«Mal sehen, wie weit die kommen …»
31.07.2025 Gelterkinden«BillE» – ein VW-Oldtimer mit elektrischem Antrieb – bewährt sich auch in den Alpen
Mit einem VW-Bus, Baujahr 1968, umgerüstet auf Elektroantrieb, abseits der Hauptstrassen eine Woche lang durch die Westalpen fahren? Diese Herausforderung nahmen Ralph und ...
«BillE» – ein VW-Oldtimer mit elektrischem Antrieb – bewährt sich auch in den Alpen
Mit einem VW-Bus, Baujahr 1968, umgerüstet auf Elektroantrieb, abseits der Hauptstrassen eine Woche lang durch die Westalpen fahren? Diese Herausforderung nahmen Ralph und Jane Schnyder Mitte Juni unter die Räder. 1999 Kilometer später erzählen sie begeistert von ihrem Abenteuer.
Brigitte Keller
Die Idee zur Anschaffung des alten VW-Buses – es handelt sich um einen VW T2a Pritschenwagen – hatte vor rund sieben Jahren Tochter Tanya. Die Renovierung des Oldtimers, den Ralph und Jane Schnyder aus Gelterkinden bei einem Bekannten im Hinterhof fanden und der «mehr Rost» hatte, «als etwas anderes», wurde zu einem Familienprojekt. Die Tochter lernte zu flexen, also trennzuschleifen, und zu schweissen – und machte daraus gleich noch ihre Maturaarbeit.
Dass der VW-Bus anstelle des alten Benzinmotors einen Elektromotor bekommen sollte, das stand für Ralph Schnyder von Anfang an fest. «Schon während meines Architekturstudiums vor rund 35 Jahren an der ETH Zürich fand ich, dass Benzinmotoren nicht die optimale Lösung zum Fahren sind wegen der lästigen Nebenwirkungen.» Die Beschäftigung mit der Suche und Entwicklung alternativer Lösungen führte ihn damals, zusammen mit zwei Studienkollegen, zur Geburtsstunde des «Ur-Twikes», dem zweisitzigen Fahrrad mit Karosserie.
Seither hat die Technik in Sachen Elektromotoren und Batterien – das Twike immer vorne mit dabei – riesige Fortschritte gemacht. Und von diesem Fortschritt respektive der neusten Technologie durfte auch der alte VW-Bus profitieren, in dem er von Familie Schnyder auf E-Antrieb umgerüstet wurde. «Die MFK-Formalitäten waren recht aufwendig, weil es keine Standardprozedur gab. Wir mussten einige Tests machen und Nachweise erbringen», erzählen Ralph und Jane Schnyder.
Seit rund vier Jahren fahren sie nun damit herum. Der Bus leistet im Alltag gute Dienste, wenn es etwas zu transportieren gibt. Er kann aber auch zum Übernachten genutzt werden, denn er wurde zusätzlich mit einem Aufbau ausgestattet, der sich anheben lässt, um darin zu schlafen. «Wir waren in den vergangenen Jahren schon in Italien und England unterwegs, es funktioniert sehr gut», sagt Ralph Schnyder. Parallel dazu seien sie immer mehr mit der «VW-Szene» in Kontakt gekommen und hätten schon an einigen Treffen teilgenommen.
Luftgekühlte Klassiker
«Dieses Jahr wollten wir nicht nur an Treffen gehen, sondern schauten uns auch nach etwas mehr Herausforderung um», so Ralph Schnyder. Sie stiessen auf die Ausschreibung eines Veranstalters aus Deutschland, der «Roadtrips mit einer Mischung aus kurvigen Overlandstrecken und aufregenden Offroad-Passagen» anbietet – aber nur für «luftgekühlte Klassiker und Fahrzeuge mit Charakter von VW, bevorzugt älter als 30 Jahre». Dass der Oldtimer zwingend mit Benzin fahren müsste, davon war nicht die Rede. Warum also nicht die Herausforderung annehmen und mit dem umgerüsteten VW-Pritschenwagen mit Elektromotor, liebevoll «BillE» genannt, mit auf Tour gehen?
Und so fanden sich der «BillE» und seine Besitzer diesen Juni inmitten einer Gruppe von alten VW-Käfern, alle Jahrzehnte auf dem Buckel. Darunter gar ein paar «Baja Bugs», also spezielle offroad-optimierte Käfer aus Kalifornien, von denen der Name des Abenteuers, «Baja Alpina», stammt – einer Gruppe von vierzehn Fahrzeugen, dreizehn mit Benzinmotoren und eines mit Elektromotor. «Mal schauen, wie weit die kommen …», sagten – oder dachten – die «Benziner» mit Blick auf den VW-Bus, deren Baselbieter Besitzer meist etwas früher losfuhren, um die Ruhe und reine Luft geniessen zu können. Die Anfangsskepsis wich spätestens nach drei Tagen.
Das Gute an einer solchen Tour ist, dass immer ein Werkstattwagen mit einem Team an Fachleuten mitfahre, um kleinere und auch grössere Reparaturen jederzeit ausführen zu können. Davon gab es einige – bei den «Benzinern» wohlgemerkt. «Eine Umgebung in den Bergen mit Staub auf den Offroadstrecken ist halt für die Vergaser nicht so motorenfreundlich», meint Ralph Schnyder augenzwinkernd. Auch ganze Radlager seien unterwegs ausgewechselt und mehrere abgerissene Teile wieder angebracht worden.
Bewährungsprobe bestanden
Eine solche Tour alleine zu unternehmen, würde keiner wagen, weil bei Pannen keine Hilfe vor Ort zu erwarten ist. Auch das Team Schnyder war gespannt, wie der «BillE» beispielsweise die 2000 Höhenmeter von Martigny auf den Grossen St. Bernhard meistern würde. Bei ihrem Fahrzeug hatte nur einmal nach dem zweiten Bergpass die Elektronik wegen Übertemperatur abgeschaltet. Nach einer kurzen Pause war aber wieder alles im grünen Bereich.
Die Tagestouren waren zwischen 200 und 300 Kilometer lang. Eine Batterieladung reicht für rund 200 Kilometer, also wurde immer ein Halt zum Mittagessen mit Lademöglichkeit eingeplant. Doch hat es genügend Lademöglichkeiten, funktionieren die Steckdosen und hat man die richtigen Kärtchen zum Bedienen derselben? Dies waren einige Fragen, auf deren Beantwortung die Abenteurer aus Gelterkinden gespannt waren.
Lademöglichkeiten hat es auch in den Westalpen fast in jedem Dorf, und diese seien auch immer frei, weil sich offenbar bisher nur wenige Elektroautos dort «aufhalten», so Ralph Schnyder. Die Steckdosen funktionierten und die Stecker passten. Einzig das mit den passenden Kärtchen zum Freischalten sei noch nicht optimal gelöst. Bei einer Ladestation mussten Schnyders zuerst eine App herunterladen, sich registrieren und in den folgenden Tagen einen Code zugestellt erhalten. Eine andere Station liess sich nur mit der Kreditkarte freischalten, doch danach nicht mehr ausstecken. Zum Glück konnte eine nette Dame an der Hotline dies aus der Ferne machen.
Ralph und Jane Schnyder sind glücklich und zufrieden von der Reise zurückgekehrt. «Es war super organisiert und der Teamspirit war toll. Wir sind total begeistert. Für das nächste Jahr planen wir eine selber organisierte Reise quer durch Europa zusammen mit ein paar ‹Twikes›», erzählt Ralph Schnyder. Im kommenden Jahr feiert das «Twike» sein 30-Jahr-Jubiläum seit der Auslieferung der ersten 200 Serienfahrzeuge. Weitere «Twike»-Liebhaber dürfen sich gerne bei Ralph und Jane Schnyder melden.
Wer mehr Eindrücke und Berichte von der Tour sehen möchte, findet auf der Website www.dreifels.chunter«Home/Aktuelles» das entsprechende Album.