Kulturelle Aneignung bei Tattoos?
25.07.2025 SissachFloyd Varesi spricht über Symbole aus fremden Ländern Immer wieder kommen Personen mit klaren Vorstellungen ins Studio: Sie möchten ein Tattoo, das sie bei einem «Promi» gesehen haben. Für Floyd Varesi aus Sissach ist das ein Problem. Der Tätowierer betont, dass ...
Floyd Varesi spricht über Symbole aus fremden Ländern Immer wieder kommen Personen mit klaren Vorstellungen ins Studio: Sie möchten ein Tattoo, das sie bei einem «Promi» gesehen haben. Für Floyd Varesi aus Sissach ist das ein Problem. Der Tätowierer betont, dass die Kunden die kulturelle Bedeutung hinter dem Design häufig gar nicht verstehen.
Tobia Benaglio
«Sich mit Symbolen von fremden Kulturen zu schmücken, ohne ihre Bedeutung, Kultur und Religionen zu verstehen, ist, als würde man sich mit fremden Federn schmücken, um ein Bild von sich zu zeichnen, das so nicht existiert.» Dies schrieb der Sissacher Tätowierer Floyd Varesi kürzlich in seinem Blog in den sozialen Medien.
Der Mitinhaber von «Varry’s Tattoo-Studio» spricht damit vor allem Designs wie das polynesische «Maori Ta Moko», das japanische «Irezumi» oder Mandalas mit indigenem Ursprung an – Motive, die tief in bestimmten Kulturen verankert sind. «Diese Designs sind nicht einfach blosse Modeerscheinungen», sagt Varesi. Oft stammen sie aus Kulturen, die über Jahrhunderte hinweg unterdrückt wurden. Sie einfach ohne genaue Kenntnisse dieser Kultur zu übernehmen, könne respektlos wirken – und sogar Konflikte hervorrufen.
Trotzdem lehnt der Sissacher Tätowierer solche Wünsche nicht grundsätzlich ab. Vielmehr setzt er auf Beratung. In einem ausführlichen Vorgespräch will er verstehen, warum sich jemand für ein bestimmtes Design entschieden hat. «Es kommt vor, dass die Leute ein Motiv bei einem Prominenten oder im Internet gesehen haben und es dann eins zu eins übernehmen wollen», sagt Varesi. Das finde er «schrecklich». Doch meist lasse sich ein Weg finden: Gemeinsam mit den Kundinnen und Kunden entwickelt Varesi eine Variante, die sowohl das gewünschte Motiv als auch persönliche Elemente beinhaltet. So entsteht ein individuelles Tattoo, das zur Person passt – und nicht einfach kopiert ist.
Sorgen macht sich der Tätowierer vor allem auch wegen gesellschaftlicher Entwicklungen. «Ich las von einer Band, deren Konzert abgebrochen wurde, weil ihre weissen Mitglieder Dreadlocks (verfilzte Strähnen aus Haar) trugen. Wie viele Menschen laufen wohl mit Tattoos herum, die kulturell nicht zu ihnen passen? Heute sind es Dreadlocks – morgen vielleicht Tattoos?»
Problem bekannt bei Tätowierern
Dank eines guten Vorgesprächs und seiner Kreativität müsse er wenige Tattoos ablehnen, so Varesi. Trotzdem gibt es Motive, die er sehr ungern mache. Beispielsweise Tattoos auf der Mundschleimhaut – oder Gesichtstattoos. Auf der Innenseite der Unterlippe würde das Tattoo zu schnell verlaufen und je nach dem sichtbar, und im Gesicht würde ein Tattoo die Oberhand über die Person gewinnen. «Unsere Philosophie ist mir heilig: Der Mensch steht an erster Stelle, und ein Tattoo soll seinen Charakter unterstreichen, ihn ergänzen. Nicht umgekehrt.» Bei Kunden, die keinen Job oder keinen festen Stand im Leben haben, sei es umso wichtiger, einen guten Kompromiss zu finden. Denn immer noch können Hals- oder Handtattoos die Stellensuche beeinträchtigen. Meistens fände er aber einen Weg, einen Kompromiss zu schmieden, der für alle stimmt.
Die Problematik sei in der Branche bekannt, bestätigt Fabio Colombo vom Tattoo-Studio «Living Dead» in Liestal. Sein Team zieht klare Grenzen: «Alles, was rassistisch, homophob, frauenfeindlich oder anderweitig diskriminierend ist, lehnen wir konsequent ab», betont er im Gespräch mit der «Volksstimme». Wenn die kulturelle Bedeutung eines Symbols unklar sei, spreche man das offen an. «Am Ende sind wir jedoch ein Dienstleister – keine Moralpolizei. Die Entscheidung liegt letztlich beim Kunden.» Amy Norris, die Inhaberin von «Nottie Tatts» aus Lausen, sieht es ähnlich: Grundsätzlich solle der Kunde entscheiden, ob das Tattoo gestochen werden soll. Einzig rassistische Designs oder Tattoos, die mit dem Tod zu tun haben, würden beim Lausner Studio abgelehnt.