Missstimmung wegen «Badi-Bach» fluh
22.08.2025 RothenfluhDas Schwimmen in der Ergolz beim Stauwehr hat Tradition
Schon seit einem Jahrhundert wird das Rothenflüher Stauwehr für Löschwasser in der Ergolz auch genutzt, um den Bach gelegentlich zum Baden zu stauen. Was den einen an heissen Tagen eine angenehme Abkühlung ist, ...
Das Schwimmen in der Ergolz beim Stauwehr hat Tradition
Schon seit einem Jahrhundert wird das Rothenflüher Stauwehr für Löschwasser in der Ergolz auch genutzt, um den Bach gelegentlich zum Baden zu stauen. Was den einen an heissen Tagen eine angenehme Abkühlung ist, könnte für andere ins Geld gehen – und ist gegen das Gesetz.
Christian Horisberger
Während des heissen Juni dieses Jahres wurde der Ergolz-Abschnitt am Mühleweg in Rothenfluh zu einem beliebten Treffpunkt für die Kinder im Dorf. Mit dem mehr als 100-jährigen Stauwehr für Löschwasser stauten Anwohner den Bach, wodurch sich ein etwa 25 mal 3 Meter grosses Bassin ergab, tief genug, damit Kinder darin sogar einige Schwimmzüge machen konnten. Ihre Badetücher breiteten sie auf der Gemeindestrasse aus.
Das Baden im «Badi-Bach» habe im Dorf Tradition, sagt der frühere Rothenflüher Gemeindepräsident Kurt Schaub. Wer sollte es besser wissen? Er ist am «Badi-Bach» aufgewachsen und verfügt auch über Bilder, welche die Tradition dokumentieren. Das älteste Foto stammt von 1935. Er wisse auch von Kindern, die hier sogar Schwimmen gelernt hätten. Schaub: «Diese ‹Badi› ist für unser Dorf ein kulturhistorisches Gut und vor allem auch ein Ort, den die Jugendlichen gelegentlich zur Freizeitgestaltung nutzen können.»
Dass die Tradition diesen Frühsommer deutlich grösseren Anklang fand als in vergangenen Jahren, hatte weitreichende Folgen: Die Kunde vom «Badi-Bach» drang nämlich bis ins Primarschulhaus und zum Frauenverein. In der Schule sollen sich eine oder mehrere Lehrkräfte überlegt haben, mit den Kindern baden zu gehen, wenn es zum Lernen zu heiss ist, und der Frauenverein liess fürs Wehr in guter Absicht sogar neue und besser abdichtende Bretter zusägen.
Erodiert das Ufer?
Die Aussicht auf ganze Schulklassen im Bach, vor allem die am Ufer liegenden und einbaubereiten Bretter für die Stauanlage, gefiel Florence Schnidrig gar nicht. Besonders sauer stiess ihr auf, dass sie als grösste private Bach-Anstösserin im Staubereich nicht gefragt worden sei, was sie vom Badebetrieb halte. Hätte das jemand getan, so hätte sie erklärt, dass sie befürchte, dass das zu ihrem Grundstück gehörige Bachbord aus Bruchsteinen und Erdreich durch häufigeres Stauen aufgeweicht und beschädigt, wenn nicht gar zerstört werden könnte. Den Bach hin und wieder zum Baden zu stauen, das wäre für sie in Ordnung gewesen, sagt sie zur «Volksstimme». Doch einem intensiveren Badebetrieb hätte sie ihre Zustimmung kaum gegeben. Denn als Anstösserin sei sie für den Unterhalt «ihres» Bachufers verantwortlich. «Ich habe es rechnen lassen: Bei einem Schaden hätte mich die Instandsetzung 80 000 Franken gekostet», sagt Schnidrig. Sie rief Gemeinde, Kanton, Gewässerschutz sowie Jagd und Fischerei auf den Plan und verlangte von den Behörden, die Situation zu klären und bis dahin den Badebetrieb zu unterbinden. Das war vor den Sommerferien.
Ein Verbot ist nach dem Wissen von Kurt Schaub nie ausgesprochen worden. Doch die Kurbel zur Bedienung des Stauwehrs, die von einem Bach-Anstösser verwahrt wird, kam seither nicht mehr zum Einsatz. Der Alt-Gemeindepräsident versuchte zu schlichten. Er appellierte an Schnidrigs Verständnis für eine schöne Tradition und für die Kinder, die sonst im Dorf wenig Platz zum Spielen hätten. Er schlug eine Einigung vor, mit klar definierten Regeln und Einschränkungen. Doch für einen Kompromiss war es zu spät. Der Fall lag bereits bei den Behörden. «Ich habe es nicht mehr in der Hand», sagt Schnidrig. Sollten die Behörden zum Schluss kommen, dass das Stauen des Bachs zu Badezwecken gesetzlich verboten ist, dann müsse das Verbot auch eingehalten werden: «Es kann ja nicht sein, dass das Gesetz für unsere 25 Meter nicht gilt.»
Die Abklärungen sind inzwischen abgeschlossen und der Kanton hat einen Entscheid gefällt, den der Gemeinderat nun ausführen soll: «Wir wurden vom Kanton aufgefordert, das für Feuerwehrzwecke nicht mehr erforderliche Stauwehr zu sichern und eine Zweckentfremdung zu verhindern», sagt Gemeindepräsident Patrick Vögtlin zur «Volksstimme». Das hätte zur Folge, dass die 100-jährige Badestelle verloren geht.
Stauen gefährdet Fauna im Bach
Er habe keine Freude am Entscheid aus Liestal, aber Verständnis, erklärt Vögtlin. Denn die Zeiten hätten sich geändert: Die Temperaturen würden ansteigen, die Ergolz führe häufig kaum noch Wasser, wodurch die Lebewesen im Bach unter Druck gerieten. Das Stauen des Bachs würde diesen für die Fauna unterhalb des Wehrs noch erhöhen. Ausserdem, so der Gemeindepräsident weiter, sei das Stauen von Fliessgewässern, beispielsweise durch die Zweckentfremdung einer Anlage zur Badenutzung, gemäss Wasserbaugesetz nicht legal. Erlaubt sei hingegen das Betreten des Bachs. Auch mit ein paar Steinen das Gewässer ein bisschen zu stauen, sei nicht verboten.
Am kommenden Montag informiert der Gemeinderat über die seit längerer Zeit zur Debatte stehenden Hochwasserschutzmassnahmen für Rothenfluh. Der Gemeinderat habe die anwesenden Fachleute eingeladen, bei dieser Gelegenheit auch auf die Situation beim strittigen Badeplatz einzugehen und über die geforderte Massnahme zu informieren. Sei die Bevölkerung dann orientiert, wolle der Gemeinderat über das weitere Vorgehen im Fall des Stauwehrs entscheiden, sagt Vögtlin.
Die Ausführungen der Wasserbaufachleute des Kantons dürften am Montag nicht unkommentiert bleiben. Kurt Schaub, der der Meinung ist, dass sich der Gemeinderat in dieser Sache nicht stark genug für ein Anliegen der Bevölkerung engagiert, kündigt bereits an, seine Argumente für den Badeplatz, der vielen Rothenflüherinnen und Rothenflühern am Herzen liege, vorbringen zu wollen: Gewässerschutz ja, aber bitte mit Augenmass. Und auch Florence Schnidrig wird am Informationsabend mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg halten, wie sie versichert.