, denn es gefällt ihm, etwas zu bewegen.
Christian Horisberger
Die Rünenbergerinnen und Rünenberger werden morgen ihr neues Sport- und Kulturzentrum einweihen, auf das sie so lange gewartet haben. Wesentlichen Anteil daran, dass 2020 ein neuer Anlauf genommen wurde, nachdem ein erstes Bauprojekt an der Urne durchgefallen war, hat Thomas Zumbrunn, seit fünf Jahren Präsident des 800-Seelen-Dorfs auf dem sonnenverwöhnten Plateau. Auch nicht ganz unschuldig ist Zumbrunn daran, dass die Naturschutzvereine von Zeglingen/Kilchberg und Rünenberg fusionierten, als einem der Vereine das Personal ausging. Der neue Verein firmiert unter «Natur am Wisenberg».
Die Nachbargemeinden Rünenberg, Kilchberg und Zeglingen arbeiten auf Verwaltungsebene seit 25 Jahren zusammen. Kilchberg würde lieber heute als morgen mit der Gemeindefusion nachdoppeln, doch liessen die Avancen die beiden Nachbarn lange kalt, da sie für sich keinen Handlungsbedarf sahen. Gemeinsam mit dem Gemeinderat unterstützte Thomas Zumbrunn eine Auslegeordnung für eine engere Zusammenarbeit, deren Ergebnis alle Gemeinderatsmitglieder der drei Dörfer davon überzeugte, dass eine Fusion zumindest prüfenswert sei.
Derselbe Mann will mit einer Gemeinde-Initiative bewirken, dass andere Kantone die vollen Kosten ihrer Studierenden an der Universität Basel übernehmen und so den klammen Kanton Baselland als Mitträger der Basler Hochschule entlasten – und mit ihm die Gemeinden. Dafür müsste der Univertrag gekündigt werden.
«Noch nicht so viel erreicht»
Seit Thomas Zumbrunn in Rünenberg am Ruder ist, brachte er so einiges ins Rollen. Als «Macher» sieht er sich trotzdem nicht, wie er im Gespräch mit der «Volksstimme» sagt: «Ich habe noch nicht so viel erreicht.» Das Verdienst für das im zweiten Anlauf erfolgreiche Turnhallenprojekt für mehr als 8 Millionen Franken schiebt er dem Gesamt-Gemeinderat und der Baukommission zu und stellt nüchtern fest, dass die neue Halle einem Bedürfnis der Bevölkerung entsprochen habe und die Gemeinde sich den Neubau leisten könne – «und Warten hätte die Sache nicht besser gemacht».
Wenn nicht Macher, was dann? Mit «Pragmatiker» kann Zumbrunn eher leben. Als Gemeindepolitiker müsse man pragmatisch sein: Gelegenheiten, die sich bieten, nutzen, gute Lösungen suchen, Kompromisse eingehen und gute Argumente bringen. «Wer stattdessen versucht, jemandem etwas aufzuzwingen, fällt auf die Nase.»
Bisher hat sich der Gemeindepräsident im Amt keine blutige Nase geholt. Auch nicht, als er seinem Dorf im Verwaltungsverbund Rünenberg-Kilchberg-Zeglingen (Rü-Ki-Ze) mehr Einfluss sicherte, wie er es im Wahlkampf ums Präsidium versprochen hatte, und dort auch die Rollenverteilung zwischen Gemeinderäten und Verwaltung klärte. Und als die Baselbieter Ständerätin Maya Graf ihn wegen seiner Gemeindeinitiative rüffelte, weil die Universitäten keine Sache der Gemeinde seien, konterte er, dass der Anstoss von überall her kommen kann, wenn sich sonst keiner dafür einsetzt, dass die Kosten für die Universitäten endlich fair auf alle Kantone verteilt werden.
Der Revoluzzer, als den man ihn aufgrund dieses Engagements heute sehen kann, zeichnet sich in Zumbrunns Lebenslauf nicht unbedingt ab. Seine ersten Lebensjahre verbrachte der Sohn einer Pharmaassistentin und eines ETH-Elektroingenieurs in Volketswil und Kaiseraugst. Als er sechs war, zog die Familie nach Muttenz, wo er und seine jüngere Schwester aufwuchsen. Der Vater war eine Zeit lang bei der EVP, sein Elternhaus würde der Sohn aber nicht als politisch bezeichnen.
Schmetterlinge anstatt Fussball
Als Kind und Jugendlicher habe er lieber im Wald Nistkästen betreut oder sich um seine Schmetterlinge gekümmert, als mit Gleichaltrigen nach der Schule «tschutten» zu gehen, sagt er. Er war ein guter Schüler, und das Biologie-Studium an der Uni Basel bereitete ihm keine Probleme. Auch mit den Händen ist er nicht ungeschickt. Sein erstes Geld verdiente er als Progymnasiast in einem Ferienjob bei einer Sanitärfirma. Der Chef habe ihn als Handlanger einem Lehrling zugeteilt, erzählt er, dieser habe ihn auf der Baustelle bald schon selbstständig arbeiten lassen und selber eine ruhige Kugel geschoben.
So etwas widerspräche Zumbrunns Naturell. Er packt lieber an. Zum Beispiel bei Naturschutz-Einsätzen in Feld und Wald seit seiner Jugend oder bei seiner Doktorarbeit, die ihn in die Schärengebiete von Finnland führte, wo er die Metapopulationsdynamik von Wasserflöhen erforschte. Parallel zur Dissertation absolvierte er ein Statistik-Nachdiplomstudium. Es war die Basis für seinen Berufseinstieg: Als Statistiker im Universitätsspital Basel unterstützte er Mediziner bei klinischen Studien. Als er dort anfing, waren sie zu zweit, als er nach zehn Jahren ging, gehörten seinem Team 20 Mitarbeitende an. Während der Zeit im Unispital heiratete Zumbrunn die Hausärztin Stefanie Jegge, wurde Vater von zwei Kindern und zog 2015 nach Rünenberg, wo die junge Familie ein grosses, altes Bauernhaus kaufte und renovierte. Nur zwei Jahre später bewarb er sich um einen frei gewordenen Gemeinderatssitz und wurde als einziger Kandidat gewählt.
Das ist acht Jahre her. Die Kinder, ein Bub und ein Mädchen, sind nun 14 und 11, der Vater 48 Jahre alt. Obwohl er – jetzt als Co-Geschäftsführer von Pro Natura Baselland – «nur» ein 60-Prozent-Pensum hat, würden sie oft reklamieren, dass er zu viel arbeite, sagt Zumbrunn. Mit Blick auf all seine Aktivitäten bis hin zu den ausführlichen Berichterstattungen von Dorf- und Naturschutzanlässen im Gemeindeblatt, die er regelmässig verfasst, ist man als Aussenstehender geneigt, ihnen recht zu geben. Der Vater schmunzelt – und gibt keinen weiteren Kommentar ab.
Parteibeitritt ja, aber …
Was im Gespräch deutlich wird: Der Rünenberger Präsident mag die Arbeit für sein Dorf. Es reizt ihn, anzupacken, Dingen auf den Grund zu gehen, Ideen zu entwickeln und sie umzusetzen, wenn sie bezahlbar sind und sich dafür Mehrheiten finden lassen. Auch solche mit einer «grünen» Färbung, falls es sich anbietet: Bei der Turnhalle beispielsweise regte er an, Holz aus dem heimischen Forst zu verwenden.
Es überrascht nicht, dass Parteivertreter auf den initiativen – und parteilosen – Gemeindepräsidenten aufmerksam geworden sind. Von den Grünen liege ihm eine konkrete Anfrage für die Teilnahme an den nächsten Landratswahlen vor. Aufgrund seines Smartvote-Profils würden auch die Grünliberalen oder die EVP zu ihm passen. Und von allen Parteien – auch bürgerlichen – gebe es Anliegen, die er unterstütze.
Abgeneigt ist er nicht. Er könne sich eine Mitgliedschaft in einer Partei durchaus vorstellen, sagt Zumbrunn. Allerdings könne er nicht abschätzen, wie er und seine Partei miteinander zurechtkommen würden, wenn seine Meinung einmal von den Positionen der Partei abweicht. Denn er sei keiner, der sich das Maul verbieten lasse: «Ich mische mich ein, wenn für mich etwas nicht richtig läuft.»
Noch viel zu tun
In Rünenberg läuft es im Moment ganz prächtig: Morgen findet das grosse Einweihungsfest fürs Sportund Kulturzentrum statt, mit Besichtigung, Ansprachen, Darbietungen der Dorfvereine, Musik und Tanz. Zumbrunn wird den Moment zweifellos geniessen. Ebenso sicher ist, dass er sich hinterher nicht zurücklehnen wird: Vor wenigen Tagen startete das Mitwirkungsverfahren zum Räumlichen Entwicklungskonzept als Grundlage für die Totalrevision der Zonenvorschriften Siedlung, und am 11. November findet eine weitere Informationsveranstaltung zur Prüfung einer Fusion von «Rü-Ki-Ze» statt.
Neben diesen grossen Themen gibt es noch «viele kleinere Sachen», wie Zumbrunn sagt: Reglemente überarbeiten, den Unterhalt der Drainagen regeln, eine Bestandesaufnahme der gemeindeeigenen Landwirtschaftsparzellen machen et cetera. Und sein Kampf für eine faire Kostenverteilung der Uni Basel und der anderen kantonalen Universitäten hat eben erst begonnen …

