Lichtblicke für «Tropenwälder des Baselbiets»
26.09.2025 RothenfluhBotaniker Andres Klein dokumentiert die positive Entwicklung der Magerwiesen
Der Gelterkinder Botaniker Andres Klein weist mit seiner Kollegin Alexandra Kuttnig nach, dass die Fläche der artenreichen Halbtrockenrasen im Dübachtal bei Rothenfluh dank jahrzehntelanger ...
Botaniker Andres Klein dokumentiert die positive Entwicklung der Magerwiesen
Der Gelterkinder Botaniker Andres Klein weist mit seiner Kollegin Alexandra Kuttnig nach, dass die Fläche der artenreichen Halbtrockenrasen im Dübachtal bei Rothenfluh dank jahrzehntelanger Schutzbemühungen und Pflege zugenommen hat. Doch die Sicherstellung der Gebiete verlangt auch künftig umsichtiges Handeln.
Thomas Zumbrunn
Trockenwiesen und -weiden sind äusserst artenreiche Lebensräume, die durch extensive landwirtschaftliche Nutzung entstehen. Laut Bundesamt für Umwelt beherbergen diese Ökosysteme fast zwei Drittel aller in der Schweiz heimischen Pflanzenarten, von denen mehr als 400 ausschliesslich in diesen Lebensräumen vorkommen. Eine Faustregel besagt, dass etwa zehn heimische Insektenarten von jeder heimischen Pflanzenart leben. In Trockenwiesen und -weiden summt und brummt es daher nicht nur überdurchschnittlich laut, sondern auch insektenfressende Tierarten finden dort Nahrung.
Daher darf man Trockenwiesen und -weiden getrost als die «Tropenwälder des Baselbiets» bezeichnen. In der Schweiz wurden seit 1900 mehr als 95 Prozent dieser artenreichen Lebensräume zerstört. Gründe dafür sind Intensivierung mitsamt Düngung, Bewirtschaftungsaufgabe, Überbauung und Stickstoffeintrag aus der Luft. Die verbleibenden Restflächen werden laufend kleiner und verlieren an Qualität. Auch im Baselbiet steht es um diese Lebensräume nicht gut. Aber es gibt Lichtblicke.
Extensiv seit vielen Jahren
Der Gelterkinder Botaniker Andres Klein, der der «Volksstimme»-Leserschaft als Autor der Kolumne «Ahnig vo Botanik» bestens bekannt ist, hat kürzlich zusammen mit der Ökologin Alexandra Kuttnig die Ergebnisse aufwendiger vergleichender Vegetationsanalysen in Rothenfluh in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Bauhinia» veröffentlicht.
Das 17 Hektar grosse Untersuchungsgebiet liegt an den nach Süden exponierten Hängen oberhalb des Dübachs. Seit 1980 haben der Natur- und Vogelschutzverein Rothenfluh-Anwil und Pro Natura Baselland dort ökologisch wertvolle Wiesen durch Kauf und Pacht gesichert. Um 1990 kam das Instrument der Biodiversitätsförderflächen (BFF) hinzu. Im Rahmen dessen schlossen Bewirtschafter mit dem Kanton Basel-Landschaft freiwillige Vereinbarungen über den Schnittzeitpunkt und ein Düngeverbot ab. Dank dieser Massnahmen wurden rund 8 Hektar Magerwiesen seit 20 und mehr Jahren extensiv bewirtschaftet.
Für 13 definierte Beobachtungsflächen konnten Artenlisten aus den Jahren 1980 bis 2015 ausfindig gemacht werden. Klein besuchte diese Flächen in den Jahren 2018 bis 2020 insgesamt 50-mal und registrierte dabei alle vorkommenden Pflanzenarten. Anschliessend wurden die alten Artenlisten mit den selbst erhobenen Daten verglichen.
Im Jahr 2020 führte Klein ausserdem im ganzen Untersuchungsgebiet eine sogenannte Vegetationskartierung durch. Dabei wurde die gesamte Fläche anhand der vorkommenden Arten und anhand eines definierten Katalogs in Pflanzengesellschaften eingeteilt. Von besonderem Interesse sind wie erwähnt Magerwiesen, die wissenschaftlich als Mesobromion bzw. Trespen-Halbtrockenrasen bezeichnet werden. Die namengebende Charakterart ist das Gras Bromus erec- tus (Aufrechte Trespe). Auf den 13 Beobachtungsflächen fand Klein insgesamt 333 Gefässpflanzenarten. Davon gelten 26 (7,8 Prozent) laut der Roten Liste als verletzlich oder potenziell gefährdet. Es handelt sich dabei um seltene Arten, die im Baselbiet zum Teil nur in Rothenfluh vorkommen. Gegenüber den alten Artenlisten dokumentierte Klein 84 neu vorkommende Arten, 26 Arten fand er hingegen nicht mehr.
Neue Weide- und Mähregime
Die Kartierung der Pflanzengesellschaften von insgesamt 7,97 Hektar Grasland zeigt im Vergleich zum Zustand vor 30 bis 40 Jahren eine starke Zunahme der Halbtrockenrasen mit Trockenheitszeigern um 48 Prozent. Diese Flächen waren zuvor entweder Halbtrockenrasen mit Nährstoffzeigern oder artenreiche Fettwiesen.
Die Interpretation der Ergebnisse ist nicht ganz einfach. Als Lichtblicke sind die Zunahme der Artenvielfalt sowie die deutliche Zunahme der selten gewordenen Magerwiesen zu nennen. Dies ist die Folge des jahrzehntelangen Verzichts auf Düngung. Die Politik von Bund und Kanton mit dem Instrument der Biodiversitätsförderflächen in Kombination mit der Sicherung von Flächen durch Naturschutzvereine hat sich laut Andres Klein bewährt. Die Situation im Dübachtal ist allerdings eine grosse Ausnahme. Im Untersuchungsgebiet wurde eine grosse Fläche über mehrere Jahrzehnte hinweg nicht gedüngt. Zudem wurden die südexponierten Hänge, anders als beispielsweise in Sissach, Lausen oder Ziefen, nicht überbaut.
Ein Vergleich der Artenlisten war nur qualitativ möglich, da die Häufigkeit der Arten bei den Erhebungen in den Jahren 1980 und später nicht erfasst wurde. Beobachtungen zeigen jedoch, dass auch in Rothenfluh die ubiquitären (d. h. nicht an einen bestimmten Biotop gebundenen, in verschiedenen Lebensräumen auftretenden) und nährstoffliebenden Arten zunehmen, während die spezialisierten Arten abnehmen. Zudem «vergrasen» die Magerwiesen immer mehr.
Die laufende Melioration in Rothenfluh weckt einerseits Hoffnungen auf eine Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse, andererseits aber auch Befürchtungen, dass die Biodiversität weiter reduziert wird. Magerwiesen sind, auch in Rothenfluh, weiterhin bedroht – durch Intensivierung, Überbauung und invasive Arten.
Klein liefert deshalb einen Katalog mit Massnahmen. Um den Einfluss intensiv bewirtschafteter Flächen zu reduzieren, sollten die Flächen weiter arrondiert werden. Auf dauerhaft eingerichteten Beobachtungsflächen soll die Entwicklung der Vegetation langfristig beobachtet werden. Zudem müsste die Bewirtschaftung angepasst und neue Weide- und Mähregime ausprobiert werden. Eine kurze Früh-, Spät- oder gar Winterbeweidung oder zweimaliges Mähen könnte zu einer weiteren Aufwertung der Flächen führen.
Quelle: Andres Klein und Alexandra Kuttnig: Mesobromion-Flächenzunahme dank Extensivierung im Dübachtal von Rothenfluh (BL) von 1980 bis 2020. Bauhinia 30. https://doi.org/10.12685/bauhinia.2143.Autor Thomas Zumbrunn ist promovierter Biologe, Co-Geschäftsführer von Pro Natura Baselland und Gemeindepräsident von Rünenberg.