Individualbesteuerung: neue Ungleichbehandlungen
15.04.2025 LampenbergStefan Thomann, Gemeindevizepräsident Lampenberg, parteilos
Ehepaare werden heute gemeinsam veranlagt, was den bürokratischen Aufwand reduziert und der Idee der Ehe auch als wirtschaftlicher Gemeinschaft entspricht (diese Idee kennen wir auch aus anderen ...
Stefan Thomann, Gemeindevizepräsident Lampenberg, parteilos
Ehepaare werden heute gemeinsam veranlagt, was den bürokratischen Aufwand reduziert und der Idee der Ehe auch als wirtschaftlicher Gemeinschaft entspricht (diese Idee kennen wir auch aus anderen Rechtsgebieten wie dem Sozialversicherungs-, dem Unterhalts- oder dem Erbrecht).
Doch das aktuelle Steuerrecht führt dazu, dass gewisse Ehepaare teils deutlich höhere Steuern bezahlen müssen, als wenn sie individuell veranlagt würden. Dies ist die sogenannte «Heiratsstrafe», die eine Volksinitiative der FDP-Frauen nun beseitigen möchte. Bei der Individualbesteuerung würden Eheleute nicht mehr gemeinsam als Paar, sondern separat besteuert. Der indirekte Gegenvorschlag des Bundesrats wird gegenwärtig im Parlament diskutiert und hat intakte Chancen, zu Gesetz zu werden.
Dies wäre ein grosser Fehler, würde so doch eine Ungleichbehandlung durch eine andere ersetzt – begleitet von weitreichenden finanziellen Folgen für Bund, Kantone und Gemeinden (Stand heute soll die Steuerreform 600 Millionen Franken kosten, die für Armee und AHV-Finanzierung fehlten) sowie einem nicht zu unterschätzenden zusätzlichen bürokratischen Aufwand von 1,7 Millionen zusätzlichen Steuererklärungen.
In der NZZ vom 6. November 2024 machen Thomas Gabathuler und Serge Gaillard – basierend auf dem damaligen Stand des Gesetzgebungsprozesses – folgendes Beispiel: Heute bezahlt ein Ehepaar mit einem von einem Partner allein erzielten steuerbaren Gesamteinkommen von 90 000 Franken 1138 Franken Bundessteuern. Mit der Individualbesteuerung wären es aufgrund der Steuerprogression 1692 Franken, was einer Zunahme von fast 50 Prozent entspricht. Erzielten diese Ehegatten je 45 000 Franken steuerbares Einkommen, so müssten sie nach Einführung der Individualbesteuerung zusammen 356 Franken Bundessteuern bezahlen. Bei gleichem Haushaltseinkommen bezahlten traditionell lebende Ehepaare demnach einen fast fünfmal so hohen Steuerbetrag.
Offensichtlich ist die Erwerbseinkommensverteilung insbesondere dann ungleich verteilt, wenn das Ehepaar kleine Kinder hat und sich einer der Ehepartner auch der Kinderbetreuung widmet. Auch kann sich ein Ehepartner für eine Teilzeitbeschäftigung entscheiden, weil er Angehörige pflegt, sich anderweitig für die Ge- meinschaft engagiert, oder jedoch die ungleiche Einkommensverteilung ist schlicht dadurch begründet, weil er und sie in Branchen arbeiten, die ungleich hohe Löhne bezahlen. Am Ende sollten all diese Gründe keine Rolle spielen. Mann und Frau sollten zusammen entscheiden können, wie sie ihre Aufgaben aufteilen und bei dieser Entscheidung nicht von den steuerlichen Folgen beeinflusst sein.
Um die aktuellen Benachteiligungen beseitigen zu können, gibt es andere Wege: das Splitting, die alternative Steuerberechnung oder die Abschaffung – oder zumindest eine Reduktion – der Progression. Allein dass sich in der Vergangenheit für diese Modelle keine Mehrheiten gefunden haben, darf nicht als Argument dienen, eine unbefriedigende Situation mit einer anderen zu ersetzen, die Ehepaare mit ungleichmässiger Einkommensverteilung diskriminiert.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.