«Ich musste viele Handbücher wälzen»
15.05.2025 RünenbergMirco Kipfer baut Transporter zu rollenden Eigenheimen aus
Der gelernte Zimmermann Mirco Kipfer baute einst seinen eigenen «Campervan» um; jetzt ist dies sein Haupterwerb. Heute hat er Kunden aus der ganzen Schweiz, für die er in seiner Werkstatt in Rünenberg ihren ...
Mirco Kipfer baut Transporter zu rollenden Eigenheimen aus
Der gelernte Zimmermann Mirco Kipfer baute einst seinen eigenen «Campervan» um; jetzt ist dies sein Haupterwerb. Heute hat er Kunden aus der ganzen Schweiz, für die er in seiner Werkstatt in Rünenberg ihren Traum vom Haus auf vier Rädern erfüllt.
Nikolaos Schär
Kurz nach der Haltestelle Frohe Aussicht in Rünenberg weist ein Wegweiser mit der Aufschrift «Uniquevans GmbH» in das kleine Gewerbegebiet am Turnplatzweg zur Werkstatt von Mirco Kipfer. Der 30-Jährige scherzt gut gelaunt: «Der Name der Bushaltestelle passt schon.» Die Werkstatt liegt am Rande des Dorfs mit Blick auf die grünen Hügel des Tafeljuras. Für seine Kunden sei die Randlage kein Problem. Die seien ohnehin meist motorisiert unterwegs, sagt Kipfer, und sie kämen aus der ganzen Schweiz, um sich von ihm einen Transporter zum individuellen «Campervan» umbauen zu lassen.
Mit der Corona-Pandemie erlebte das Campen einen regelrechten Boom: «Viele wollten einen ‹Campervan›, um flexibel auf die sich rasch ändernden Reisebeschränkungen reagieren zu können», sagt Kipfer. Die «Ausbauer» – wie Kipfer sich und seine Berufskollegen nennt – tauchten plötzlich in grosser Zahl im Handelsregister auf. Er selbst sei vor der Corona-Pandemie schweizweit einer von wenigen «Ausbauern» und die einzige Adresse in der Nordwestschweiz gewesen, sagt Kipfer. Heute dürfte deren Zahl schweizweit dreistellig sein, vermutet der gebürtige Ziefner.
Von Marke Eigenbau bis Starlink
Auf dem Parkplatz vor dem Haus seiner Grossmutter in Liestal begann er 2017 mit dem Umbau seines ersten eigenen Busses. Der gelernte Zimmermann kündigte 2019 seinen Job in einer regionalen Schreinerei und wagte den Sprung ins Unternehmertum. «Ich wollte schon immer einmal mein eigener Chef sein», sagt der 30-Jährige. Er sah die Marktlücke und fasste auf Reisen, ohne sich gross Gedanken zu machen, den Entschluss, es zu wagen. Anfänglich verdiente er kaum etwas – Aufträge mussten zuerst an Land gezogen werden. «Ich musste viele Handbücher wälzen», sagt er, «am Anfang unterschätzt man das Ganze.»
Kipfer zahlte Lehrgeld: Wie offeriert man richtig, welche Installationsprodukte funktionieren, was ist nur Schrott, wie baut man Elektronik so ein, dass diese den Vorschriften entspricht und den Ansprüchen der Kunden gerecht wird? Seit Anfang Jahr hat er seine Werkstatt von Liestal nach Rünenberg verlegt. Bis Lieferanten und Kunden die Adresse auf Google Maps fanden, dauerte es eine Weile – typische Probleme, die Kipfer als Jungunternehmer lösen muss.
Mittlerweile ist er Vertragspartner von diversen Firmen, die Komponenten für den Ausbau herstellen und liefern: In seiner Garage stehen mehrere Busse – insgesamt hat er in sechs Jahren schon rund 60 bis 70 Komplettausbauten durchgeführt. Sein aktuelles Projekt: ein schwarzer Mercedes Sprinter mit Klimaanlage und «Starlink» (Elon Musks Satellitennetzwerk) auf dem Dach. Edle Einbauschränke und eine Toilette, die das Geschäft nach jedem Toilettengang mit einem Hygienebeutel luftdicht verschliesst. «Manchmal muss ich meine Kunden bremsen und fragen, ob sie das alles wirklich brauchen», sagt Kipfer. Denn ein Umbau wie dieser kostet gut und gerne 80 000 Franken. Seine Kunden seien oft 50- bis 70-Jährige mit dem nötigen Kleingeld, die sich im massgeschneiderten «Campervan» ihre Pension versüssen.
Doch es geht auch günstiger: Die Preisuntergrenze für einen kompletten Ausbau beginnt bei rund 40 000 Franken. Wenn es Kipfers Auftragsbücher zulassen, nimmt er auch kleinere Jobs an – viele muss er jedoch ablehnen. «Mittlerweile habe ich diesen Luxus», sagt er. Auch auf Laufkundschaft, die es hier oben in Rünenberg eh nicht gibt, sei er nicht mehr angewiesen.
Jüngere Leute, die ihren Bus in Eigenregie umbauen, kommen zu Kipfer, wenn sie Hilfe bei komplizierteren Arbeiten brauchen. Für diese bietet er Ausbauberatungen an und stellt ihnen fertige Materiallisten zusammen.
Kaufen sie das Material bei ihm, verdient er über Provisionen mit. «Ich finde es cool, wenn Leute etwas selber machen wollen», sagt Kipfer. Doch wenn er den Ausbau übernimmt, dürfen auch willige Kunden nicht selber Hand anlegen, das würde den Aufwand für ihn nur erhöhen – denn Arbeit hat er auch so schon genug.
Für die nächsten sechs Monate ist Kipfer mit diversen Umbauten beschäftigt: «Das ist ungefähr meine Komfortzone.» Genug Arbeit, um genügend Sicherheit zu haben und nicht zu verplant zu sein. Seit einiger Zeit ist er auf der Suche nach einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter: «Er oder sie muss eine handwerkliche Ausbildung haben und mithelfen, den Laden am Laufen zu halten». Jemanden zu finden, der all das mitbringt, «ist nicht ganz so einfach».
Genügend Bewerbungen liegen jedoch auf dem Tisch. Eine davon soll es ihm eines Tages ermöglichen, mehr Menschen ihren Traumcamper zu bauen und das Handy in den eigenen Camperferien auch mal beiseite legen zu können – im Gegensatz zu den sogenannten Influencern, die das «Vanlife» (Leben und Arbeiten im Bus) als Traum verkaufen.
Diese Influencer zeigen auf der Videoplattform Youtube ihr hippes Leben mit offener Heckklappe, Kaffee trinkend im Bett mit Blick aufs Meer. Entgegen der landläufigen Meinung, dass Wohnmobil- und Wohnwagenbesitzer mit ihren gepflegten Vorgärten auf Campingplätzen als Bünzlis gelten, ist das Campen schon länger wieder hip – das rollende Eigenheim erlebte bereits vor der Pandemie ein Revival. Der Begriff «Vanlife» hat auf der Plattform Instagram Beiträge im zweistelligen Millionenbereich und auf Tiktok mehr als 1 Milliarde Aufrufe.
Die Scheinwelt der Influencer
Kipfer kommentiert dies mit einem verschmitzten Lächeln: «Die Realität sieht anders aus.» Immer wieder müsse er die durch die Sozialen Medien geprägten Vorstellungen seiner Kunden etwas zurechtrücken. In den meisten Feriendestinationen sei es in der Hochsaison kaum möglich, abseits der Campingplätze «frei zu stehen». Für ihn ist es wichtig, dass die Erwartungen seiner Kunden nicht enttäuscht werden.
Nach der Corona-Pandemie hat sich der Hype um die «Campervans» wieder gelegt. Auf den gängigen Plattformen werden immer mehr Occasionsmodelle inseriert – die Preise sinken. Mit der Zunahme von Fernreisen verschwanden die rollenden Eigenheime wieder in den Garagen. Kipfer bestätigt dies, relativiert aber gleichzeitig: «Die Nachfrage hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Ich selbst habe keinen Auftragseinbruch.»
Dadurch ist er in der Lage, seine Produktpalette weiter auszubauen. Mit seinem ehemaligen Arbeitgeber hat er ein Modulsystem entwickelt, mit dem Kunden ihre Inneneinrichtung nach dem Baukastenprinzip selbst zusammenstellen können, und die dann in der Region gefertigt wird. Auch soziale Projekte, bei denen er auf einen Teil der Marge verzichtet, reizen ihn: Für eine Kundin, die wegen einer neurodegenerativen Erkrankung auf einen speziellen Rollstuhl angewiesen ist (siehe Artikel unten), plant er einen Ausbau.