Leuchtturmprojekt für die Natur
23.04.2024 Ormalingen20 Jahre «Obstgarten Farnsberg»
Der Obstgarten Farnsberg, ein Projekt von «Bird Life» Schweiz und Partnern, hat sich zu einem nationalen Vorzeigeobjekt entwickelt. Seine Strahlkraft soll noch zusätzlich bei der Bevölkerung erhöht werden.
...20 Jahre «Obstgarten Farnsberg»
Der Obstgarten Farnsberg, ein Projekt von «Bird Life» Schweiz und Partnern, hat sich zu einem nationalen Vorzeigeobjekt entwickelt. Seine Strahlkraft soll noch zusätzlich bei der Bevölkerung erhöht werden.
Elmar Gächter
In Rickenbach ist der Wiedehopf gesichtet worden. Mathias Huber, Gemeindepräsident von Rickenbach, hat ihn mit seinem Handy festgehalten. Diese Nachricht, am Jubiläumsanlass auf dem Hof Farnsburg geäussert, mag eine Randnotiz sein, vor allem, weil der wunderschöne Vogel «nur» auf dem Durchflug zu anderen Gebieten war. Und doch kann man seine Sichtung wie ein gutes Omen für das nationale Vorzeigeprojekt am Farnsberg bezeichnen, dessen 20-Jahre-Jubiläum am vergangenen Wochenende gefeiert wurde.
Das Projekt von «Bird Life» Schweiz und seinen Partnern zeigt seit dem Jahr 2004 auf, wie Naturschutzkreise und Landwirtschaft erfolgreich zusammengeführt werden können. Mehr als 30 Landwirtschaftsbetriebe widmen sich in sechs Gemeinden am Farnsberg auf einer Fläche von rund 1200 Hektaren gezielten Massnahmen zur Förderung der Natur.
Martin Blattner setzt sich seit vielen Jahren für die Anliegen des Naturund Vogelschutzvereins Ormalingen ein und engagiert sich seit Projektbeginn im Leitungsteam des Obstgartens Farnsberg. Er führt eine der vier Gruppen an diesem nasskalten Samstag-morgen durch einen Teil jenes Gebiets, das im Vergleich zu einer Luftbildaufnahme von 2000 kaum mehr wiederzuerkennen ist. Hecken, Ast- und Steinhaufen, Brachflächen, neu gepflanzte 2000 Hochstammbäume und 5000 Sträucher haben die einst «saubere» Landschaft in Hotspots der Biodiversität verwandelt. «Wenn man dieses Gebiet heute betrachtet, dreht man hier speziell gerne seine Runden», sagt der 64-jährige Naturschutzbegeisterte, der unter anderem Biologie studiert hat und Botanik als sein langjähriges Steckenpferd bezeichnet.
Grosser Erfolg
Wenn auch der Rotkopfwürger, der in diesem Gebiet gesamtschweizerisch letztmals 2009 gebrütet hat und seither als ausgestorben gilt, nicht gehalten werden konnte, sprechen die Projektverantwortlichen von einem grossen Erfolg. Martin Blattner nennt als Beispiele den Neuntöter, dessen Bestand mehr als verdreifacht werden konnte, den Gartenrotschwanz, der sich hier wieder zunehmend heimisch fühlt oder den Wendehals, der vor drei Jahren in der Nähe einer kleinen Brache und offenem Boden gebrütet hat.
Schürfflächen sorgen dafür, dass sich wieder Pflanzen wie Herbstaster, Feldenzian oder Kugelblumen ansiedeln und damit Insekten als Nahrungsgrundlage für die Vögel anlocken. Offene Böden, früher verboten, sorgen dafür, dass sie möglichst früh im Jahr Futter finden.
Entscheidend für das Gelingen des Projekts, betonen die Verantwortlichen, ist die enge Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Landwirtschaft und Kanton. Die inzwischen mehr als 30 beteiligten Landwirtschaftsbetriebe setzen die Massnahmen um, wobei sie selbst entscheiden, was wo realisiert wird. Sie werden für ihre Leistungen über Direktzahlungen durch Bund und Kanton sowie Projektbeiträge von «Bird Life» unterstützt.
Dass sie vom Vorhaben überzeugt werden konnten, schreibt Landwirt Roland Schneider vom Hofgut Mittlerer Homberg vor allem der Beratungstätigkeit des verstorbenen «Bird Life»-Beautragten Willy Schmid zu, der die Gespräche stets mit viel Fingerspitzengefühl geführt und Verständnis für die Landwirtschaft gezeigt habe. «Nachdem ich zunächst Bedenken gegenüber den Einschränkungen auf unserer relativ kleinen Betriebsfläche hatte, finde ich es heute eine gute Sache», so Schneider.
Auch Thomas Rudin vom Stellihof und Hanspeter Dettwiler vom Hof Untere Farnsburg sind überzeugt vom Projekt. «Als Hobbyornithologe habe ich Freude an den Vögeln und deshalb von Anfang gerne mitgemacht. Denn wenn du keine Vögel mehr pfeifen hörst, dann ist es nicht mehr so gut», hält er fest. Hanspeter Dettwiler freut sich am Nisten der Vögel sowie an den Rehen und Hasen, die bei den neu gepflanzten Hecken auf seinem Areal beobachtet werden können.
Gute Beratung, kein Druck
Nationalratspräsident Eric Nussbaumer, Ehrengast am Anlass, sieht nicht nur, dass Biodiversität in der Krise sei, sondern auch die entsprechende Politik in Bern. «Die Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der Tierarten stehen nicht immer zuvorderst in der Umweltpolitik», hielt er fest. Umso wichtiger seien solche lokalen Projekte, die den Naturschutz praktisch fördern. Er hoffe, dass der Obstgarten Farnsberg noch viel stärker ausstrahle und versprach, sich dafür einzusetzen, dass die finanziellen Mittel für die Förderung der Biodiversität beim Bund nicht gekürzt werden.
Für Christian Weber vom Hof Baregg, von Anfang an im Projekt involviert, ist die gute Beratung, die stets ohne Druck erfolgt sei, der wichtigste Erfolgsfaktor. «Für mich ist es ein Leuchtturmprojekt, das sich auch in anderen Teilen der Schweiz realisieren lässt», ist er überzeugt.
Gemäss Markus Plattner, Leiter der Abteilung Natur und Landschaft beim Zentrum Ebenrain, ist der Erfolg nur möglich, weil man die Landwirtschaft gut eingebunden hat. Es gelte nun, die Aufwertungsmassnahmen zu pflegen und zu erhalten. Er wünscht sich, dass die Bevölkerung auch für die regionalen Produkte und die Naturbelange im Siedlungsraum sensibilisiert werden kann. Raffael Ayé, Geschäftsführer von «Bird Life» Schweiz, dankte allen Beteiligten und betonte die wichtige Rolle der Landwirtschaft und der Geldgeber von Kanton, Bund und Stiftungen: «Das Projekt hat ein grosses Potenzial. Wir müssen den Bekanntheitsgrad jedoch noch verbessern und möchten das Projekt mindestens 20 Jahre weiterführen.»
An der Sternwanderung vom Sonntag auf die Farnsburg nahmen trotz Schneetreiben rund 110 Personen, darunter auch Familien, aus den verschiedenen mitmachenden Gemeinden teil. Das nasskalte Wetter tat dem gemütlichen Zusammensein keinen Abbruch. «Die Kinder bastelten Wildbienennisthilfen, die Erwachsenen taten sich an Speis und Trank gemütlich.