Leider lodert in Laufen kein «Chluuri»

  03.07.2025 Sissach

Das ist Sissach (26. Teil) | Der Vergleich mit Laufen, einer anderen Zentrumsgemeinde an der Peripherie

Laufen und Sissach sind beides Gemeinden mit wichtiger, aber auch kostspieliger Zentrumsfunktion. Was haben sie sonst noch gemeinsam – was unterscheidet sie? Deutlich wird beim Vergleich: Sie haben mehr Gemeinsamkeiten, als man ahnt.

Thomas Immoos

Es ist anzunehmen, dass bis 1994 aus dem Laufental kaum jemand je in Sissach war, und umgekehrt – es sei denn, es handelte sich um einen Eishockeyfan. Denn beide Gemeinden haben einen Eishockeyklub – und eine eigene Eishalle.

Als das Laufental auf Neujahr 1994 vom Kanton Bern zum Kanton Baselland wechselte, wählte der Laufner Gemeinderat Sissach zur Partnergemeinde. Denn Sissach ist ebenfalls Bezirkshauptort, beide Gemeinden hatten etwa gleich viele Einwohner. Und in beiden gab und gibt es wichtige Industrie- und Gewerbebetriebe, von den Beizen ganz zu schweigen.

Während der vergangenen 30 Jahre haben sich die beiden Gemeindebehörden wiederholt zusammengesetzt, um sich auszutauschen. Die Gemeindeversammlung von Laufen verknurrte vor einigen Monaten den Stadtrat sogar dazu, sich in Sissach zu erkundigen, was man dort in Sachen Finanzen besser macht: Denn anders als Sissach befinden sich dort die Finanzen in Schieflage.

Einwohnermässig ist Sissach Laufen etwas voraus. Vor wenigen Monaten feierte Laufen seinen 6000. Einwohner. Sissach zählt derweil gegen 7000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Reges Fasnachtstreiben
Nun feiert Sissach also sein 800-jähriges Bestehen. Da regt sich der Stolz aller Laufnerinnen und Laufner. Denn anno 1125 gab es Laufen, den allerdings noch namenlosen Ort, der sich rund um den Birsfall bildete, bereits. Gefunden wurden in den 1940er-Jahren Reste einer römischen Villa, jedoch etwas abseits des heutigen Zentrums. Erstmals schriftlich erwähnt worden ist Laufen im Jahr 1141, also erst einige Jahre nach Sissach. Es ist aber anzunehmen, dass es rund um den Birsfall schon früher eine Siedlung gab. Anders als Sissach hat Laufen seit 1295 das Stadtrecht und darf sich der Gemeinderat von Laufen «Stadtrat» nennen.

Wie Sissach hat Laufen eine lebendige Fasnachtstradition, allerdings ohne das «Chluuri». Auch in Laufen gibt es grosse Fasnachtsumzüge, bereichert durch zahlreiche Wagencliquen aus den Nachbardörfern. In Laufen wie in Sissach ziehen «Schnitzelbänggler» von Beiz zu Beiz, um das Geschehen aus nah und fern ironisch gekonnt in Versform zu kommentieren.

Nicht nur wegen des erfolgreicheren Eishockeyklubs und der besseren Finanzlage blickt man in Laufen neidisch nach Sissach: Eine Gestalt wie das «Hutzgüri», das vor der Fasnacht Geld und Gaben heischt, könnte einiges dazu beitragen, die Finanzen Laufens zu sanieren. Und auch ein «Chluuri» kennt Laufen nicht – wobei es auch hier Personen gäbe, die man in Fasnachtszeiten, wenn nicht auf den Mond schiessen, so doch ehrenvoll verbrennen möchte.

Wie Sissach hat auch Laufen ein Heimatmuseum. Beide lohnen einen Besuch. Was aber Laufen fehlt, ist ein Henkermuseum – obwohl es hier den Flurnamen «Galgenmättli» gibt, wo im Mittelalter Delinquenten und Hexen gerichtet wurden.

Wichtige Zentrumsfunktion
Was in Laufen das regionale Gymnasium Laufental-Thierstein ist, ist für Sissach das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft. Beide Institutionen strahlen weit über die Region hinaus, indem sie interkantonal und überregional tätig sind.

Auch in Sachen Vereinsleben verbindet die beiden Gemeinden vieles. In Sissach wie in Laufen gibt es mehr als 100 Vereine, denen auch Mitglieder aus den Nachbargemeinden angehören. In beiden Orten werden die Sportanlagen und die Badi nicht nur von Einheimischen, sondern auch von Jung und Alt aus der Umgebung genutzt. Das sportliche Aushängeschild der Sissacher Metropole ist der EHC Zunzgen-Sissach. Über 27 Mannschaften verfügt der FC Laufen, dessen erste Mannschaft in den 1980er-Jahren der zweithöchsten Liga des Landes angehörte. Aktuell ist es um den Verein weniger gut bestellt: Ausgerechnet Kantonsrivale Bubendorf hat den Abstieg der ersten Herrenmannschaft von der zweiten in die dritte Liga besiegelt.

Was Laufen Sissach voraus hat, ist sein Stolz, das «Stedtli» mit seinen drei Toren – Ober-, Unter- und Wassertor. Die Tore begrenzen eine schöne, mittelalterliche Altstadt, die einen Besuch lohnt. Dafür hat Sissach das Schloss Ebenrain, während Laufen mit dem schmucken Stadthaus – und der ebenso schmucken spätbarocken Katharinenkirche – punkten kann.

Es gibt noch weitere Gründe für die Laufnerinnen und Laufner, auf Sissach neidisch zu sein. Die Parteienvielfalt ist im Oberbaselbiet grösser. In Sissach sind offenbar noch immer mehr Leute bereit, für den Gemeinderat zu kandidieren, als Sitze zu vergeben sind, gibt es hier doch die SP, die SVP, die FDP, die Grünen, die EVP, die «Stechpalme» und «Pro Sissach». In Laufen dagegen gelang es bei den letzten Stadtratswahlen nur mit Müh’ und Not, genügend Leute – lauter Männer – für den Stadtrat zu finden. Sechs von ihnen kandidierten auf einer gemeinsamen Liste, während sie vier Jahre zuvor noch auf unterschiedlichen Listen der Mitte, der FDP, der SP und der SVP um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler gebuhlt hatten. Das Parteienleben in Laufen ist praktisch zum Erliegen gekommen, wenn auch nicht die Streitlust.

Dafür geht es an den Gemeindeversammlungen sehr turbulent zu, wenn selbst ernannte Oppositionsführer und «Alles-Besserwisser» alles bekämpfen, was von der Exekutive vorgeschlagen wird. In Sissach wird wohl auch gestritten, dies aber konstruktiv.Trotzdem gibt es für die beiden Orte etwas Verbindendes: Sowohl der Stadtpräsident von Laufen als auch der Gemeindepräsident von Sissach tragen die Initialen PB – Pascal Bolliger dort und Peter Buser hier.

Vielfältiges Gewerbe
Neidisch könnte man in Laufen auch auf die Bezeichnung Weinbaudorf für Sissach sein. Zwar wird in Laufen auch Wein angebaut, sinnigerweise am Hang mit dem passenden alten Flurnamen «Auf den Reben». Mehr als einige Dutzend Flaschen gibt die jährliche Lese allerdings zurzeit nicht her. Ganz anders in Sissach, dessen Wein auch höheren Ansprüchen genügt. Dafür bieten gleich zwei Produzenten in Laufen eigenes Bier an: das «Sauhofbräu» und das «Brutam-Bräu», während es im Jubiläumsjahr 2025 in Sissach ein Jubiläumsbier gibt, das von «Unser Bier» gebraut wird und unter dem Namen «Öises Zwickel» mit einer speziellen Etikette feilgeboten wird.

Was Laufen ebenfalls fehlt, ist ein Hausberg wie die Sissacher Fluh mit ihrem Bergrestaurant. Zwar gibt es in der Nähe von Laufen den «Stürmechopf» als höchste Erhebung der Region; er ziert sogar als Logo die Korrespondenz der Stadtverwaltung. Dort ist aber weit und breit keine Beiz zu finden, dafür liegen lediglich Mauerreste eines römischen Wachturms. Wer viel im Baselbiet herumreist, kann Sissach nur beneiden: Während vielenorts ein Beizensterben zu beklagen ist – auch in Laufen –, so verfügt Sissach über eine beneidenswert lebendige Beizenvielfalt mit einem breiten, ausgezeichneten Angebot.

Architektonisch hat Laufen einiges zu bieten. Vom «Stedtli» war schon die Rede. Aber auch moderne Architektur hat hier ihren Platz. Haben Sie gewusst, dass Laufen die weltweit höchste Dichte an Bauten des Basler Architekturbüros Herzog & De Meuron hat? Für den hier ansässigen Bonbon-Hersteller Ricola hat das Architektenduo fünf Bauten realisiert, so viele wie an keinem anderen Ort der Welt. In Sissach steht das schmucke Schloss Ebenrain mit Parkanlage.

Bis vor einigen Jahren hatte Laufen ein Spital. Dieses ist inzwischen geschlossen und dient heute als Unterkunft für Asylbewerber. Entstanden ist dafür in Bahnhofsnähe das Gesundheitszentrum vor gut einem Jahr, das sich bereits einen sehr guten Ruf erarbeitet hat. Es wäre den Sissacherinnen und Sissachern, ja dem ganzen Oberbaselbiet, zu gönnen, wenn auch hier ein solches Gesundheitszentrum für die Notfall- und Erstversorgung entstünde.

Bis vor rund 20 Jahren verfügte Laufen über gleich zwei Zeitungen, die «Nordschweiz», die der damaligen CVP nahestand und entschieden für einen Wechsel zum Kanton Baselland eintrat, und den «Volksfreund», welcher der FDP nahestand und Sprachrohr der Berntreuen war. Sissach ist in der beneidenswerten Lage, noch eine eigene Lokalzeitung zu haben, deren Wirken erst kürzlich in der Person des mit dem Baselbieter Kulturpreis ausgezeichneten ehemaligen Chefredaktors Jürg Gohl eine verdiente Würdigung erfahren hat.

Was die Industrie angeht, so verfügen Laufen wie Sissach über Unternehmen mit weltweiter Ausstrahlung. In der Oberbaselbieter Gemeinde ist es etwa die JRG (ehemals Gunzenhauser, heute Georg Fischer), in Laufen Ricola («Wer hat’s erfunden?») und die Keramik-Industrie. Und beide Gemeinden verfügen über ein ebenso leistungsfähiges, breites Gewerbe. Und die Vielfalt an Läden im Zentrum von Sissach wie in und um das «Stedtli» Laufen lassen kaum einen Konsumentinnenwunsch offen. Auch die Landwirtschaft trägt beiderorts dazu bei, dass einheimisches Gemüse und Obst in den Läden und Wochenmärkten angeboten werden.

Das mittelalterliche Stadtrecht hat dazu geführt, dass Laufen zudem seit Jahrhunderten einen Monatsmarkt durchführt, jeweils am ersten Dienstag im Monat. In Sissach findet der grösste Markt im Herbst statt, und lockt ebenso viele Besuchende.

Warum nicht mehr Nähe?
Was verbindet die Menschen von Sissach und Laufen? In beiden Gemeinden leben nicht nur Alteingesessene; es fühlen sich hier wie dort Zuzügerinnen und Zuzüger aus dem In- und Ausland wohl. Die Dialekte in Sissach und Laufen klingen ähnlich: Es ist Baselbieter Baseldeutsch. Markant ist allerdings ein Unterschied: Die Laufentaler gelten in Basel als «die vo hinge füüre». Denn in Laufen sagt man «Ching», «Hüng», «hinge», während man im Oberbaselbiet «Chinder», «Hünd» und «hinde» sagt. Aber in beiden Gemeinden leben gesellige Menschen, die sich gern zu einem Schwatz im Zentrum treffen.

Es wäre eigentlich schön, wenn die mehr als 30-jährige Partnerschaft zwischen den Gemeindebehörden auch die Menschen erreichte. Man könnte einen regelmässigen Austausch pflegen, Feste gemeinsam feiern, sich gegenseitig zum Banntag einladen, zum «Räbesunntig», zu Ortsjubiläen und «Stedtlifesten», zur «Chluuri»-Verbrennung und so weiter. Denn leider weiss man hüben und drüben wenig, noch immer zu wenig voneinander.


Thomas Immoos ist in Laufen aufgewachsen. Der langjährige Journalist und frühere Redaktor schreibt auch regelmässig für die «Volksstimme».


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