Kanton sucht Arbeit für Häftlinge
02.10.2025 SissachBehörden sehen beim Bezirksgefängnis keine baulichen Mängel
Nach dem Gefängnisaufstand am 19. August in Sissach entfachte eine Debatte darüber, wieso nur wenige Häftlinge arbeiten konnten. In Sissach ist dies zurzeit nicht möglich. Damit steht der ...
Behörden sehen beim Bezirksgefängnis keine baulichen Mängel
Nach dem Gefängnisaufstand am 19. August in Sissach entfachte eine Debatte darüber, wieso nur wenige Häftlinge arbeiten konnten. In Sissach ist dies zurzeit nicht möglich. Damit steht der Kanton Baselland nicht alleine da.
Tobias Gfeller
Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Resozialisierung von Häftlingen. Auch können sich Häftlinge damit einen Batzen verdienen, den sie zum Beispiel am gefängnisinternen Kiosk ausgeben können. Neben diesem Freigeld verfügen Häftlinge auch über ein Zweckkonto – auch Sperrkonto genannt –, das dazu dient, Gelder zu verwalten, die nicht für den sofortigen Konsum bestimmt sind.
Am 19. August wollte ein Häftling im Bezirksgefängnis Sissach Geld von seinem Zweckkonto beziehen, um am Kiosk etwas zu kaufen. Die Gefängnisleitung lehnte dies gestützt auf die Haftordnung der Gefängnisse im Kanton Baselland ab. Daraufhin verweigerten sieben Personen die Einschliessung, worauf es zu einem Polizeieinsatz kam. Insgesamt waren rund ein Dutzend Mitarbeitende der Polizei Baseland vor Ort. Der Einsatz dauerte knapp drei Stunden.
Nachdem die Insassen mit polizeilicher Hilfe in ihre Zellen gebracht werden konnten, wurde durch drei Insassen der Feueralarm ausgelöst, indem sie WC-Papier anzündeten und unter den Feuermelder hielten. Die Feuerwehr rückte an und musste das Gefängnis aufgrund der Rauchentwicklung lüften. Als Disziplinierungsmassnahme wurden vier Häftlinge in die Abstandszelle, also den sogenannten Arrest, verlegt.
Der «Beobachter» machte den Gefängnisaufstand öffentlich. Die Baselbieter Sicherheitsdirektion (SID) selber kommunizierte den Vorfall nicht. «Da zu keiner Zeit Insassen, Mitarbeitende oder die Öffentlichkeit gefährdet waren, wurde nicht proaktiv über den Vorfall informiert», begründet SID-Sprecher Andreas Schiermeyer auf Anfrage. Der Gefängnisaufstand in Sissach sei nicht mit dem Vorfall im Gefängnis Liestal 2023 zu vergleichen, als sich 24 Häftlinge nach einem verbalen Streit mit dem Personal weigerten, in ihre Zellen zurückzukehren.
Das Bezirksgefängnis Sissach musste vorübergehend wieder geöffnet werden, weil der Platz in den übrigen Gefängnissen im Kanton nicht mehr ausgereicht hatte. Stand vergangene Woche waren in Sissach 10 der 16 Gefängniszellen besetzt. Arbeit gibt es nur für vier Häftlinge. Mehrere Häftlinge haben dadurch keine Möglichkeit, selber Geld zu verdienen. Der Basler Anwalt Andreas Noll kritisierte die Umstände im Bezirksgefängnis Sissach gegenüber dem «Beobachter» und SRF scharf. «So züchtet man Wiederholungstäter heran. Wer im Gefängnis keiner Arbeit nachgehen kann, hat kaum Chancen, wieder in die Gesellschaft integriert zu werden.»
Dass es nicht genügend Arbeit für alle Insassen hat, sei kein spezifisches Baselbieter Problem, versichert SID-Sprecher Andreas Schiermeyer. Als Grund nennt er unter anderem die beschränkte Infrastruktur in den Gefängnissen und dass aus Sicherheitsgründen nicht alle Tätigkeiten von Häftlingen ausgeführt werden können.
Keine eigenen Werkstätten
Bei der Anfrage von externen Firmen stehen Gefängnisse in Konkurrenz mit Wohn- oder Behindertenheimen, die für viele Unternehmen aufgrund des positiven Imageeffekts oftmals bevorzugte Partner sind, erklärt Schiermeyer. «Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Regionalgefängnisse strukturell anders ausgerichtet sind als grössere Vollzugsanstalten, die häufig über spezialisierte Werkstätten oder gesicherte Produktionsbereiche verfügen. Zudem erschwert es die temporäre Ausrichtung des Bezirksgefängnisses Sissach, externe Unternehmen für eine längerfristige Zusammenarbeit zu gewinnen, da viele bevorzugt mit Standorten kooperieren, bei denen die langfristige Abnahme von Arbeitsleistungen gesichert ist.»
Derzeit werden gemäss Andreas Schiermeyer mit Hochdruck neue Kontakte zu privaten Unternehmen geknüpft, um zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. «Erste Gespräche sind bereits im Gang und es besteht die Aussicht, dass sich die Arbeitssituation bis Ende dieses Jahres verbessern wird.»