Mit Herz und Handbuch
31.05.2025 ReigoldswilVerbandspräsidentin Monika Koch über die Arbeit der Jury am Jodlerfest
Welche Aufgabe hat die Jury beim anstehenden Jodlerfest in Reigoldswil? Wie wird bewertet? Monika Koch, Präsidentin des Nordwestschweizerischen Jodlerverbands, gibt Einblicke und spricht über die ...
Verbandspräsidentin Monika Koch über die Arbeit der Jury am Jodlerfest
Welche Aufgabe hat die Jury beim anstehenden Jodlerfest in Reigoldswil? Wie wird bewertet? Monika Koch, Präsidentin des Nordwestschweizerischen Jodlerverbands, gibt Einblicke und spricht über die Bedeutung von Fairness und Fachlichkeit beim Jodeln.
Melanie Frei
Wer Mitte Juni am 33. Nordwestschweizerischen Jodlerfest in Reigoldswil auftritt, zählt jede Silbe, jede Schwingung – und hofft, dass die Performance unter die Haut geht. Und dann? In wenigen Minuten bewerten drei Jury-Mitglieder den Auftritt – mit Gefühl und Gehör, Herz und musikalischem Sachverstand. Was klingt wie ein Widerspruch, ist ein ausgeklügeltes System. Dazu später mehr.
Monika Koch ist seit diesem Jahr Präsidentin des Nordwestschweizerischen Jodlerverbands und übernimmt beim kommenden Jodlerfest erstmals die Rolle der Jurypräsidentin. Diese Position bringt viel Verantwortung mit sich: Sie steht der Jury vor und stellt, wenn notwendig, Umsicht und Fairness sicher oder vermittelt bei Bedarf zwischen den Jurymitgliedern und den Teilnehmenden – jedoch ohne selbst Bewertungen abzugeben. «Ich bin vor, während und nach den Vorträgen für die Jury da», erklärt Koch.
An ihrer Seite in der Sparte Jodeln: Stephan Schüpbach als Gesamtobmann. Er hat die Übersicht über alle Jodlerinnen und Jodler, koordiniert, wer welchen Vortrag bewertet, informiert die Jurorinnen und Juroren, prüft die Unterlagen. «Er ist quasi der Dirigent der Jurymitglieder hinter den Kulissen, der die Fäden zusammenhält», so Koch.
Für das bevorstehende Fest vom 13. bis 15. Juni in Reigoldswil sind 149 Jodel-Darbietungen angemeldet. Für die Bewertung der Aufführungen sind jeweils drei Jurymitglieder zuständig – das ergibt einen grossen Bedarf an Personal. Insgesamt sind neben dem Gesamtobmann 22 Jurypersonen im Einsatz. «Das ist notwendig, weil die Vorträge im 10-Minuten-Takt stattfinden. Für faire Bewertungen braucht es konzentriertes, zügiges Arbeiten und personelle Rotation», erklärt Koch. Das gilt ebenso für die Sparten Alphorn- und Büchelblasen sowie für das Fahnenschwingen.
Es braucht Gespür
Bewertet werden Jodelvorträge in vier Kategorien. Tongebung und Aussprache: Wie klingt der Vortrag, ist die Jodeltechnik sauber, versteht man den Text? Harmonische Reinheit: Sind die Töne korrekt, klingt der Gesang rein? Rhythmik und Dynamik: Passt das Tempo, lebt der Vortrag, stimmt die Rhythmik? Und der Gesamteindruck: Hat die gesamte Performance überzeugt? Das letzte Bewertungskriterium zählt dreifach. Dazu Koch: «Ein Chor kann technisch perfekt sein, aber keine Wirkung erzielen. Das Auftreten und die Ausstrahlung sind sehr wichtig.»
Die Klassierung an Jodlerfesten erfolgt nach einem Notensystem, das in den Bestimmungen des Eidgenössischen Jodlerverbands festgelegt ist. Für jede Kategorie werden Noten von 6 bis 10 verteilt. Da eine Kategorie, wie erwähnt, dreifach zählt, beträgt die Summe aller Noten maximal 60. Die Leistungen werden dabei in vier Klassen eingeteilt: Klasse 1 (sehr gut): 60 bis 54 Punkte, Klasse 2 (gut): 53,5 bis 48, Klasse 3 (befriedigend): 47,5 bis 42 und Klasse 4 (ungenügend): unter 42 Punkte. Mit der Teilnahme am eigenen Unterverbandsfest und der erreichten Klasse 1 oder 2 an einem der verschiedenen Unterverbandsfeste steht einer Teilnahme mit Bewertung am nächsten Eidgenössischen Jodlerfest nichts mehr im Weg.
So wird man Jurymitglied
Jurymitglied zu werden ist nicht einfach: Interessierte durchlaufen eine fundierte Ausbildung. Vorausgesetzt werden ein umfassender musikalischer Hintergrund und Erfahrung – meist als Chorleiterin oder Chorleiter –, gutes Gehör, Fachwissen und Teamfähigkeit. Der Weg führt über einen Eignungstest, 10 Kurstage sowie eine Abschlussprüfung.
Die Jury-Mitglieder nehmen vor dem Jodlerfest an Expertisensingen teil: Dort werden Live-Darbietungen von Teilnehmenden bewertet, die dann von der Jury eine Rückmeldung erhalten – ein Gewinn für beide Seiten: Die Jury übt das Bewerten und die Jodlerinnen und Jodler erfahren, welche Aspekte sie bis zum Fest überarbeiten müssen.
Daneben treffen sich die Jury-Mitglieder je Sparte zu einem Jurytag, um sich für die Aufgaben am Jodlerfest vorzubereiten und den Bewertungsmassstab gemeinsam abzustimmen.
Eine Rekursmöglichkeit gegen Juryentscheide gibt es nicht. «Wer sich anmeldet, akzeptiert das Juryvotum», betont Koch. Dennoch gibt es manchmal Kritik – teilweise auch in den Sozialen Medien. «Ich finde es wichtig, solche Themen im direkten Gespräch zu klären, nicht öffentlich. Unsere Jurorinnen und Juroren nehmen ihre Arbeit sehr ernst und versuchen die Vorträge vorurteilslos zu bewerten», so Koch.
Die Ergebnisse der Jury werden während des Fests noch am Samstagabend fertiggestellt. Am Sonntag gegen Mittag erscheint eine Liste mit allen Auftretenden und deren Klassierung. Dementsprechend gespannt fiebern alle dem Sonntagmittag entgegen, der für Freude, aber auch Frust sorgen kann. Koch: «Natürlich hat jede Formation nach dem Auftritt ein Gefühl, wie es gelaufen ist. Wenn sie dann schlechter klassiert sind als erwartet, kann das frustrieren.»
Doch am Ende bleibt mehr als eine Punktzahl, so die Verbandspräsidentin. Trotz aller Regeln, Technik und Bewertung ist das Jodeln für sie vor allem eines: Herzenssache. «Ich weiss aus eigener Erfahrung, wie es ist, eine schöne – oder auch eine etwas unbefriedigende – Bewertung zu bekommen. Aber beim Jodeln darf man nie vergessen: Der Faktor Herz zählt immer mit.» So wünscht sie sich am Sonntagmorgen des Jodlerfests: «Strahlende Gesichter und zufriedene Herzen, wenn die Klassierungsliste veröffentlicht wird. Mögen alle mit Freude auf ihre Vorträge zurückblicken und sich über das Erreichte freuen dürfen!»
Zur Person
mef. Monika Koch (59) wohnt mit ihrem Mann in Aarau und hat drei erwachsene Kinder sowie ein Enkelkind. Beruflich war sie als Kindergärtnerin und Primarlehrerin tätig. Ihr Fokus lag auf der Leseförderung, dem Werken und Deutsch als Zweitsprache. Nebenberuflich hat sich Koch 10 Jahre lang für die World Robot Olympiad (WRO) engagiert sowie ein Projekt zu Mädchenförderung in Robotik initiiert und geleitet. WRO ist ein internationaler Roboterwettbewerb für Kinder und Jugendliche.
Neben ihren Aufgaben als Familienfrau, dem Singen im Jodlerchor im Duett, dem Verbandspräsidium des Nordwestschweizerischen Jodlerverbands und dem Präsidium des Jodlerchors Mellingen bleibt wenig Zeit für mehr. «Das Jodeln ist Hobby und Arbeit in einem», sagt Koch und schmunzelt. Seit 2015 jodelt sie – ein lang gehegter Wunsch. Besonders Texte über die Menschen, die Natur, das Leben sowie die schönen Melodien der Jodellieder berühren sie und würden ihr gut tun, so Koch.