Mut oder Dummheit?
07.11.2025Manchmal frage ich mich schon, woher ich diesen Mut nehme, zu Beginn der Saison mein komplettes Material zu verändern. Von Sport-Orthesen, über Schuhe, zu neuen Snowboards bis hin zu einer neuen Position auf dem Snowboard. Um ehrlich zu sein, schwanke ich noch dazwischen, ob ich es Mut ...
Manchmal frage ich mich schon, woher ich diesen Mut nehme, zu Beginn der Saison mein komplettes Material zu verändern. Von Sport-Orthesen, über Schuhe, zu neuen Snowboards bis hin zu einer neuen Position auf dem Snowboard. Um ehrlich zu sein, schwanke ich noch dazwischen, ob ich es Mut oder Dummheit nennen soll.
Zumindest die Theorie besagte, dass mir all diese Veränderungen eigentlich helfen müssten. In den ersten Trainings konnte ich mit dem neuen Material jedoch kaum fahren, ich stand wie eine blutige Anfängerin auf dem Snowboard. Sollte ich gleich zurück zum alten System?
In vielen Bereichen erkannten wir zwar grosse Verbesserungen, tasteten uns bei den Herausforderungen auch langsam an Lösungen heran, doch während dem Training blieb nicht immer genügend Zeit dafür.
Um den Druck noch ein wenig zu erhöhen, stand natürlich bereits ein Dreh an, bei dem mich zwei Kameramänner begleiteten, während ich einen Slalom vorfahren sollte. Da weder für die anstehende Saison noch für diesen Dreh genügend Zeit blieb, kam mein Vater für drei Tage mit mir auf den Schnee und pröbelte gemeinsam mit mir an den unterschiedlichen Einstellungen herum.
Wir spielten mit den Möglichkeiten der Orthesen, testeten unterschiedliche Fersenkeile und auch die Positionen der Bindungen studierten wir. Es war ein intensiver Prozess, doch wir konnten mit jedem Test die Fahrtrichtung erkennen und somit auch Entscheidungen treffen. Von Abfahrt zu Abfahrt ging es besser.
Einige Tage später stand also dieser Termin auf dem Plan, ich musste vorfahren. Ich war super nervös und war begeistert, als ich realisierte wie direkt ich die Tore mit den neuen Einstellungen anfahren konnte und wie schnell mir der Kantenwechsel gelang. Auch die Trainerin, die mich zum Dreh begleitete, war überrascht. Also war es vielleicht doch eine gute Idee, dieses Risiko einzugehen?
Die Woche darauf gingen die Trainings auf dem Cross-Kurs weiter. Der erste Tag war eine pure Überforderung für mich. Das Niveau des Kurses zu hoch für mich und neben unserem waren noch ganz viele Teams aus dem regulären Leistungssport mit am Start. Mittendrin ich – mit meiner komplett neuen Ausrüstung. Es legte mich einige Male auf den Latz und die anfängliche Euphorie legte sich schnell. Hier fehlte mir ganz klar der Erfahrungswert des noch unbekannten Materials.
Am Tag darauf ging es mir zum Glück schon deutlich besser. Zurzeit sind wir jede Woche für mehrere Tage in Saas-Fee am Trainieren. Die hohe Belastung ist zwar anstrengend, doch all diese Schneestunden helfen mir, mich schnell an die neue Situation zu gewöhnen.
Um auf den Anfang zurückzukommen: Ja, ich glaube, es ist ein wenig verrückt, jetzt alles auf den Kopf zu stellen. Aber es lohnt sich dennoch, dran zu bleiben.
Drückt mir bitte die Daumen!
Romy Tschopp
Vom Rollstuhl aufs Snowboard: Die Sissacherin Romy Tschopp (1993) ist die erste Schweizer Para-Snowboarderin, die an Paralympischen Spielen teilnehmen konnte. Sie wurde 2023 Vizeweltmeisterin im Snowboardcross.

