Im Spiegel von Technik und Kunsthandwerk Das ist
21.11.2025 SissachSissach (47. Teil) | Die reformierte Kirche feiert ihren 500. Geburtstag
Der politischen Gemeinde, die mit einer Vielfalt grösserer und kleinerer Anlässe ihren 800. Geburtstag feierte, stand die Kirche in nichts nach. Zum Abschluss der Blick auf bauliche Aspekte ...
Sissach (47. Teil) | Die reformierte Kirche feiert ihren 500. Geburtstag
Der politischen Gemeinde, die mit einer Vielfalt grösserer und kleinerer Anlässe ihren 800. Geburtstag feierte, stand die Kirche in nichts nach. Zum Abschluss der Blick auf bauliche Aspekte des 500-jährigen reformierten Gotteshauses, in denen sich Vergangenheit und Moderne begegnen.
Matthias Plattner
Während mein Beitrag «Gotteshäuser und Wolkenkratzer» im Mai sich mit der Institution Kirche in Geschichte, Gegenwart und Zukunft beschäftigte, werden heute die fünf Jahrhunderte der reformierten Kirche als Gebäude betrachtet – im Licht der Entwicklung von Technik und Kunsthandwerk.
Licht
400 Jahre lang wurde die Kirche mit Fackeln, Kerzen und Laternen beleuchtet. In Sissach gibt es seit 1899 elektrisches Licht, 1903 wurde die Kirche damit ausgestattet. 1917 folgte eine Innenrenovation und es wurde die Beleuchtung verbessert. Vermutlich weil der Musikverein die Kirche für Konzerte mitbenutzte und von der verbesserten Beleuchtung profitieren konnte, unterstützte dieser die neue Beleuchtung mit dem Ertrag eines Benefizkonzerts. Nach weiteren 50 Jahren wurde 1965 die Beleuchtung erneuert und 2017 erhielt die Kirche eine moderne, digital steuerbare Lichtanlage auf LED-Basis.
Wärme
In den Anfängen war unsere Kirche ohne Heizung. Gottesdienste im Winter sind entweder ausgefallen oder waren schlecht besucht. Später wurden grosse Holzöfen installiert. Der Sigrist hatte die Aufgabe, gemeinsam mit kräftigen Schulbuben einzufeuern. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, wie bei Tiefdruckwetter der kalte Kirchenraum eingeräuchert worden ist, bis die Öfen warm waren. Im Gemeindearchiv findet sich 1910 ein Schreiben des damaligen Sigristes an den Gemeinderat, in dem er sich beschwert, dass nur ein Ofen in der Kirche funktioniert habe – und er deshalb die ganze Nacht auf Sonntag durchheizen musste. Er verlangte eine Lohnaufbesserung.
1909 hat ein Unternehmen der Gemeinde eine elektrische Heizung mit Warmwasserleitungen unter den Bänken offeriert. Eine solche wurde erst 1924 eingebaut – ein Quantensprung in Sachen Behaglichkeit. Im Archiv der Einwohnergemeinde findet sich ein Dokument der jungen Elektra Sissach vom 13. Oktober 1924, das die volle Funktionsfähigkeit der Heizung bestätigt. Mit der Renovation 1965 erhielt die Kirche dann eine zeitgemässe Bodenheizung.
Aktuell steht zur Diskussion, ob die Kirchgemeinde sich mit der Eignerin des Gotteshauses, der Stiftung Kirchengut, der für die Schulanlagen geplanten Fernheizung anschliessen will.
Ton
Viele alte Kirchen haben eine erhöhte Kanzel. Diese diente für die Predigt. Nicht nur zwecks Blickkontakt wurden Kanzeln errichtet, sondern zur besseren Vernehmbarkeit der Rednerstimme. Der Kanzeldeckel hoch über des Pfarrers Kopf bewirkte, dass dessen Worte nicht Richtung Kirchendach verloren gingen, sondern den Weg in die Bänke und hinüber auf eine allfällige Empore fanden. Gemeinden mit stimmschwachen Geistlichen waren trotzdem arm dran. Mit der Erfindung von elektrischen Lautsprechern und Mikrofonen wurde die Bedeutung der Kanzeln geringer – auch deswegen werden viele heute nicht mehr genutzt.
Seit 1965 verfügt unsere Kirche im Boden über eine eigene Hörschlaufe für Hörbehinderte. Im Jahr 2017 erhielt die Kirche eine neue digitale Audioanlage, die sich von einem Tablet aus steuern lässt.
Trotzdem: Die Akustik in Gotteshäusern bleibt anspruchsvoll. Menschen fortgeschrittenen Alters erleben oft beim Gottesdienstbesuch, dass ihr Gehör abnimmt. Dann ist manchmal zunächst die untaugliche Anlage, die unqualifizierte Sigristin oder der nuschelnde Pfarrer schuld. Wir bieten bei uns mobile Hörgeräte an und empfehlen, sich nach vorne zu setzen.
Bild
Erinnern Sie sich an die 1960er- bis 1990er-Jahre – als die Pfarrer sich vor der Gemeinde mit klemmenden Diaprojektoren abmühten, um einige Bilder aus Afrika zu präsentieren? Seit der Jahrtausendwende kommen in Kirchen Beamer zum Einsatz. Mit diesen lassen sich Bilder und ganze Filme vorführen. 2017 bekam Sissach einen fix installierten Beamer auf der Empore. Seit der Corona-Pandemie 2020 werden bei uns Interessierten einzelne Feiern, vorwiegend Festgottesdienste, auch per Livestream direkt nach Hause übertragen.
Daten und Funk
Via Smartphone und Internet können heute alle im Kirchenraum vernetzt sein. Doch wie peinlich, wenn mitten im Gebet oder in der Stille ein Telefon klingelt … Auch die still aktiven Handys einer grossen Hörerschaft können die Technik im Raum stören – und Übertragungen von Film, Bild oder das Einspielen von Musikstücken verwackeln.
Die Störungsanfälligkeit trotz vieler Optionen bedeutet zusätzlichen Stress für Sigristen-Team und Pfarrpersonen. In grösseren Gemeinden sind regelmässig auch geschulte Techniker mit im Einsatz. Noch nicht bei uns.
Hand- und Kunsthandwerk
Für den Bau der Kirche in den Jahren 1520 bis 1525 waren viele Bauern und Handwerker aus der Gegend mit im Einsatz. Bestimmt gab es auch häufig von der Obrigkeit in Basel befohlene Fronarbeit.
Einigermassen anständig bezahlt waren die raren qualifizierten Kunsthandwerker: Steinmetze für die Verzierungen am Stein, Schreiner und Schnitzer für die Bearbeitung des Holzes: am Abendmahlstisch, für Kanzel und Chorgestühl. Auch Glockengiesser, Kirchenfenstergiesser und Orgelbauer gehörten dazu.
Stellvertretend für all diese Handwerker sei Kupferschmied A. Cleis genannt, welcher der Kirchgemeinde 1917 für bloss 855 Franken die Kirchturmspitze saniert und den wunderbaren vergoldeten «Güggel» geschaffen und montiert hat. Dass jener «Güggel» auf das bisherige Kreuz draufund nicht anstelle dessen gestellt wurde, ist eine Geschichte für sich.
Über die Geschichte unserer Kirchenglocken war hier bereits in einem Beitrag von Kollege Markus Christ ausführlich zu lesen.
Viele dieser wunderbaren kunsthandwerklichen Berufe sind heute vom Aussterben bedroht. Es gibt nurmehr wenige Spezialistinnen und Spezialisten und Betriebe im Land. Hinter zahllosen lebendigen Traditionen, hinter Kulturgut, das über Jahrhunderte hinweg die Schweiz geprägt und ausgemacht hat, standen solche Künstler. Wo braucht es heute noch eine neue Kirchenglocke? Einen Steinmetz, wenn nur noch ein Gemeinschaftsgrab gefragt ist? Welche Kirchgemeinde kauft sich nicht eher eine preiswerte elektronische Orgel oder ein Piano aus Asien, anstatt einen Schweizer Orgelbauer zu beauftragen? Es gilt, diesem Schaffen Sorge zu tragen, damit Wissen und Können nicht für immer verloren gehen.
Interessierte, die mehr über die bewegte Geschichte der 500-jährigen Kirche und ihrer Schätze wissen möchten, seien auf unseren neuen kunsthistorischen Kirchenführer verwiesen sowie an die neun Stationen im Kirchenraum, wo über QR-Codes viele weitere Informationen sowie Film- und Tonmaterial (beispielsweise zur Orgel und den Glocken) geboten werden. Die Broschüren können bei unseren Sigristinnen, im Sekretariat und in der Papeterie Pfaff bezogen werden – warum nicht als Weihnachtsgeschenk?
Die nächsten Jubiläumsanlässe
Seit 17. Januar: Alte Gemälde und Zeichnungen neben aktuellen Fotografien des Theaterfotografen Ernst Rudin (70). Zugänglich zu den Schalteröffnungszeiten im Gemeindehaus.
Seit 7. September: Sonderausstellung 800 Jahre Sissach im Heimatmuseum.
27. bis 30. November: Musik- und Turnerabend «Cirque du Sissach» vom Turnverein und Musikverein Sissach.



