Indiskretionen und ihre Folgen …
05.06.2025Zum Artikel «Chilchacher wird nicht überbaut» in der «Volksstimme» vom 22. Mai, Seite 3
Es gibt Sätze, die man nie vergisst. Und man weiss noch, wo man sich befand, als dieser Satz einem zu Ohren kam. Ein Eingeweihter soll einem Dorfbewohner, der im Begriff war, aus Tenniken wegzuziehen, zugerufen haben oder vielleicht eher diskret «gesteckt» haben: «Warum ziehst du weg, es gibt ja auf dem Acker neben der Kirche bald Wohnungen in Hülle und Fülle. Bleib doch hier im Dorf.»
Meine Nachbarin öffnete mir die Türe zu dieser Indiskretionsküche, während mein Blick auf ihren Garten fiel, der gerade neben der Strasse liegt, auf der im Fall einer Grossüberbauung Hunderte von Lastwagen zu erwarten gewesen wären. Dieser eine Satz hatte seine Wirkung. Das Handy war in Griffnähe, und beim Anruf beim zuständigen Geschäfts- führer liess ich mir sagen, dass der Gemeinde in absehbarer Zeit ein wunderbarer Quartierplan präsentiert werde – alles in Absprache mit den Behörden und auf guten Wegen.
Hoppla. Eine Petition gegen diese still und heimlich geplante Überbauung war in Kürze gesammelt. In Windeseile kamen gut 200 Unterschriften zusammen. Diese Indiskretion war der Beginn eines dreijährigen Kampfs gegen eine Überbauung, die den letzten intakten Landschaftsgürtel mitten im Siedlungsgebiet gleich neben der Kirche in Betongold umwandeln wollte.
In diesem Zusammenhang meldet sich eine weitere Erinnerung ähnlichen Zuschnitts zu Worte: ebenfalls eine Indiskretion. In diesem Fall in Form eines anonymen Briefs. Wir befinden uns in den 1980er-Jahren, als ein anonymes Schreiben in meinem Briefkasten lan- dete. Ob wir im Dorf wüssten, dass in einem kaum besiedelten Seitental mit direktem Anschluss zur Autobahn eine Mülldeponie geplant sei? Da staunte der Laie, aber es stellte sich bald heraus, dass die Fachmänner sich nicht wunderten, weil sie von diesen Plänen bereits Kenntnis hatten.
Das ganze Unterfangen wurde in stiller Übereinkunft zwischen Behörden und Projektleitung gut vorbereitet: Das Modell dieser Bauschuttdeponie sollte kurz vor der Gemeindeversammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Nur dieses anonyme Schreiben kam für die Projektplaner zur Unzeit. Sobald der Inhalt des Schreibens – es kam aus den Reihen der kantonalen Verwaltung, die bereits in die Planung einbezogen war – bekannt wurde, entstand im Dorf eine heftige Diskussion und die breite Ablehnung innerhalb der Bevölkerung gegenüber dieser geplanten Befüllung des Tals mit Bauschutt war unüberhörbar. Ein Verwalter der kantonalen Verwaltung griff zum Telefon und fragte entnervt, wo Bauschutt denn sonst deponiert werden sollte. Der Sound dieses Gesprächs blieb haften. Die Gemeindebehörde begriff schnell, dass dieses Projekt nicht mehrheitsfähig war, und liess ihre Fahne in der Richtung flattern, aus der der Wind aus allen Gassen blies.
Schliesslich empfahl der Gemeindepräsident der Gemeindeversammlung das Projekt eindringlich zur Ablehnung. Einmal mehr schlossen sich die Reihen. Das Tal behielt seine ursprüngliche Form – und der Acker neben der Kirche schwingt sich weiterhin elegant Richtung Dorfmitte.
Was Indiskretionen alles zu bewirken vermögen!
Kaspar Geiger, Tenniken