«Ich war sehr überrumpelt»
30.12.2025 SportDie Niederdörferin Seraina Degen ist Sportjournalistin des Jahres
Im Sommer die Fussball-EM, jetzt die «Tour de Ski» und dazwischen die eine oder andere Kolumne für die «Volksstimme»: Seraina Degen ist vielfältig unterwegs – und Sportjournalistin ...
Die Niederdörferin Seraina Degen ist Sportjournalistin des Jahres
Im Sommer die Fussball-EM, jetzt die «Tour de Ski» und dazwischen die eine oder andere Kolumne für die «Volksstimme»: Seraina Degen ist vielfältig unterwegs – und Sportjournalistin des Jahres.
Sebastian Wirz
Herzliche Gratulation zur Auszeichnung «Sportjournalistin des Jahres», Frau Degen! Haben Sie die Champagnerkorken knallen lassen?
Seraina Degen: Danke. Nein, nicht wirklich. Ich habe mich einfach sehr darüber gefreut und war sehr überrumpelt, als ich es mitbekommen habe. Eine Journalisten-Kollegin hat mir als Erste per «Whatsapp» gratuliert und ich habe zuerst gar nicht verstanden, worum es geht. Da gab’s keine Vorankündigung. Erst als mir meine Chefredaktorin im Newsroom persönlich gratuliert hat, wusste ich, was Sache ist.
Sie haben für die «Basler Zeitung» geschrieben und sind seit rund 10 Jahren für SRF Sport im Radio und im Fernsehen unterwegs. Ist das Ihr erster Preis?
Ja, denn es war nie mein Ziel, Ruhm und irgendeinen Titel zu erlangen. Mir ging es stets um die Sache. Vor allem freut es mich, weil es ein Branchenpreis ist, also Kolleginnen und Kollegen für mich abgestimmt haben. Was ich allerdings noch am Lernen bin, ist, die vielen Gratulationen und die Wertschätzung auch anzunehmen. Dabei denke ich oft an Pia Sundhage, die ehemalige Trainerin des Schweizer Frauen-Nationalteams, die gerne sagte, die Spielerinnen müssten beispielsweise den Druck «embracen», also umarmen und annehmen. Bei mir gilt nun also: «Embrace the Gratulationen.»
Da sind wir direkt beim Thema: In der «Laudatio» durch Susan Schwaller, Chefredaktorin von SRF Sport, im Branchenmagazin «Schweizer Journalist:in», das den Preis verleiht, nimmt der Fussball der Frauen einen grossen Stellenwert ein und Sie werden im Jahr der Heim-EM geehrt. Sehen Sie sich als Frauenfussballjournalistin?
Nein, ich bin TV- und Radioredaktorin – mit dem Spezialgebiet Frauenfussball. Ich habe grosses Wissen, kenne die Leute in dieser Sportart und begleite sie seit Jahren – eigentlich seit ich für die «Oberbaselbieter Zeitung» 2008 meinen ersten Beitrag über ein «Nati»-Spiel in Oberdorf verfasst habe. Ich denke, er ist eine Wertschätzung für den jahrelangen Einsatz für den Fussball der Frauen. Die Sichtbarkeit in diesem EM-Sommer hat wohl dazu beigetragen, dass ich gewonnen habe.
Wissen Sie lange im Voraus, zu welchen Spielen und in welchen Sportarten Sie eingesetzt werden?
Wir erhalten jeweils sechs Wochen im Voraus unseren Einsatzplan, wobei die Daten der Frauen-«Nati» gesetzt sind. Meine Ferien plane ich als «Nati-Reporterin» jeweils um die Zusammenzüge des Nationalteams herum. Zudem gehöre ich seit vier Jahren zum Langlauf-Team. Hinzu kommen zahlreiche sonstige Einsätze und Drehs. Mir gefällt die Arbeit als Redaktorin und Moderatorin und ich erzähle gerne Geschichten und Hintergründe. Und am Radiomachen gefällt mir besonders, dass der Baselbieter-Dialekt zu hören ist (lacht).
Im Februar stehen die Olympischen Winterspiele in Milano und Cortina an und Sie sind mit von der Partie.
Ja, ich freue mich sehr. Es werden meine ersten Winterspiele. Ich gehöre zum «Team Nordisch» und werde entsprechend durchgehend im Val di Fiemme sein. Tagsüber ist Langlauf angesagt, am Abend Skispringen. Das wird kalt, aber die Heizsocken sind sicher dabei.
Was schätzt die Sportjounalistin des Jahres an ihrem Job?
Mein Beruf gefällt mir sehr wegen der Abwechslung. Jeder Tag ist anders. Live-Sport heute, ein TV-Beitrag morgen, dann ein Radiodienst und jeden Monat ein wenig Print, da ich für die «Volksstimme» Kolumnen schreiben darf. Diese Breite macht mich sehr glücklich. Dazu ist es ein Privileg, an Orte zu kommen, die ich sonst nicht sehen würde. Ich darf tolle Geschichten erzählen und eigene Inputs verfolgen. Dazu habe ich ein tolles Team und kann jeden Tag mit Leidenschaft und Motivation am Werk sein. Vielleicht zeichnet mich das aus: Ich brenne für meinen Beruf.
Was gefällt Ihnen weniger?
Eigentlich ist nichts negativ, mit gewissen Dingen lernt man umzugehen und sich zu arrangieren. Stichwort unregelmässige Arbeitszeiten: Drei von vier Wochenenden arbeiten wir in der Regel und oft gibt es auch Abendschichten. Doch auch wenn ich in den vergangenen Wochen gefühlt mehr unterwegs war als zu Hause und ruhige Abende im Advent eher selten waren, möchte ich keinesfalls klagen. Wenn es solche gibt, geniesse ich sie umso mehr.
urück zu den Champagnerkorken vom Anfang: Sie sind zum Jahresende wie schon in den vergangenen Jahren bei der «Tour de Ski» im Einsatz. Feiern Sie Silvester?
Silvester ist mir nicht so wichtig. In jüngeren Jahren habe ich das schon ausgiebig gefeiert mit meinen Freundinnen. Hier in Toblach essen wir als kleines Team im Hotel «Znacht», es gibt wie für alle Gäste ein Silvester-Menü. Mit dem Unterschied, dass bei uns schneller serviert wird, damit wir um 22 Uhr fertig sind und nicht erst um Mitternacht. Seit ich an der «Tour de Ski» bin, verschlafe ich den Jahreswechsel jeweils.
Neugier und Leidenschaft
wis. Bei der Wahl zu den Journalisten und Journalistinnen des Jahres in mehreren Kategorien des Branchenmagazins «Schweizer Journalist:in» haben mehr als 1000 Teilnehmende die Nominierten auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet, wobei die Durchschnittswertung der Stimmen entscheidend war. In der jüngsten Ausgabe des Magazins, in dem die Siegerinnen und Sieger – SRF-Reporter Christof Franzen wurde zum Journalisten des Jahres gewählt, der in Buckten aufgewachsene Philipp Loser zum Kolumnisten des Jahres – genannt werden, würdigt Susan Schwaller, die Chefredaktorin SRF Sport, ihre Mitarbeiterin Seraina Degen in einer Art Laudatio. Darin ist zu lesen, dass Degen die Berichterstattung über den Frauenfussball auf ein neues Level gehoben habe, dass sie sowohl unter Kolleginnen und Kollegen als auch bei den Athletinnen angesehen sowie respektiert sei und dass sie stets über eine «echte, nicht aufgesetzte» Neugier verfüge. Vor allem im Frauenfussball habe die Niederdörferin «Türen geöffnet, Barrieren abgebaut und eine mediale Präsenz geschaffen, die dem Sport nachhaltig guttut». Und: «Seraina ist mit einer Leidenschaft unterwegs, der man sich nicht entziehen kann.» Die Sportredaktion der «Volksstimme» kann nur zustimmen.



