Kürzung von Direktzahlungen?
16.09.2025 SissachDer Versicherungsschutz in der Landwirtschaft soll besser werden
Ab 2027 gilt für landwirtschaftliche Betriebe eine neue Bedingung: Nur wer mitarbeitende Ehe- oder Lebenspartnerinnen und -partner ausreichend versichert, erhält die vollen Direktzahlungen. Damit will die Politik ...
Der Versicherungsschutz in der Landwirtschaft soll besser werden
Ab 2027 gilt für landwirtschaftliche Betriebe eine neue Bedingung: Nur wer mitarbeitende Ehe- oder Lebenspartnerinnen und -partner ausreichend versichert, erhält die vollen Direktzahlungen. Damit will die Politik eine Lücke schliessen, die bisher vor allem Frauen betraf.
Elmar Gächter
Wie Nationalrätin Simone de Montmollin (FDP) in einer Motion von Dezember 2020 festhielt, arbeiteten von den damals rund 150 000 Personen in der Schweizer Landwirtschaft rund 65 000 Familienangehörige im Betrieb mit, darunter etwa 43 000 Frauen. Mitarbeitende Familienmitglieder hätten aber nicht denselben Sozialversicherungsschutz wie familienfremde Angestellte. Die auf dem Betrieb mitarbeitenden Familienmitglieder, überwiegend Frauen, seien weder ausreichend gegen Verdienstausfall noch für die Altersvorsorge abgesichert.
Dem Anliegen der Motionärin, diese Situation zu verbessern, hat das Parlament im Rahmen der Agrarpolitik zugestimmt. Neu ist, dass persönlicher Versicherungsschutz für mitarbeitende Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie eingetragene Partnerinnen und Partner ab 2027 Kriterium ist, damit die Betriebe Direktzahlungen in voller Höhe erhalten.
Der Bäuerinnen- und Landfrauenverein beider Basel hat das Thema an seiner Herbsttagung thematisiert, um «rechtzeitig auf der sicheren Seite zu sein», wie es in der Einladung hiess. Mit an Bord waren der Bauernverband beider Basel, das Ebenrain-Zentrum sowie die Agrisano-Versicherung. Gegen 50 Interessierte liessen sich in der Aula des Ebenrains über die neuen Bestimmungen ins Bild setzen. Sie sehen eine Taggeldversicherung bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit sowie eine Risikovorsorge für Invalidität und Tod für die Zeit bis zum AHV-Alter vor. Die Jahresrente beträgt mindestens 24 000 Franken, ein Alterssparen ist nicht vorgesehen. Die Bedingungen gelten, so Benno Niederberger vom Ebenrain, für Personen unter 65 Jahren – ausgenommen Jahrgang 1972 und älter – ohne eigenes Einkommen unter der Eintrittsschwelle des Beruflichen Vorsorgegesetzes (BVG) sowie nur bei regelmässiger und beträchtlicher Mitarbeit auf dem Betrieb.
Sanktionen bis 2000 Franken
Neben verschiedenen Ausnahmen sieht die neue Regelung Sanktionen vor, falls die Versicherung ab 2027 nicht vorhanden ist. Die Direktzahlungen werden um 10 Prozent gekürzt, mit Mindestbeiträgen von 500 bis maximal 2000 Franken pro Jahr, im Wiederholungsfall erhöhen sich die Sanktionen um das Doppelte beziehungsweise Vierfache. Kontrollinstanz für die Betriebe in Baselland und Basel-Stadt ist der Ebenrain. «Diese werden stichprobenweise und risikobasiert durchgeführt. Umfang und Inhalt der Kontrollen sind noch nicht abschliessend definiert und werden von den Kantonen in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landwirtschaft festgelegt», betont Benno Niederberger.
Einige wenige Fragen der Teilnehmenden betrafen die Berechnung des massgebenden Einkommens sowie die Höhe der Versicherungsprämien. Die Letzteren können, so Stephan Landert, Leiter der Agrisano-Versicherungen beim Bauernverband beider Basel, nur im konkreten Einzelfall beantwortet werden. Er hob die Wichtigkeit hervor, sich versichern zu lassen: «Es geht nicht nur darum, dass die wegen Krankheit oder Unfall ausfallende Person ihren Lohn weiter erhält, sondern auch darum, dass die Kosten der Ersatzkraft versichert sind.»
An solche Situationen erinnerten auch Evelyne Gasser, Präsidentin der Bäuerinnen und Landfrauen, sowie ihre Stellvertreterin Beatrice Buess. «Ein Landwirtschaftsbetrieb ist wie ein grosses Uhrwerk, und wenn nur ein Rädchen ausfällt, funktioniert vieles nicht mehr. Neben den finanziellen Folgen kommen dann oft schwere familiäre Belastungen hinzu, die man keinesfalls unterschätzen darf», sagten beide unisono.
Wie viele Personen von der neuen Regelung betroffen sind, lässt sich weder vom Ebenrain noch vom Vorstand der Bäuerinnen und Landfrauen beider Basel einschätzen. «Unsere Umfrage im Vorstand lässt nur Vermutungen zu, dass es Betriebe gibt, die diesen Versicherungsschutz benötigen», so Beatrice Buess. Laut einer Studie von Agridea, der Beratungszentrale für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft, aus dem Jahr 2022, hat sich die soziale Absicherung der familiären Mitarbeitenden im Laufe der letzten zehn Jahre deutlich verbessert. Demnach beträgt Anteil der Frauen ohne eigene Absicherung und Vorsorge noch rund 4 Prozent. Im Kanton Baselland liegt der Anteil der weiblichen Familienangehörigen, die massgebend im Betrieb mitarbeiten, laut der kantonalen Statistik bei rund 800 Personen.