Leben im Bezirksschreiberhaus
20.11.2025 WaldenburgFamilie Schnider Uhlig hat dem «Burgmattgut» Leben eingehaucht
Fünf Jahre stand das Haus leer, nachdem das Gebäude ab Ende 2013 nicht mehr als Bezirksschreiberei benötigt wurde. 2019 verkaufte der Kanton den Gebäudekomplex an Familie Schnider Uhlig. Schritt ...
Familie Schnider Uhlig hat dem «Burgmattgut» Leben eingehaucht
Fünf Jahre stand das Haus leer, nachdem das Gebäude ab Ende 2013 nicht mehr als Bezirksschreiberei benötigt wurde. 2019 verkaufte der Kanton den Gebäudekomplex an Familie Schnider Uhlig. Schritt für Schritt verwandeln sie das Bürogebäude in ein Wohnhaus.
Brigitte Keller
Als Vera Schnider zusammen mit Ehemann Fred Uhlig nach einem geeigneten Gebäude für ein Mehrgenerationenhaus suchte, stiess sie auf die alte Bezirksschreiberei in Waldenburg. Auf einmal wurde der Harfenistin bewusst, dass sie an dem leer stehenden Haus und dem etwas unheimlichen Garten schon ein paar Mal vorbeigekommen war, als sie für Aufnahmen in einem nahegelegenen Tonstudio war und zur Mittagspause ins Waldenburger «Stedtli» spazierte.
«Unsere Suche nach einem geeigneten Haus führte uns des Öfteren zu interessanten Gebäuden, gross und alt, mit viel Geschichte, im Verhältnis zur Grösse günstiger, aber auch komplizierter», erzählt Schnider. «Die Banken nennen sie ‹Liebhaberobjekte›, die sich schwer verkaufen lassen und Kopfzerbrechen bereiten beim Kalkulieren», fügt Fred Uhlig an.
Seine Begeisterung für das historische Haus wuchs jedoch rasch, als er anfing, zu dessen Geschichte (siehe Kasten) zu recherchieren. «Fast den Schlag getroffen» ob der Grösse hat es Ursula Schnider, die Mutter von Vera Schnider. Sie und ihr Mann Franz, bis dahin in Luzern zuhause, sind Teil des Unterfangens «Mehrgenerationenhaus». Gemeinsam wagte die Familie im Jahr 2019 schliesslich den grossen Schritt und kaufte zusammen das ehrwürdige Haus an der Hauptstrasse 21 in Waldenburg.
Bevor der grosse Entscheid gefällt wurde, setzten sich die Interessenten mit der kantonalen Denkmalpflege zusammen. «Die damalige Leiterin, Brigitte Frei-Heitz, hat uns sehr unterstützt», erzählt Vera Schnider, «sie war bei mehreren Besichtigungen gemeinsam mit der Maklerin dabei.» Bevor das Haus die letzten Jahrzehnte als reines Bürogebäude genutzt wurde, war es davor auch immer von den jeweiligen Beamten und ihren Familien bewohnt worden.
Dieser Umstand sei für die Denkmalpflege massgebend gewesen, und sie stand damit dem geplanten Rück- beziehungsweise Umbau in Wohnraum wohlwollend gegenüber. «Ohne die Zusicherung, im Hausinnern mehr oder weniger freie Hand zu haben, hätten wir den Schritt nicht gewagt», erklärt die Familie. «Das Bezirksschreiberhaus hatte weder Küche noch Badezimmer, nur viele Toiletten.»
Auch Auflagen des Brandschutzes könnten ein Vorhaben wie dieses verhindern. Hier wurde eine Lösung gefunden, mit der sich alle Beteiligten einverstanden erklären konnten. So musste beispielsweise das Seitengebäude komplett vom Haupthaus abgetrennt werden. Im Moment gelangt man einzig durch eine Türe im ersten Stock des Haupthauses in den Seitenflügel. Dort, wo immer noch «Erbschaftsamt» auf einem Täfelchen steht, bewohnen Franz und Ursula Schnider derzeit provisorisch drei Räume.
Familienzuwachs
Seit dem Einzug 2019 hat sich schon vieles verändert. Einerseits wurden aus zwei Generationen deren drei: Vera Schnider und Fred Uhlig wurden Eltern von Ruben, Enno und Manon. Und Schritt für Schritt wurden auch die Umbauarbeiten in Angriff genommen. Dabei macht die Familie möglichst viel selber. Uhlig hat sich dafür extra eine Werkstatt eingerichtet.
«Die vergangenen 200 Jahre wurde das Gebäude immer als Amtsgebäude genutzt, und der Kanton hat es permanent umgebaut.» Dadurch sei im Innern kaum noch etwas aus der Ursprungszeit vorhanden. Dies ermögliche es ihnen, ihre Ideen und Vorstellungen umzusetzen. «Ich versuche, dem Historischen so gut es geht gerecht zu werden», erklärt Fred Uhlig. «Alles, was moderne Materialien sind, trage ich bis auf die letzte historische Schicht ab und versuche von dort aus, mit historischen Materialien wieder aufzubauen, damit es konzeptuell stimmiger und dem Haus gerechter wird.»
Dieses Zurückgehen an die Quelle, das interessiere ihn und seine Frau Vera sehr. «Nicht aus dem Jetzt heraus etwas überstülpen, sondern aus den Anfängen heraus aufbauen.» Dann könne man immer noch entscheiden, ob das Verfahren noch zeitgemäss sei oder doch etwas Geeigneteres in Betracht gezogen werden müsse. So hat er beispielsweise die Küche selber aus alten Dielenbrettern – den sogenannten «Blindböden» – gebaut, die beim neuen Aufbau der Böden zum Vorschein gekommen sind. «Ich muss sagen, dass ich daraus keine Küche mehr bauen würde. Das Aufarbeiten des Holzes hat fast mehr Arbeit gemacht, als die ganze Küche zu bauen …», gesteht Uhlig rückblickend ein.
Schlaflose Nächte
Und wie steht es mit unliebsamen Überraschungen, die bei einem solch historischen Gebäude und den zwischenzeitlich vorgenommenen Umbauten auftauchen können? Ja, ein paar schlaflose Nächte hätte er schon gehabt, erzählt Fred Uhlig, als beim Einbau des Badezimmers in der Mauer auf der Nordseite verfaulte Balken zum Vorschein gekommen seien. Das sei bisher das Schlimmste gewesen und habe ihn genervt. «Die Planung ist und bleibt immer ein bisschen schwierig», ergänzt Vera Schnider. Obwohl sie alle Dokumente zum Haus zusammengetragen haben, auch aus dem Staatsarchiv, sei längst nicht alles dokumentiert.
Im Inventar aufgelistet sei dafür ein alter Biedermeier-Ofen, der aber nirgends auf dem Areal aufzufinden war. Familie Schnider Uhlig hofft, dass dieser nicht wie so vieles andere beim grossen Umbau in den 1990er-Jahren oder spätestens beim Auszug der Bezirksschreiberei entsorgt wurde, sondern vielleicht noch irgendwo in einem Depot des Kantons zwischengelagert ist. Die eine oder andere Überraschung wird das ehrwürdige Haus für die Familie noch bereithalten. Wer weiss, vielleicht gehört auch das Auftauchen des Ofens dazu.
Das Haus und seine rund 250-jährige Geschichte
bke. Der Grundstein für das Gebäude wurde wahrscheinlich kurz nach 1769 gelegt: In diesem Jahr erwarb der Oberzunftmeister und spätere Bürgermeister der Stadt Basel, Johannes Ryhiner (1728– 1790) das Grundstück. Erwähnung findet das Gebäude seit dem Jahr 1774. Nachdem der Kanton das Grundstück mit Haus 1825 kaufte, wurde der eingeschossige Bau durch eine Aufstockung im Jahr 1826 erweitert und erhielt dadurch sein heutiges Aussehen. In den darauffolgenden Jahren ist wahrscheinlich auch der angebaute Seitenflügel hinzugekommen.
Ende der 1990er-Jahre wurde der barock-klassizistische Landsitz erneut, durch den Kanton, den Erfordernissen der Zeit angepasst und aufwendig renoviert. Nach 2000 wurde das Anwesen durch einen konzeptuell passenden Garten im französischen Stil aufgewertet.
Durch den Zusammenschluss der kantonalen Bezirksschreibereien Ende 2013 verlor der Bau, der auf der Liste der kantonal geschützten Kulturdenkmäler steht, seine Funktion. Im Jahr 2016 wurde eine Umzonung zur Wohn- und Geschäftszone gutgeheissen. Nachdem es mehr als fünf Jahre leer gestanden hatte, konnte der Kanton das Gebäude 2019 an eine private Käuferschaft veräussern.



