«Meine Stärke ist das Unterrichten»
07.11.2025 BucktenPianistin Linda Gysin gibt ihr Wissen weiter
Als Elfjährige bekam Linda Gysin ein Klavier geschenkt und schon bald fing sie an, eigene Stücke zu komponieren. Dass Kompositionen von ihr dereinst publiziert würden, hätte sie sich nicht vorstellen können.
...Pianistin Linda Gysin gibt ihr Wissen weiter
Als Elfjährige bekam Linda Gysin ein Klavier geschenkt und schon bald fing sie an, eigene Stücke zu komponieren. Dass Kompositionen von ihr dereinst publiziert würden, hätte sie sich nicht vorstellen können.
Brigitte Keller
«Meine Stärke ist das Unterrichten», sagt Linda Gysin von sich. Und ganz offensichtlich auch das Komponieren. Vor Kurzem erschienen unter dem Titel «MOSAICS I/II» 16 mittelschwere Stücke für Klavier in einem renommierten Musikverlag. Wie es dazu gekommen ist und wie Unterrichten und Komponieren zusammenhängen, das hat die in Valangin wohnhafte Pianistin bei einem Besuch in ihrer Oberbaselbieter Heimat erzählt.
Aufgewachsen ist Linda Gysin (41) in Buckten. Ihr Grossvater führte damals eine Schreinerei am Dorfeingang. Als es darum ging, sich ein Instrument an der Jugendmusikschule aussuchen zu dürfen, wählte sie als Erstes ein Akkordeon. Ihre Lehrerin wurde Heidi Gautschi. «Ich habe lange alles nach Gehör nachgespielt, so konnte ich das Notenlesen umgehen», erzählt Gysin. Die Noten auf dem Papier seien für sie einfach zu wenig aussagekräftig gewesen. Mit wenig Begeisterung hat sie sich damals das Lesen der Noten angeeignet. Dann wurde Linda Gysin von einer Bekannten, die «eine Eingebung» gehabt hätte, ein Klavier geschenkt. Für die damals Elfjährige ein schicksalhaftes Ereignis, das ihr weiteres Leben bestimmen sollte. Nach vier Jahren Klavierunterricht bei Ruth Jenni an der Musikschule Sissach absolvierte sie den «Typus Musik» am Gymnasium in Liestal.
Nach der Matur legte sie ein Zwischenjahr ein zum Geldverdienen und für einen Englandaufenthalt. Ebenfalls nahm sie weiter Klavierunterricht und verfolgte zielstrebig ihren Wunsch, einen Platz an einer Hochschule für Musik zu ergattern. «Bevor man Musik studieren kann, muss man bereits das entsprechende Niveau haben», erklärt Gysin. «Diese grosse Arbeit machen die Lehrerinnen und Lehrer an den Musikschulen.» Deren Arbeit, findet Linda Gysin, werde unterschätzt, denn «dort werden die Weichen gestellt».
An der Hochschule in Basel einen der begehrten Studienplätze zu bekommen, hätte sie gar nicht erst ins Auge gefasst, erzählt Gysin weiter. «Von den zig Bewerberinnen und Bewerbern, viele auch aus dem Ausland und auf dem höchsten Niveau, erhalten nur wenige einen Platz.» Sie beherzigte den Ratschlag ihres damaligen Musiklehrers und nahm Kontakt auf mit Sylviane Deferne, die am Konservatorium in Neuenburg unterrichtete. Sie buchte eine Probestunde und danach wurde sie von ihr während des folgenden halben Jahres auf das Studium vorbereitet.
Bereits während der Zeit am Konservatorium fing sie an, Klavierunterricht zu erteilen. Nach dem Abschluss mit dem «Lehrdiplom für Klavier» 2008, einem «Konzert-Master» im Jahr 2011 sowie der permanenten Weiterbildung bekam sie eine begehrte Stelle an der «Musikschule Konservatorium Zürich MKZ».
Hilfe aus New York
Dann, vor rund zehn Jahren, bekam Gysin eine schmerzhafte Entzündung am linken Handgelenk-Knochen, sodass sie kaum noch spielen konnte. «Eine frustrierende Zeit», erklärt sie. Die Suche nach dem Ursprung und der Lösung hätte ein ganzes Jahr gedauert. «Da ich ja selber Unterricht erteile, wollte ich unbedingt wissen, wo genau der Ursprung des Problems lag und wie man es besser machen kann. Schliesslich trage ich diesbezüglich eine Verantwortung.» Für die Lösung flog sie schliesslich bis nach New York. Helfen konnte Gysin dort der angesehene Klavierlehrer und Komponist Seymour Bernstein. Dieser hatte schnell erkannt, wo das Problem herrührte, und was sie ändern musste. Er konnte ihr sagen, wo exakt sie in den Händen zu wenig Spannung hatte und was zur Entzündung geführt hatte. «Wenn man es verstanden hat, ist es einfach.»
Von da an flog Linda Gysin mehrmals pro Jahr nach New York und nahm Stunden bei Bernstein. «Das war es mir wert», sagt sie dazu. Die Einschränkungen durch Corona zwangen dann auch ihn, auf Online-Unterricht umzusteigen. Bis heute bucht Gysin von Zeit zu Zeit ein paar Stunden per Skype beim mittlerweile 98-jährigen Pianisten.
Seymour Bernstein ist es auch zu verdanken, dass die Pianistin ihre Kompositionen notiert und an einen Verlag geschickt hat. Er sei es gewesen, der ihr eines Tages «drohte»: «Wenn du jetzt nicht komponierst, dann gebe ich dir keinen Klavierunterricht mehr.» Sie hätte also «gar keine Wahl» gehabt und fing an, ihre Kompositionen aufzuschreiben. Diese entstehen bei Linda Gysin aus einem Gefühl, einer Stimmung, einem Bild oder aus einer realen Situation heraus und manifestieren sich fixfertig in ihrem Kopf. Erst danach schreibt sie die Noten auf.
«Es gibt zwar eine Anzahl einfachere klassische Stücke zum Lernen, von bekannten Komponisten, aber dann wird es schnell sehr schwierig.» Also habe sie mittelschwere Stücke für Klavier, inspiriert vom klassischen Stil, komponiert. «Ich war gerade schwanger.» Heute ist Linda Gysin sehr froh, dass sie sich von ihrem Mentor Seymour Bernstein, der auch ein Vorwort geschrieben hat, dazu überreden liess. «Zur Erinnerung an unsere erstgeborene Tochter Géraldine, die ein Sternenkind ist.» Der zweite Teil mit weiteren acht Stücken ist Tochter Eugénie Filomena gewidmet, die vor drei Jahren zur Welt kam.

