Denise Buser schrieb in lyrischer Sprache ein Buch über Dichterinnen

In «Dichten gegen das Vergessen» porträtiert Denise Buser zwölf Dichterinnen aus der ganzen Welt und aus verschiedenen Zeitepochen. So recherchierte die Basler Juristin auch zu Helene Bossert und stiess dabei auf unbekannte Gedichte aus der Feder der Oberbaselbieterin.

Jürg Gohl

Frau Buser, Sie haben in durchaus poetischer Sprache ein Buch verfasst, in dem Sie zwölf völlig unterschiedliche Dichterinnen porträtieren. Das überrascht bei einer früheren
Strafrichterin und Uniprofessorin, wird doch die Sprache Ihres Berufsstandes an Schulen und im Journalismus gerne benutzt, um zu zeigen, wie keinesfalls geschrieben werden sollte.
Denise Buser: Tatsächlich? Da muss ich gleich korrigieren. Ich selber habe einst bewusst dieses Studium gewählt, weil es sehr viel mit der Sprache zu tun hat. Das ist eine Sprache, die sehr präzise sein muss und keine Interpretationsspielräume bieten soll, wenn sie zum Beispiel Tatbestände beschreibt. Ein Gesetz muss so präzise verfasst sein, dass es im Alltag bestehen kann. Schliesslich gibt es eine Reihe von Schriftstellern, weniger Schriftstellerinnen, die von Haus aus Juristen waren, angefangen bei Goethe, der sogar als Jurist arbeitete, aber auch Kleist und Kafka.

Doch wir sprechen hier von einer ganz anderen Sprache, die Sie in Ihrem neuen Buch pflegen.
Wenn in meinem Berufsalltag die juristische Sprache vorherrscht, bedeutet das nicht, keine Ader für diese andere Sprache zu haben. 2011 verfasste ich mein erstes Fabelbuch, und bei juristischen Aufsätzen geht es letztlich darum, eine Geschichte zu erzählen und Neugierde zu wecken.

Gleichwohl erstaunt es, dass eine Juristin auf die Idee kommt, in einem Buch zwölf Dichterinnen zu porträtieren.
Literatur war für mich immer sehr wichtig. Ich interessierte mich dabei immer auch für Gedichte und verfasste dabei sogar eigene. Dabei stiess ich zufällig einmal auf eine Reihe von mehr oder weniger oder mir sogar unbekannten Dichterinnen. Das gab den Anstoss, mich mit ihren Werken und den teils verrückten Lebensgeschichten zu befassen. Daraus entwickelte sich schliesslich die Idee zu «Dichten gegen das Vergessen».

Eine Autorin, zwölf Dichterinnen und ihre Urmutter Sappho von Lesbos: Legen Sie uns ein bewusst feministisches Buch vor?
Nicht unbedingt. Männer sind selbstverständlich auch eingeladen, diese Dichterinnen kennenzulernen. Und die bisherigen Leser finden mein Buch ebenfalls sehr interessant. Aber natürlich geht es darum, die Dichterinnen sichtbar zu machen, die allesamt ein Leben führten, das nicht der Norm entsprach. Ihr Leben wird ja einerseits aus meiner subjektiven Optik als Schriftstellerin geschildert, sowie am Ende der Kapitel kurz und in Fakten zusammengefasst.

Wie kamen Sie auf die zwölf Schriftstellerinnen?
Ich musste mich begrenzen, und zwölf ist eine gute Zahl. Sie sollen aus allen möglichen Epochen und aus aller Welt stammen. Doch eigentlich sind es ja 13 Dichterinnen.

Ja. Ihr Epilog, Frau Buser, ist eine einzige Huldigung an Sappho, an die legendäre Dichterin auf der Insel Lesbos.
Sie ist die Urmutter aller Dichterinnen. Es ist doch verrückt, dass ihre Werke im Original verloren sind und wir diese nur in Fragmenten kennen, weil sie von männlichen Autoren in deren Lehrbüchern zitiert wurde. Sappho ist berühmt, doch mir war es ein Anliegen, dass ihre zwölf «Jüngerinnen» im Buch, wie ich sie einmal nennen möchte, weniger bekannt und erforscht sind.

Wie fand unsere Oberbaselbieter Dichterin Helene Bossert Aufnahme in diesen kleinen Kreis?
Ich wollte um jeden Preis auch eine Schweizer Dichterin in mein Buch aufnehmen, mit der Auflage, dass ihr Werk überzeugen muss und sie eine spannende Biografie aufweist. Der Tipp stammt aus meinem Freundeskreis, ich begann zu recherchieren. Zuerst las ich ihre Mundart-Gedichte und war sofort hingerissen. Erst danach befasste ich mich mit ihrem Leben und dem berühmten «Russland-Reisli». Spätestens da war klar, dass Helene Bossert zu meinem Dutzend Dichterinnen in meinem Buch zählen wird. Sie hat fraglos das Format einer Dichterin. Das gilt für alle meine Dichterinnen: Im Zentrum stehen die Gedichte, erst hinterher folgt die Biografie. Deshalb findet sich im Anhang auch von allen eine kurze Auswahl ihrer Werke.

War es einfach, über die Oberbaselbieter Dichterin zu recherchieren?
Ja und nein. Es gibt zu Helene Bossert praktisch keine Sekundärliteratur. Sie ist wissenschaftlich noch weitgehend unentdeckt. Deshalb sprach ich zuerst im Liestaler Dichter- und Stadtmuseum vor, das mich wiederum an den «Cheesmeyer» in Sissach verwies. Dort lagerte das Privatarchiv noch, das kurz davorstand, ans Staatsarchiv übergeben zu werden. Zum Glück liessen mich dort alle im dritten Stock vertrauensvoll das gesammelte Material durchforsten. Zahllose Tage verbrachte ich dort.

Und Sie entdeckten dort sogar, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, neue Gedichte aus der Feder von Helene Bossert. Gewannen Sie auch neue biografische oder sogar wissenschaftliche Erkenntnisse?
Das Buch erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Als Schriftstellerin vermittle ich einzig meinen ganz persönlichen Blick auf sie und ihre Reise nach Russland. In ihrem Nachlass stiess ich auf viele Gedichte von ihr, die bisher nicht publiziert sind. Eines davon habe ich ja in meinen Beitrag über sie eingebaut.

Sie reden von «Vollmond».
Genau, ein Liebesgedicht. Da schiessen mir beim Lesen die Tränen in die Augen.

Zur Person

jg. Denise Buser (64) unterrichtete als Titularprofessorin an der Universität Basel und arbeitete als Strafrichterin. 2006 wurde ihr der Wissenschaftspreis der Stadt Basel verliehen. Ihr Bürgerort ist Diegten, und sie lebt in Riehen sowie zeitweise in Berlin. Neben wissenschaftlichen Texten veröffentlicht sie auch Belletristik und Gedichte.

«Ihr Gedicht ‹Vollmond› rührt mich zu Tränen»

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