Luft nach oben
15.05.2025 Sport«Mediale Berichterstattung?» Prisca Steinegger muss lachen. «Die war inexistent. Da war noch sehr viel Luft nach oben …» So erzählt es die Zürcherin mir in einem Interview. In den 1990er- und 2000er-Jahren war Steinegger Spitzenfussballerin, 55-mal spielte sie ...
«Mediale Berichterstattung?» Prisca Steinegger muss lachen. «Die war inexistent. Da war noch sehr viel Luft nach oben …» So erzählt es die Zürcherin mir in einem Interview. In den 1990er- und 2000er-Jahren war Steinegger Spitzenfussballerin, 55-mal spielte sie fürs Nationalteam – zu einer Zeit, da der Frauenfussball in der Schweiz noch fast nicht beachtet wurde. «Wenn wir Glück hatten, gab es in der Zeitung einen Einzeiler mit dem Resultat. Aber da musste man jeweils weit nach hinten blättern.»
Kein Vergleich zu heute. Vor der nahenden Heim-EM herrscht medial ein regelrechter Boom; hier erscheint noch ein Buch, da gibts einen neuen Podcast, dort wird ein Magazin lanciert, die Tageszeitungen berichten laufend über die Nationalspielerinnen. Und alle Matches des Nationalteams werden live im TV gezeigt. In Prisca Steineggers Aktivzeit war kaum mal ein Reporter vor Ort, geschweige das Fernsehen mit einer Kamera. Aus ihrer Zeit im Nationalteam findet sich im SRF-Archiv ein einziger Beitrag, aus dem Jahr 2005. Eigentlich verrückt, denn das ist noch gar nicht so lange her. Und Steinegger war so etwas wie eine Lia Wälti ihrer Zeit, Schweizer Team-Kapitänin und Führungsspielerin.
Doch die sportliche Entwicklung war noch nicht so weit. Undenkbar, dass die Schweizerinnen sich für eine Endrunde qualifiziert hätten. Noch dazu wurden sie in der Qualifikation meist in dieselbe Gruppe wie Deutschland gelost – keine Chance! «Ich spielte vier Mal gegen Deutschland, das Torverhältnis lautet 0:20», resümiert Steinegger. Die Deutschen, mehrfache Europameisterinnen und zweifache Weltmeisterinnen, waren das Mass aller Dinge. Prisca Steinegger nimmt es rückblickend mit Humor: «Von manchen deutschen Spielerinnen kenne ich vor allem die Rückennummern. Denn die waren oft schneller – und wir einen Schritt hintendrein.» Immerhin steigerten sich die Schweizerinnen über die Jahre: Unterlagen sie anfänglich mit null zu neun, schafften sie später auch mal eine beinahe ehrenvolle Null-zu-zwei-Niederlage.
«Es waren nicht unbedingt schöne, aber sehr lehrreiche Jahre. Man sah, wo man steht und wo man hinmöchte», sagt Prisca Steinegger zuletzt. «Und vor allem begannen wir zu ahnen, was möglich wäre.» Eines ihrer letzten Länderspiele absolvierte Steinegger im Mai 2008 übrigens auf dem Fussballplatz z’Hof in Oberdorf. Die EM-Quali-Gegnerinnen kamen zum Glück aus Wales, nicht aus Deutschland. Die Schweiz gewann zwei zu null. Und so hat Prisca Steinegger zumindest ans Baselbiet nur gute Erinnerungen.
Seraina Degen
Seraina Degen (37) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.