«Minimaler Pfl anzenstress, maximale Kühlleistung»
27.06.2025 RegionAuf versiegelten Flächen, wo wegen Leitungen im Boden keine Bäume gepflanzt werden können, sind Trog-Bäume eine Alternative, um die Temperaturen zu senken. Die Bottminger Baumschule Bauer hat ein System entwickelt, das sich auch für die Sissacher Begegnungszone eignen ...
Auf versiegelten Flächen, wo wegen Leitungen im Boden keine Bäume gepflanzt werden können, sind Trog-Bäume eine Alternative, um die Temperaturen zu senken. Die Bottminger Baumschule Bauer hat ein System entwickelt, das sich auch für die Sissacher Begegnungszone eignen könnte.
Christian Horisberger
Grosse Pflanzen in grosse Töpfe zu stellen und sie im öffentlichen Raum zu platzieren, ist keine Revolution. Herr Mühlemann, wodurch zeichnet sich Ihr System aus, das Sie unter «Mobile Green» vermarkten und zum Patent angemeldet haben?
Sebastian Mühlemann: Unser Anspruch ist minimaler Pflanzenstress und maximale Kühlleistung. Wir gehen von der Pflanze aus: Was braucht sie, um an einem extremen Standort im urbanen Raum, der sie stresst, gedeihen zu können, damit sie die Erwartungen an sie betreffend Verdunstung und Beschattung erfüllen kann? Gegenüber einem herkömmlichen Topf-Baum kann die Standdauer eines Gehölzes im «Mobile-Green»-System verdoppelt werden. Das ist eine Revolution.
Von was für einer Dauer reden wir?
Ein Baum in unserem System hat eine Kulturdauer von 10 bis 15 Jahren. Dann wird es für die Wurzel im Trog zu eng und der Baum muss ausgepflanzt werden. Der Trog lässt sich wiederverwenden.
Was ist der Trick dabei?
Durch einen separaten Wassertank schaffen wir eine Situation, die vergleichbar ist mit einem Gehölz an einem Bach: Wasser ist ständig verfügbar, die Pflanze nimmt so viel auf, wie sie braucht. Mit einer gezielten Nährstoffzufuhr kann das Wachstum im beengten Raum optimiert werden. Und da die Wasserversorgung im Trog von unten erfolgt, kommt es zu fast keiner Oberflächenverdunstung. Dadurch muss weniger häufig gegossen werden als bei einer herkömmlichen Topfpflanze, was die Kosten für den Unterhalt und den Wasserverbrauch senkt.
Um wie viel? Und was kostet ein Baum im Trog eigentlich?
Das hängt von der Grösse des Trogs ab. Angenommen, er hat einen Durchmesser von zwei Metern, betragen die Kosten inklusive Baum, der windwurfsicher im Trog verankert wird, rund 15 000 bis 17 000 Franken. Bei den Pflegekosten gehen wir von einer Einsparung von 2000 Franken gegenüber herkömmlichen Systemen im Jahr aus. Damit liegen wir in der Gesamtkostenbetrachtung auf einem günstigen Niveau.
Welche Baumarten sind für das System geeignet – und gefragt?
Die Bandbreite ist gross. Geeignet ist jedes standortgerechte Gehölz, dessen Krone schnell und in die Breite wächst und so viel Schatten wirft. Mitbestimmende Faktoren können kommunale Auflagen betreffend Stadtbild oder Herkunft der Bäume sein. Bei den rund 30 Systemen, die wir bisher ausliefern durften, war der Feldahorn der gefragteste Baum. Weitere «Klassiker» sind die Hopfenbuche, der Eisenholzbaum wegen seines malerischen Erscheinungsbilds, die Flaumeiche, der Dreispitzahorn oder der Französische Ahorn.
Wie alt und wie hoch sind die Bäume bei der Auslieferung?
Zwischen 14 und 20 Jahre bei drei bis sechs Metern. Das ist wichtig, denn wenn im öffentlichen Raum eine mobile Begrünung erwünscht ist, dann soll sie sofort eine Wirkung erzielen, das heisst, die Gehölze brauchen zur Beschattung bereits ein gewisses Kronenvolumen.
Und wie hoch können die Bäume in einem Trog werden?
Sieben bis zehn Meter. Mehr liegt aufgrund des beschränkten Wurzelraums, aber auch wegen der Windwurfthematik nur mit zusätzlichen Massnahmen drin.
Für den Basler Messeplatz konnten Sie fünf «Mobile-Green»- Bäume liefern, die in einer Gruppe angeordnet sind. Diese Insel ist hübsch, doch herrscht in Wetterphasen wie jetzt auf dem riesigen Platz insgesamt immer noch drückende Hitze. Sollen die paar Bäume ernsthaft die Temperatur auch ausserhalb der «Oase» reduzieren?
Auf dem Messeplatz haben wir eine grosse, versiegelte Fläche. Zusätzlich zur hohen Lufttemperatur strahlt der Boden Wärme ab. Durch den Schatten wird der Boden weniger heiss, die Verdunstung reduziert die Temperatur unter und neben dem Baum. Hinzu kommt der psychologische Kühleffekt: Ob im Wald oder in dieser Situation, unter einem grünen Blätterdach hat der Mensch das Empfinden, dass es kühler ist. Das sind Fakten. Um genau in Erfahrung zu bringen, welchen Effekt unser System auf die Temperaturen in einem grösseren Bereich hat, haben wir zusammen mit der Berner Fachhochschule im Frühling ein breit angelegtes Projekt lanciert, an dem sich der Bund beteiligt. Es soll die Kühlleistung und die klimatischen Effekte der mobilen Begrünung wissenschaftlich untersuchen. Im kommenden Frühling erwarten wir die Resultate.
Was versprechen Sie sich von den Erkenntnissen?
Auf deren Basis kann mit Messungen und Berechnungen eine Grundlage geschaffen werden, um zukünftige Begrünungsstrategien evidenzbasiert vorauszusagen und optimal zu gestalten. Das heisst: Die Gemeinde Sissach zum Beispiel könnte die punktuelle, aber auch die grossflächige Temperaturreduktion für die Begegnungszone errechnen, wenn sie beispielsweise 15 Tröge platzieren würde. Ohne ein solches Instrument muss jede Gemeinde oder Stadt für sich ausprobieren, wie sich der optimale Effekt erzielen lässt.
Die Gemeinde Sissach testet sogenannte «Schwammstadt-Bäume», die zusätzlich den Effekt der Regenwasserspeicherung haben. Bringt dieses System nicht mehr Vorteile?
Die beiden Systeme lassen sich nicht vergleichen. Der Trog ist eine Ergänzung zur Pflanzung, und zwar überall dort, wo diese nicht möglich ist, sei es wegen Installationen im Untergrund oder weil ein Bereich für Events wie die Fasnacht freigehalten werden soll.
Sie kennen die Sissacher Begegnungszone. Ihre Firma hatte für die Gewerbeausstellung Mega die Pflanzen für die «grünen Inseln» geliefert. Welche Ideen haben Sie für die Abkühlung und Gestaltung des Sissacher Zentrums mit Ihrem System?
Die «mobilen Bäume» müssten nicht grundsätzlich im Randbereich stehen. Es wäre vorstellbar, Tröge auch in die Verkehrsfläche zu integrieren und so auch für eine Entschleunigung zu sorgen. Je nach Platzierung der Tröge wäre das Mobiliar in der Begegnungszone zu ergänzen, um die schattigen Bereiche aufzuwerten.