Mit dem Turnpass in die Zukunft
06.06.2024 TurnenMehr Bewegung im Visier des NKL
Das Nordwestschweizerische Kunstturn- und Trampolinzentrum Liestal hat in Verbindung mit Fachpersonen den Turnpass lanciert. Dieser wird vorerst im Rahmen einer Testphase ab August bis im Frühjahr 2025 für interessierte Turnvereine angeboten. ...
Mehr Bewegung im Visier des NKL
Das Nordwestschweizerische Kunstturn- und Trampolinzentrum Liestal hat in Verbindung mit Fachpersonen den Turnpass lanciert. Dieser wird vorerst im Rahmen einer Testphase ab August bis im Frühjahr 2025 für interessierte Turnvereine angeboten. Ziel ist die Förderung von Kindern zu mehr Bewegung.
Willi Wenger
Das Nordwestschweizerische Kunstturn- und Trampolinzentrum Liestal (NKL) hat vergangene Woche den sogenannten Turnpass an einer Infoveranstaltung vorgestellt. Das NKL hat den Turnpass zusammen mit Fachpersonen aus der Medizin, der Sportpsychologie und dem Ressort Sport der Universität Basel ins Leben gerufen. Mit im Boot bei diesem zukunftsweisenden Projekt, das ab August mit einer Testphase startet, sind weitere Partner wie das Sportamt Baselland, das gemäss seinem stellvertretenden Dienststellenleiter Christian Saladin das Projekt mit einem substanziellen Betrag im Rahmen einer Anschubfinanzierung unterstützt. Ebenso unterstützt das Sportamt Basel-Stadt dieses Projekt.
Emanuel Senn, Leiter der Abteilung Leistungssport im NKL, blickte im Rahmen seiner Ausführungen ins Jahr 2021 zurück und hielt fest, dass während der Kunstturn-Europameisterschaften in Basel die Idee des Turnpasses entstanden sei. «Seit damals haben wir hart für dieses neue Angebot, den Turnpass, gearbeitet. Selbstverständlich haben wir das Rad nicht neu erfunden, sondern uns an bestehenden Ideen orientiert», so Senn. Er sagte auch, dass sich das Projektteam auf die kommenden Monate freue und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Testphase zusammen mit Vereinen bis Ende April kommenden Jahres erfolgreich sein werde.
Der Turnpass ist ein Büchlein, das von Jugend-Leiterinnen und -Leitern von Sportvereinen, hauptsächlich aber Turnvereinen, beim NKL bezogen werden kann. Für die absolvierten Trainings und Wettkämpfe gibt es Sticker, die im Heft eingeklebt werden und den Kindern und Jugendlichen so Motivation geben, indem sie zeigen können, was sie schon alles gelernt haben.
In Bezug auf Ziele und Nutzen des Turnpasses sagte Senn, dass dieser nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern und für Vereine Positives bringen könne. Der Turnpass, wo im Speziellen Kinder von einer sportlichen Grundausbildung für alle Sportarten profitieren, sei in jedem Fall eine einzigartige Möglichkeit, die Turnfähigkeiten verbessern zu können. Das sei, so Senn weiter, eine fantastische Möglichkeit, um sich eigene Ziele zu setzen oder um auf ein Ziel hinzuarbeiten. «Das ist nicht nur für die Schule wichtig, sondern auch für den Erfolg im Sport oder dann im späteren Berufsleben. Ziele sind der Schlüssel zu mehr Motivation und Erfolg.»
In der Trainingsgestaltung frei
An die Adresse der Eltern kommentierte Daniel Groves, Cheftrainer im NKL, dass sportliche Betätigung von Kindern unverzichtbar sei. «Diese steigert das Selbstvertrauen, indem Kinder lernen, neue Fähigkeiten zu meistern und Ziele zu erreichen.» Dies beginnt mit dem bewährten Mutter-und-Kind-Turnen (Muki) und beendet die Grundlagenphase vielleicht mit einem ersten Wettkampf. Auch für diese hat es im Turnpass Platz. Kinder können darin nämlich ihre positiven Wettkampf-Erlebnisse als Erinnerung festhalten.
Groves kommentierte am vergangenen Donnerstag ferner, dass Turnen zentrale Fähigkeiten vermittle, um auch in anderen Sportarten erfolgreich zu sein. Das Training sei zentral, um letztlich verschiedene Elemente erfolgreich ausführen zu können. In der Turnpass-Rubrik «für die Eltern» werden diese über verschiedene Themen rund um das Sporttreiben informiert.
Der Turnpass, der mehrheitlich in Turnvereinen, aber auch in freien Gruppen wie beispielsweise im Muki-Turnen, Anwendung finden wird, lässt bezüglich der Gestaltung von Trainings viel Freiheit. Die Lektionen seien, so Groves, individuell anpassbar. «Der Turnpass mit seinen Anleitungen ist lediglich als Hilfestellung gedacht. Die Vereine entscheiden, wie ein Training aussehen wird.»
Bald beginnt die Testphase und das Projektteam ist auf Rückmeldungen von Benutzerinnen und Benutzern beziehungsweise von (Turn-) Vereinen angewiesen. Diese sollen kommendes Jahr ausgewertet, um schliesslich in eine Bachelorarbeit für die Universität Basel eingebunden zu werden.
«Der Turnpass ist ein roter Faden»
Herr Groves, Sie haben als Cheftrainer des NKL die Grundlagenarbeit zum Turnpass geleistet und mussten sich überlegen, welches die grundsätzlichsten Bewegungen sind und zu welchem Level sie gehören. Wie sind Sie vorgegangen?
Daniel Groves: Wir hatten mehrere Sitzungen, wie wir ein System entwickeln können, das dem Turnen und den Vereinen gerecht wird. Dies war der anspruchsvollste Teil des Projekts. So mussten wir uns überlegen, welche Bewegungsformen wichtig und sinnvoll für die Entwicklung der Kinder sind. Bei den Recherchen bin ich auf das «Youth Physical Development Model» von Wissenschaftlern der Cardiff Metropolitan University gestossen. Mit diesen Erkenntnissen war klar, dass wir uns auf die Fähigkeiten Kraft, Mobilität, Gleichgewicht, Schnelligkeit und Mut fokussieren wollen. Diese haben wir in ein System mit Stufen eingebaut.
Wie haben Sie das Ganze eingeteilt? Ab welchem Level geht es wirklich in Richtung Turnen?
Der Turnpass ist in sechs Stufen eingeteilt und soll das Turnen in jeder Stufe erlebbar machen. Die Stufen 1 und 2 entsprechen dem heutigen Muki-Turnen. Stufe 3 und 4 haben viel mit dem Turnen in einer Jugendoder Geräteriege zu tun. Wir wollten aber auch polysportive Elemente und zum Beispiel den «UBS Kids-Cup» mit einbauen. So soll eine möglichst breite Grundlagenausbildung bei den Kindern gefördert werden. In den Stufen 5 und 6 geht es dann auch um das Setzen von Zielen und das Reflektieren von Leistungen, um neben der Physis auch die Psyche weiterzuentwickeln.
Wie unterscheidet sich der Turnpass von den Programmen im Kunstturnen und Geräteturnen, die es ja bereits gibt?
Der Turnpass startet vom Alter her viel früher. Die heute eingesetzten Programme im Turnen sind klassische Wettkampfprogramme. Der Turnpass verfolgt einen anderen Ansatz. Wir wollen, dass die Kinder eine breitere Ausbildung erhalten, die in verschiedenen Sportarten eingesetzt werden kann. Für uns ist der Turnpass ein roter Faden vom Eintritt in einen Verein bis hin zu den ersten Wettkämpfen.
Als Fernziel haben Sie sicher auch die Mitgliedergewinnung von Kindern im NKL im Auge. Ist das so?
Dies stand bei uns nicht im Vordergrund. Im Rahmen der Kunstturn-EM in Basel 2021 durfte das NKL 100 Schulklassen bei sich in den Hallen sportlich begleiten. Dort haben wir festgestellt, wie gross die Unterschiede bei den Kindern im physischen Bereich sind. Das hat uns motiviert, ein Instrument zu entwickeln, das dem entgegenwirken könnte.
Ist der Turnpass ein Äquivalent zum «Seepferdchen» beim Schwimmen?
Das Prinzip ist das Gleiche, einfach mit dem Unterschied, dass es kein Abzeichen gibt, das auf ein Dress aufgenäht wird.