«Kordia» redimensioniert Projekt
28.03.2025 SissachGerüchte über einen Abbruch des Projekts machten die Runde. Nun verkündet der Vorstand einen Neustart: Aufgrund des Rutschhangs und der Lage direkt über dem Umfahrungstunnel mussten die Baupläne der Genossenschaftssiedlung geändert werden.
Nikolaos ...
Gerüchte über einen Abbruch des Projekts machten die Runde. Nun verkündet der Vorstand einen Neustart: Aufgrund des Rutschhangs und der Lage direkt über dem Umfahrungstunnel mussten die Baupläne der Genossenschaftssiedlung geändert werden.
Nikolaos Schär
Die Wohnbaugenossenschaft «Kordia» plant seit 2020 eine grosse Überbauung bei der Allmend in Sissach, die ursprünglich 2026 bezugsbereit sein sollte. Der Standort der Siedlung im Gebiet eines Rutschhangs, der sich direkt über der Tunnelröhre der Umfahrung Sissach befindet, verzögerte jedoch den Planungsprozess erheblich: «Das ist sicher schon der siebte Entwurf für den Baufahrplan», sagt Präsident Pascal Benninger in der geheizten «Cabana» unterhalb der «Rütschete» in Sissach. An den Wänden der Holzbaracke hängen Pläne. In der Ecke steht ein Modell. Das Gebäude wirkt wie eine Kommandozentrale im Dickicht des Gebüsches, das hier seit der Fertigstellung der Umfahrung Sissach wuchert. Benninger und Vorstandsmitglied Walter Fux sind überzeugt, dass es mit der Siedlung Dank des geänderten Bebauungsplans klappen wird.
Am bewachsenen Hang neben der Allmend will die «Kordia» auf Land des Kantons im Baurecht eine Genossenschaftssiedlung mit 72 Wohnungen erstellen, die Platz für rund 200 Menschen bieten soll. Das Projekt ist bezüglich Konzept und Grösse oberhalb von Liestal einzigartig. Die geplanten Wohnungen sind kleiner als marktüblich. Dafür sollen in den sechs Gebäuden gemeinschaftliche Räume zur Verfügung stehen, die für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden können. Besonderes Augenmerk wird auf Nachhaltigkeit gelegt: Die Bewohner sollen möglichst ohne Auto in die Siedlung ziehen.
Gestern informierte der Vorstand die Genossenschafter, dass das Projekt überarbeitet wurde und nun allen involvierten Stellen, insbesondere dem Kanton, zur erneuten Vorprüfung unterbreitet wird. Da die letzte Medienmitteilung der «Kordia» mehr als ein Jahr zurückliegt, kursierten Gerüchte, das Projekt sei gestorben. Auf die Frage, warum es so lange still um die «Kordia» war, antwortet Fux: «Wir wollten nicht ohne Neuigkeiten kommunizieren.» Man habe sich aber für alle Schritte den Segen der rund 140 Genossenschafter geholt und diese halbjährlich über den Stand der Dinge informiert, so Fux.
Pläne liegen wieder beim Kanton
Die Verzögerungen bei der Planung der Überbauung sind aufgrund des Standortes entstanden: Der Hang «Rütschete», der – wie der Flurname impliziert – rutschgefährdet ist, befindet sich direkt über dem Tunnel der Umfahrung Sissach. Dort in der Gegend brach der Tunnel beim Bau 2002 ein.
Um das Projekt realisieren zu können, braucht die Genossenschaft grünes Licht vom kantonalen Tiefbauamt. Dieses ist laut Benninger jedoch der Ansicht, dass das vorliegende Projekt bei einer allfälligen Überbauung schwer zu beziffernde Risiken für die Hangsicherheit berge und damit die Tunnelröhre beschädigen könnte. «Wir müssen dem Kanton zeigen können, dass wir die Sicherheit des Tunnels durch den Bau der Siedlung nicht gefährden», sagt Benninger.
Um den Eingriff in den Hang zu minimieren, werden die Kellergeschosse der Gebäude und die geplante Autoeinstellhalle verkleinert. Dadurch werde die Baugrube kleiner und somit die Gefahr eines Hangrutsches verringert, sagt Benninger. «Mikropfähle» sollen den «schwebenden Gebäuden» den nötigen Halt geben. Das heisst: In den Boden gerammte Pfähle kompensieren das weniger tiefe Fundament und sollen so die Verankerung der Gebäude im Hang gewährleisten. Der Präsident spricht von einer «kleinen Redimensionierung», die an der Oberfläche kaum sichtbar sein werde. Der Rest des Projekts bleibe unverändert, so Benninger. Für den Chienbergtunnel wird möglicherweise in den nächsten Jahren eine Sanierung nötig. Dies wegen Schäden an der Tunnelröhre, die durch den quellenden Gipskeuper entstanden sind. Der Kanton habe der Genossenschaft keinen Grund zur Annahme geliefert, dass sich dessen Haltung – aufgrund der Probleme mit dem Tunnel – gegenüber dem Projekt geändert habe, versichert Benninger.
Dass das Projekt wegen seiner Lage spezielle Herausforderungen hat, war der Genossenschaft laut Benninger bereits vor der Unterzeichnung des Baurechtsvertrags Ende 2020 bewusst. Aber: «Die Schwierigkeiten des Siedlungsbaus aufgrund der Lage direkt über der Tunnelröhre haben wir damals unterschätzt.»
Projekt nächstes Jahr spruchreif?
Zum neuen Fahrplan sagt Vorstandsmitglied Walter Fux: «Wir hoffen, im Verlauf des Jahres Antworten von den zuständigen Stellen zu erhalten.» Viele Abklärungen seien bereits getroffen worden. Laut Benninger könnte der Quartierplan nächstes Jahr der Einwohnergemeinde vorgelegt werden. Genauere Zeitangaben über die weiteren Projektschritte seien aber Kaffeesatzleserei.
Die Verkleinerung der Autoeinstellhalle hat zur Folge, dass weniger Parkplätze als vorgeschrieben zur Verfügung stehen. Grundsätzlich ist dies bei Überbauungen mit Quartierplanpflicht möglich, das Projekt unterschritt aber bereits vor der Überarbeitung die übliche Zahl von 1,3 Parkplätzen pro Wohneinheit. Laut Benninger ist man diesbezüglich mit dem Gemeinderat im Gespräch. Der Reduktion der Parkplätze kann Benninger auch etwas Positives abgewinnen: «Wir kommen unserer ursprünglichen Vision des autofreien genossenschaftlichen Wohnens sogar wieder näher.»
Liquidität ist gesichert
Benninger geht davon aus, dass sich die Mieten für die Genossenschafter durch das überarbeitete Projekt nicht erhöhen werden. Beim jetzigen Projektstand könne man aber noch nichts Genaueres sagen. Auf die Frage, ob sich die lange Planungsphase negativ auf die Finanzen ausgewirkt habe, antwortet Fux: «Nein, die Liquidität ist bis zum Abschluss des Quartierplanverfahrens gesichert.» Man habe von Anfang an starke Unterstützung durch Genossenschafterinnen und Genossenschafter und externe finanzielle Unterstützer gehabt, so Fux.
Für einige Genossenschafter, die ihren Ruhestand in der Siedlung «Kordia» verbringen wollten, seien die Verzögerungen schmerzlich, räumt Benninger ein. Aber: «Wir sind wirklich gerührt über den Rückhalt und die grosse Unterstützung. Vielen geht es um die Idee des genossenschaftlichen Wohnens, die verwirklicht werden soll.»
Grundsätzlich seien Kanton und Gemeinde an der Realisierung des Projekts interessiert, versichert Benninger. Für die Gemeinde Sissach würde es rund 150 neue Steuerzahlende bedeuten. Seit 2024 ist zudem das Wohnraumfördergesetz in Kraft, das den Kanton Baselland verpflichtet, sich für gemeinnützigen Wohnraum einzusetzen. Dazu soll er geeignete Grundstücke erwerben und im Baurecht an Institutionen wie die «Kordia» abgeben.
Ein Lächeln rutscht Benninger und Fux dennoch über die Lippen, als sie sagen: «Der Vorstand ist auf dem Boden der Realität angekommen.» Ob dieser ins Rutschen gerät oder ob die «Kordia» nun auf sicherem Grund steht, wird der weitere Projektverlauf zeigen. Am kommenden Samstag wird das Land rund um die Holzbaracke im unteren Teil der «Rütschete» gepflegt und von Dornen und jungen Bäumen befreit. «Kordia lebt», fasst Benninger zusammen.